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Hessischer Amateurfußball vor Saisonabbruch: Widerstand gegen den Verband formiert sich

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Von: Philipp Keßler

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Die hessische Fußballsaison 2019/20 steht vor dem Abbruch, doch über die Modalitäten gibt es immer noch Diskussionen.
Die hessische Fußballsaison 2019/20 steht vor dem Abbruch, doch über die Modalitäten gibt es immer noch Diskussionen. © Nici Merz

Die Saison im hessischen Amateurfußball soll wegen der Coronavirus-Pandemie abgebrochen werden. Doch die Modalitäten sind weiter ein Streitpunkt. Vor der entscheidenden Sitzung des Verbandsvorstands formiert sich nun der Widerstand.

Am Samstagmorgen wird es ernst. Dann will der Vorstand des Hessischen Fußballverbandes (HFV) endlich Klarheit in Bezug auf die vor dem Abbruch stehende Saison schaffen - und vor allem die strittige Frage nach dem Umgang mit den Mannschaften auf den Relegationsplätzen klären. Bereits im Vorfeld erhöht eine Gruppe von Klubs den Druck auf die Funktionäre.

Online-Petition hat bereits mehr als 600 Unterstützer

Zur Erinnerung: Der Verbandsvorstand hatte nach etlichen Kreis- und Regionalkonferenzen mit Vereinsvertretern zuletzt ein Szenario favorisiert, wonach die Saison abgebrochen, die Abschlusstabellen mittels eines Quotienten ermittelt und lediglich ein Auf- aber kein Abstieg durchgeführt wird. Erst kurz vor Toresschluss kam vor gut zwei Wochen die Diskussion um die Teams auf den Relegationsplätzen auf, die sich angesichts der möglichen Regelung um ihren sportlichen Lohn betrogen fühlten.

Inzwischen hat eine entsprechende Online-Petition, ins Leben gerufen von Akkan Akkus, Vorsitzender des SV Dersim Rüsselsheim, rund 650 Unterzeichner. Sein Klub steht - in einer Spielgemeinschaft mit dem VfR Rüsselsheim - aktuell auf dem zweiten Platz der Gruppenliga Darmstadt und will unbedingt den Verbandsliga-Aufstieg. Androhungen einer Klage im Falle einer Nichtberücksichtigung der Relegationsteilnehmer beim Saisonabbruch hat es bereits gegeben.

Prominentestes Beispiel dieses Vorgehens war der Hessenliga-Zweite KSV Hessen Kassel, der vergangene Woche - auch unter Einsatz des HFV - von der Regionalliga Südwest den Aufstieg in die vierte Spielklasse zugesprochen bekommen hatte.

Widerstandsgruppe wächst weiter

Nun zündet offenbar die nächste Stufe des Widerstands in Hessen: HFV-Funktionären ist dieser Tage auf elektronischem Weg ein Schreiben zugestellt worden, das von 45 Vereinen, teils mit namentlich genannten Vertretern, unterzeichnet worden ist. Nach eigenen Angaben hat sich die Gruppe, deren Größe laut übereinstimmender Medienberichte in der Zwischenzeit weiter gewachsen ist, in einer WhatsApp-Gruppe organisiert, um den HFV mit möglichst breiter Front davon zu überzeugen, die Relegationsteilnehmer doch noch zu berücksichtigen - idealerweise mit einem Massenaufstieg. Das Schreiben soll dem Vernehmen nach am Mittwoch auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

In dem gut zwei DIN-A4-Seiten langen Text heißt es unter anderem: »Wir möchten, wenn irgend möglich, jegliche Form von Auseinandersetzungen und Konfrontationen vermeiden, werden aber Ihr derzeit beabsichtigtes Vorhaben in dieser Form auch nicht hinnehmen.« Intern wird wohl bereits über das Einlegen möglicher Rechtsmittel diskutiert.

Kritik an Belohnung der Schwachen und Bestrafung der Starken

In den Ausführungen geht es vor allem um die Kritik an der Aussetzung des Abstiegs bei gleichzeitiger - möglicher - Nichtberücksichtigung der Relegationsteilnehmer. Der Gegenvorschlag: Alle auf den Relegationsplätzen befindlichen Mannschaften sollen aufsteigen, 50 Prozent der Mannschaften auf den Abstiegsplätzen sollen absteigen - auch um das Problem überquellender Verbandsspielklassen und damit nicht durchführbarer Spielpläne in der kommenden Runde zu vermeiden. »Die sportlich fairste Variante« aber wäre eine Fortsetzung der Saison, wenn der Spielbetrieb aufgrund weiterer Lockerungen der Beschränkungen aufgrund der Coronavirus-Pandemie wieder möglich sei. Dies könne »ohne Weiteres auch erst im nächsten Jahr« sein.

Gegen eine solche Variante und für die besagte Regelung mit Auf- und ohne Abstieg hatte sich bei Umfragen allerdings die Mehrheit der Vereine ausgesprochen, ehe die Diskussion neu entfacht wurde. Auch darauf hat die Gruppe eine Antwort: »Aus unserer Sicht waren die Videokonferenzen mit den Vereinen so ausgelegt, dass das Abstimmungsergebnis von vornherein vorhersehbar war.« Und: »Völlig unverständlich für uns ist, dass bei den vorgestellten Szenarien die Relegationen nur am Rande erwähnt wurden, obwohl sich diese Mannschaften bis zum Zeitpunkt des Abbruchs gemäß der Verbandsstatuten das Recht erworben hatten, um den Aufstieg via Relegation anzutreten.«

Entscheidung bei Vorstandssitzung des HFV am Samstag

Eine offizielle Stellungnahme vonseiten des HFV gibt es bislang nicht. Mehr Klarheit wird erst die Sitzung am Samstag geben, auf der dann der endgültige Vorschlag für den außerordentlichen Verbandstag, der am 13. oder 20. Juni stattfinden soll, ausgearbeitet werden soll. Im Zentrum steht nun ein vom HFV in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, das laut Verbandsspielwart Jürgen Radeck (Ortenberg) zwar vorliegt, über dessen Inhalt bis Samstag aber noch Stillschweigen bewahrt werden soll. »Aktuell ist noch alles offen«, bestätigte Radeck auf Nachfrage. In anderen Landesverbänden (zum Beispiel Schleswig-Holstein) haben die Vereine auf den Relegationsplätzen übrigens bereits »grünes Licht« für den Aufstieg bekommen - nach der Causa Hessen Kassel weiteres Wasser auf die Mühlen der Klubs, die sich nun zum Widerstand formieren.

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