Hamburg, London, Karben: Das Leben von Christian Von Eitzen zwischen Studium, Arbeit und Leistungssport

Ein gebürtiger Hamburger, der erst in Oxford und jetzt in London lebt - und der als Mittelstreckenläufer für das Athletics-Team Karben antritt. Diese besondere Vita gehört zu Christian von Eitzen, der nun, da er seine sportliche Heimat in der Wetterau gefunden hat, nach Höherem strebt.
Ich zeige dir mal meinen Ausblick«, sagt Christian von Eitzen und nimmt seinen Laptop in die Hand, um die darin verbaute Kamera aus dem Fenster zu halten. In nur geringer Distanz ist die wolkenverhangene Skyline von London zu sehen. »In meiner neuen Wohnung bin ich sogar noch näher dran«, erzählt der 23-Jährige, der Großbritannien schon länger seine Heimat nennt. Sportlich gesehen gehört der 800-Meter-Läufer aber seit der Gründung Anfang dieses Jahres zum Athletics-Team Karben (ATK), dessen Farben er mit Rang vier bei den deutschen Meisterschaften in Braunschweig schon stark vertreten hat. Doch der angehende Masterstudent will mehr - beruflich und auf der Bahn.
Christian von Eitzen: Alles andere als ein gewöhnlicher Lebensweg
Sein Lebensweg ist alles andere als gewöhnlich. Geboren in Hamburg, nimmt er, damals noch als Fußballer, an seinem ersten Rennen teil und entdeckt sein Talent für das Laufen. Im Alter von zehn Jahren zieht er nach Oxford - in die britische Heimat seiner Mutter, wo sein Vater, ein Deutscher, arbeitet. »Nach ein paar Jahren habe ich mit Fußball aufgehört, weil ich gemerkt habe, dass das Laufen mein Sport ist«, erzählt von Eitzen. Nach der Schule geht er nach London, studiert den Bachelor in Kriminologie an der St. Mary’s University. Dazwischen stirbt der Vater. Aus Verbundenheit zu ihm entscheidet sich von Eitzen junior, der die doppelte Staatsbürgerschaft besitzt, trotz einiger erster Erfolge in seiner neuen Heimat, zukünftig für Deutschland starten zu wollen.
Durch den C-Kader-Bundestrainer Adi Zaar schlägt er seine Zelte zunächst beim LC Rehling im Saarland auf, stellt 2017 seine persönliche Bestleistung auf: 1:46:88 Minuten. Er kommt in den Kader, lebt ein Jahr in Frankfurt und trainiert mit den besten deutschen Mittelstreckenläufern, ehe eine Verletzung ihn zurückwirft. In London zurück, arbeitet er nun für die Modelagentur von Freunden, will außerdem ab Herbst Psychologie an der renommierten London School of Economics and Political Science studieren und gleichzeitig sportlich noch viel erreichen - dank Kumpel, Teamkollege und 1500-Meter-Spezialist Marc Tortell inzwischen in den Farben des ATK.
Christian von Eitzen: Rendeler Familie Tortell als Verbindung in die Wetterau
»Ich habe Marc Tortell damals in der Trainingsgruppe in Frankfurt kennengelernt. Wir haben uns gleich richtig gut verstanden und während des Sommers war ich öfter mal bei seiner Familie zum Grillen eingeladen«, erzählt von Eitzen, wie die Verbindung zur sportbegeisterten Familie aus Rendel zustande kam. Als diese dann den neuen Verein für Spitzenathleten aus der Taufe hoben, ließ sich von Eitzen nicht lange bitten. »Die Idee hat sich von Anfang an richtig gut angehört: Der Verein ist klein und dadurch hat jeder etwas mehr Einfluss. Das finde ich cool«, sagt er - und hat sich gemeinsam mit Tortell gleich um die Gestaltung von Logo und Trikots des neuen Klubs verdient gemacht.
Trainiert wird allerdings ausschließlich in seiner britischen Wahlheimat, nur für Wettkämpfe geht es nach Deutschland - normalerweise rund zehnmal pro Jahr. Das war auch schon mal anders: »Ich bin damals nach Deutschland, weil ich das deutsche System kennenlernen wollte«, sagt von Eitzen, der ein Jahr unter dem heutigen Mittelstrecken-Bundestrainer Georg Schmidt mit Marvin Heinrich (LG Eintracht Frankfurt) und dessen Teamkollegen, dem amtierenden deutschen Meister Marc Reuther, trainierte. Ein Leistenbruch, der am Ende 2018 operiert werden musste, wirft ihn zurück. »Ich wusste, dass ich mir unter diesen Bedingungen in England besser wieder etwas aufbauen kann, deshalb bin ich zurück«, sagt von Eitzen über die Zeit danach - und fühlt sich dort in einer Trainingsgruppe mit dem Hallen-EM-Silbermedaillengewinner von 2019, Jamie Webb, und Daniel Rowden (Silber bei der U 23-EM 2017) nach eigener Aussage längst pudelwohl. Kein Wunder: Die Briten sind auf der Mittelstrecke gerade in der Breite deutlich stärker aufgestellt.
Christian von Eitzen: Coronavirus-Pandemie wirbelt Pläne für 2020 durcheinander
Seine Finanzierung läuft aktuell aber »fast nur über meinen Job und ein bisschen über den Verein«, sagt er. »Das soll sich auch wieder ändern, aber mir tut das ehrlich gesagt auch gut. Durch die Arbeit denke ich weniger über das Laufen nach und bekomme den Kopf frei - das hilft mir wiederum fürs Laufen.« In den kommenden beiden Jahren dürfte ihn zusätzlich sein Masterstudiengang beschäftigen, nach dem er gerne auch noch promovieren würde. Dennoch: »Ich will wieder zurück in den deutschen Kader.«
Die Pandemie hat auch bei ihm viel durcheinander gewirbelt, dabei sollte 2020 eigentlich sein Jahr werden: Nach den Leistenproblemen 2018 und der rund fünfmonatigen Pause Anfang 2019 infolge der Operation passten die Ergebnisse im vergangenen Jahr noch nicht. »Das war im Training einfach zu viel gehetzt«, sagt von Eitzen. Entsprechend viel Hoffnung hatte er für 2020 - und wurde mit Rang vier bei der DM in Braunschweig erneut enttäuscht. »Ich hatte natürlich auch etwas Pech, als ich auf der Zielgeraden innen kurz von der Bahn gekommen bin, aber das ist eben Wettkampf«, sagt er. »Ich hoffe aber, es wird in diesem Jahr noch etwas schneller.« Aufgrund des harten Lockdowns in Großbritannien, wo erst seit Anfang August überhaupt wieder Wettkämpfe zugelassen sind und auch die Trainingsbedingungen stark eingeschränkt waren, war es in Sachen Zielsetzung für die Saison ohnehin schwierig
Christian von Eitzen: Seine Hoffnungen ruhen nun auf der nächsten Saison
»Nächstes Jahr wird dann hoffentlich alles besser«, sagt von Eitzen, der mit dem Gedanken spielt, auf die 1500 Meter umzusteigen - und dann auch gegen Teamkollege Tortell laufen würde. »Das war schon immer der Plan, aber durch die Verletzung und Corona hat sich das verschoben«, sagt er. »Ich rechne mir international über die 1500 Meter einfach mehr aus - auch weil mein Endspurt nicht der beste ist«, sagt von Eitzen, der aktuell rund 25 Stunden pro Woche trainiert - Regeneration nicht mitgerechnet.
Gerade das kommende Jahr könnte für viele Leichtathleten entscheidend werden: Olympische Spiele in Tokio, EM und WM in der Halle, die Universiade und die nach- geholte WM in den USA. »Zwei Events davon mitzunehmen, wäre schon cool - hoffentlich sind es die beiden größten«, sagt von Eitzen mit einem schelmischen Grinsen. Damit das auch klappt, brauche es aber zuallererst viel Geduld: »Man muss einfach hartnäckig bleiben und bereits sein, hart zu arbeiten, und auch wenn vieles dazwischen kommen kann - wie meine Verletzung -, irgendwann klappt es schon«. Davon ist er felsenfest überzeugt.