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Interview: Sonny Kittel will wieder angreifen

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Sonny Kittel ist zurück – und der 19. April 2010 zu den Akten gelegt. Jener Tag, an dem sich der Gießener Fußball-Profi in Diensten des damaligen Bundesligisten Eintracht Frankfurt im Training einen Kreuzbandriss im rechten Knie zugezogen hatte.

Es folgten die OP in Augsburg, eine zweiwöchige Reha bei Reinhold Roth in Gießen und danach über mehrere Monate bei Klaus Eder in Donaustauf. »Zwei, drei Wochen vor der Winterpause« ist der inzwischen wieder zurück nach Gießen gezogene Kittel ins Mannschaftstraining eingestiegen, »bei 100 Prozent bin ich aber noch nicht, erst im Trainingslager werde ich voll einsteigen«, freut sich der seit dem gestrigen Freitag 19-Jährige auf die zehntägige Reise mit der Eintracht nach Katar.

Abflug ist am 14. Januar, und am 5. Februar steht gegen Eintracht Braunschweig das erste Ligaspiel auf dem Terminkalender. Der ist für dieses Jahr voll, auch die U-19-Europameisterschaft in Serbien unter Trainer Horst Hrubesch (»Er zählt auf mich«) bleibt ein markantes Ziel, doch Vorrang hat zunächst die vollständige Genesung. Sonny Kittel, der mit seiner Mutter und Bruder Sammy in Wieseck wohnt, schon als Sechsjähriger für die Eintracht spielte und dort alle Jugendabteilungen durchlaufen hat, gekrönt 2010 mit dem Gewinn der Deutschen B-Jugend-Meisterschaft, weiß um die Stärke der Frankfurter: »Wir haben den besten Kader in der Liga, da musst du einfach aufsteigen.« Auch für die Fans: »Die leben für die Eintracht. Wir können froh sein, solch tolle Fans zu haben.«

Im Vorfeld des Trainingsauftakts haben sich unser Redakteur Ronny Th. Herteux und Mitarbeiter Jan Martin Strasheim mit Mittelfeldspieler Sonny Kittel unterhalten.

Sonny Kittel, am 19. April des vergangenen Jahres gab es den ersten großen Rückschlag Ihrer noch jungen Karriere. Die Diagnose nach einer Trainingseinheit lautete Kreuzbandriss. Wie haben Sie diese Schocksituation damals erlebt?

Kittel: »Bevor es passiert ist, war ich in der Mannschaft drin. Es war ja direkt vor der Partie gegen die Bayern, wo ich spielen sollte. Da sind mir viele Gedanken durch den Kopf geschossen.«

Welche Gedanken? Auch ob die Karriere nun einen Knacks bekommen kann?

Kittel: »Da ist mir wirklich alles durch den Kopf gegangen. Ist es nun vorbei oder geht es weiter? Aber für mich war relativ schnell klar, dass ich stärker zurückkomme. Denn Rumheulen bringt ja auch nichts.«

Es war erst gar nicht klar, ob es eine wirklich schwerwiegende Verletzung ist ...

Kittel: »Ja richtig, es war voll komisch. Der erste Gedanke war, ob ich gegen die Bayern spielen kann, denn die erste Diagnose deutete noch nicht sofort auf eine schwerwiegende Verletzung hin. Im Krankenhaus wurde dann gleich gesagt, dass das vordere Kreuzband gerissen ist. Das war ein Schock.«

Ist solch ein Rückschlag für Sie als junger Sportler vielleicht auch eine Möglichkeit, sich mental für die Zukunft zu festigen?

Kittel: »Ich denke schon, dass es einen im Kopf stärker macht, wenn man mit so einer Verletzung klarkommen muss. Du bist sieben oder acht Monate weg vom Fenster und erst einmal abgeschrieben. Das ist eine harte Nummer.«

Dennoch sind Sie nicht in Vergessenheit geraten. Denn wenn man mal in die Fan-Foren schaut und sieht, wie sich die Fans mit der Rückrunde befassen – immer wieder fällt auch der Name Sonny Kittel.

Kittel: »Ich sitze jetzt nicht am PC und suche nach solchen Einträgen. Die Fans beeinflussen jetzt nicht, ob ich spiele oder nicht. Aber man sieht natürlich die Anerkennung. Ich werde jetzt 19 Jahre alt, und wenn die Fans so hinter einem stehen, freut es mich natürlich. Aber es ändert nichts daran: Ich muss Gas geben.«

Sie haben nun seit rund einem Jahr einen Profivertrag bei der Eintracht und schon sehr viel erlebt in dieser kurzen Zeit. Wie war es denn für einen jungen Kicker, unter Christoph Daum zu spielen?

Kittel: »Es war natürlich eine Ehre. Am Anfang hatte ich natürlich Riesenrespekt vor ihm. Aber nachdem er gesagt hat, dass ihm egal ist, welcher Name auf dem Trikot steht, sondern die Trainingsleistungen wichtig seien, war es für mich ein Neuanfang. Er hat mir die Chance gegeben und ich habe sie genutzt. Ich habe gegen Bremen über 90 Minuten gespielt und in Hoffenheim durfte ich auch ran. Gegen Bayern sollte ich auch wieder spielen. Er hat mich schon unterstützt und dafür bin ich auch dankbar.«

Wurden Sie von Daum mehr unterstützt, als durch seinen Vorgänger Michael Skibbe?

Kittel: »Die Zeit ist für mich abgehakt. Da will ich gar nicht mehr drüber nachdenken oder sprechen.«

Daum sagte, dass Sie ein noch größeres Talent als Mesut Özil seien. Das kommt ja schon einem Ritterschlag nahe.

Kittel: »Wenn das Christoph Daum sagt, ist es natürlich etwas anderes, als wenn es ein Kreisliga-Trainer sagt. Aber am Ende zählt nur, was ich leiste, was ich mache und wie viel ich mache. Und Glück spielt auch eine entscheidende Rolle, wie man jetzt gerade am Beispiel meiner Verletzung gesehen hat.«

In der B-Jugend sind Sie mit der Eintracht Deutscher Meister geworden. War das Ihr bislang größter Fußballmoment?

Kittel: »Es war auf jeden Fall ein tolles Jahr mit einem super Trainer und einer super Mannschaft. Es hat alles gestimmt und es hat wirklich Spaß gemacht.«

Sie haben alle Mannschaften der Eintracht durchlaufen. Von der F-Jugend hoch bis in den Profikader. Sie sind sozusagen auch ein Produkt des neuen Leistungszentrums am Riederwald. Fühlen Sie sich perfekt ausgebildet?

Kittel: »Perfekt kann man nie sagen. Natürlich wurde ich unterstützt. Ich habe sehr viel gelernt und viele gute Trainer gehabt. Ich habe mich schon immer sehr wohlgefühlt bei der Eintracht. Mein erster Jugendtrainer war Jürgen Beitzel.«

Für ihre Familie hieß es also, täglich die Strecke von Gießen nach Frankfurt und zurück zu bewältigen. Das ist schon mit einem enormen Aufwand verbunden.

Kittel: »Auf jeden Fall. Meine Mutter hat fast nur dafür gearbeitet, dass ich nach Frankfurt komme. Dafür bin ich ihr auch unglaublich dankbar. Das möchte ich auch alles zurückzahlen und deswegen hoffe ich, dass es jetzt was wird. Ich bin nach meiner Verletzung auch extra zurück zu meiner Familie gezogen und fahre jetzt täglich von Wieseck aus zum Training. Das ist schon okay, auch wenn der Stau morgens auf der A5 manchmal nervt.«

Sie haben bereits Alexander Schur als Meistertrainer der B-Jugend indirekt angesprochen. Sollte Armin Veh im Sommer seinen Vertrag nicht verlängern, gilt er als denkbarer Nachfolger. Glauben Sie, dass er es schaffen kann?

Kittel: »Auf jeden Fall. Als Mensch und vor allem als Trainer ist er super. Ich fand ihn echt gut. Wenn ich nicht Christoph Daum kennengelernt hätte, würde ich sagen, dass es bisher mein bester Trainer war. Ich habe keine Bedenken.«

Man hört schon raus, dass Daum einen besonderen Eindruck hinterlassen hat. Was war denn so besonders an ihm?

Kittel: »Man hat gespürt, dass er den Beruf Fußballtrainer lebt. Das hat man förmlich gesehen. Er hat einen unterstützt und geholfen. Ich bin ihm einfach dankbar, dass er mir die Chance gegeben hat.«

Dennoch hat es nicht gereicht und die Eintracht ist im Mai abgestiegen. Was waren Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?

Kittel: »Ich weiß es nicht. Es war wirklich komisch. Vielleicht kam der Trainerwechsel zu spät. Denn ich fand schon, dass mit Daum neuer Schwung kam. Das Glück hat aber auch gefehlt, denn wenn ›Fanis» gegen Bayern das 2:0 schießt, spielen wir jetzt noch erste Liga. Es waren Kleinigkeiten.«

Aber irgendwas muss in der Mannschaft doch passiert sein gegenüber der Vorrunde ...

Kittel: »Es haben ja immer dieselben Leute gespielt. Das haben wir Spieler auf der Bank und auf der Tribüne auch gesehen. Vielleicht haben wir auch alle gedacht, dass es nach der Hinrunde so weitergeht. Es kommt einfach, dass man dann denkt, dass wir einfach so weitermachen und es dann vielleicht sogar bis nach Europa geht. Aber so geht es natürlich auf Dauer nicht.«

Schauen wir lieber nach vorne. Was muss in den nächsten 15 Spielen Ihrer Meinung nach passieren?

Kittel: »Wir haben eine ganz neue Mannschaft, die sich erst einmal finden muss. Wir haben einen super Kader. Ich denke auch den besten Kader der Liga. Da müssen wir aufsteigen. Ganz egal wie.«

Und das wahrscheinlich mit Ihnen, denn Sie steigen ja im Trainingslager in Katar wieder richtig ein. Was sagen denn die Ärzte?

Kittel: »Es sieht gut aus. Ich hatte schon Ende November eine Abschlussuntersuchung und es hieß, ich sei wieder gesund. Vom Gefühl her ist es natürlich noch ein wenig anders, denn es ist ein bisschen ungewohnt. Ich denke, nach den ersten zwei, drei oder vier Zweikämpfen legt sich das auch wieder.«

Stimmt es, dass ein Reha-Training wesentlich härter ist als eine normale Trainingseinheit im Fußball?

Kittel: »Ich denke, dass meine Mannschaftskollegen total fertig wären, wenn sie das Training machen müssten, das ich jetzt mache. So ist es halt in der Reha. Man macht jeden Tag ein und dasselbe und es ist schwer, sich immer wieder beim Krafttraining aufs Neue zu motivieren. Ich bin auf jeden Fall den Ärzten und Therapeuten, die mich behandelt haben – wie Klaus Eder in Donaustauf und Reinhold Roth in Gießen –, sehr dankbar. Mein Berater und der Verein haben mich auch gut unterstützt.«

Nun dürfen Sie wieder ran. Und da wir lange nichts mehr von Ihnen gesehen haben, bleibt die Frage nach ihren Stärken. Offiziell heißt es, Sie seien beidfüßig. Optimale Bedingungen, um Schwung in die bislang doch eher schwachen Standardsituationen der Eintracht reinzubekommen.

Kittel: »Ich würde schon sagen, dass mein rechter Fuß etwas stärker ist. Denn mit ihm schieße ich auch die Ecken und Freistöße. Standards könnte ich schon ganz gut (lacht).«

Vielleicht dürfen Sie ja künftig diese Aufgabe übernehmen. Welchen Eindruck haben Sie bislang von Trainer Armin Veh?

Kittel: »Der erster Eindruck ist gut. Ich sehe, dass er sich freut, dass ich wieder da bin. Jetzt wird man im Trainingslager sehen, was kommt.«

Die Fan-Szene in Frankfurt gilt als bunt, kreativ, lautstark und neuerdings auch – bedingt durch ein paar wenige »verwirrte Geister« – auch als gewaltbereit. Wie sehen Sie als junger Spieler die Fans?

Kittel: »Nur positiv eigentlich. Es war schon immer so, dass die Eintracht die besten Fans hat. Die Choreos sind einfach sensationell und zudem sind sie immer und überall dabei. Als ich noch Balljunge war, habe ich eine Gänsehaut bekommen, wenn ich vor dem Block stand. Dass manche Mist machen, ist natürlich blöd. Aber die meisten sind fair und gut.«

Ihr Bruder Sammy ist beim Interview dabei und sie wohnen wieder in Gießen. Wie läuft so ein freier Tag bei den Kittels ab?

Kittel: »Ganz normal. Wir spielen oft zusammen Fußball. Oder wir zocken ein bisschen Playstation. Es ist also wie in jeder ganz normalen Familie.«

Herr Kittel, vielen Dank für das Gespräch und gesundheitlich alles Gute für die Zukunft. (htr/jms)

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