Drei Köpfe, eine Leidenschaft
Am Wochenende starten die drei heimischen Fußball-Gruppenligisten in die Saison. Leistungsträger des SC Dortelweil, VfB Friedberg und SKV Beienheim trafen sich im Vorfeld zum lockeren Plausch.
Als letzter erschien Kevin Cholewa im Green Island in Bad Nauheim. »Hier bin ich, wir können anfangen«, sagte der Spieler des SC Dortelweil mit einem breiten Grinsen. Zusammen mit Marcel Bilkenroth (SKV Beienheim) und Malte Strothmann (VfB Friedberg) blickte er auf die anstehende Saison, beleuchtete aber auch allgemeine Aspekte des Amateurfußballs, wie etwa das nachlassende öffentliche Interesse. »Es wird aber auch Zeit«, flachsten der 30-jährige Bilkenroth und der 29-jährige Strothmann, als sich der 22-Jährige an den Tisch setzte. Cholewa blickte auf seine Uhr und konterte gelassen: »Es ist exakt 15 Uhr, also bin ich pünktlich.« Damit lag der Offensivspieler, der für den SC Dortelweil seit der Saison 2015/2016 vorwiegend die linke Außenbahn besetzt, zweifellos richtig.
Später warfen sich die drei Leistungsträger der drei heimischen Gruppenligisten verbal die Bälle zu. Bereits am kommenden Samstag, beim Wetterau-Derby zwischen Aufsteiger SKV Beienheim und dem VfB Friedberg (17 Uhr), werden sich zwei der drei Akteure auf dem Platz gegenüberstehen. Als Defensivspezialist beim VfB wird Malte Strothmann versuchen, Tore durch Beienheims Stürmer Marcel Bilkenroth zu verhindern.
Gut möglich, dass Kevin Cholewa das Spiel als Zuschauer verfolgen wird. Denn mit dem SC Dortelweil startet er bereits am morgigen Freitag beim FV Stierstadt (20.15 Uhr) in die Saison 2017/18.
Bodenständigkeit ist für alle drei Fußballer kein Fremdwort: Malte Strothmann hält mit drei Jahren Unterbrechung (SG Anspach) dem VfB Friedberg seit seiner Jugendzeit die Treue. Marcel Bilkenroth ist nach einem genauso langen Intermezzo beim FC Nieder-Florstadt fester Bestandteil beim SKV Beienheim. Kevin Cholewa spielte indes vor seinem Wechsel zum SC Dortelweil bei Rot-Weiß Frankfurt. Geht es allerdings um den »Großen Fußball« oder um die berufliche Ausrichtung, bewegen sich die Akteure auf unterschiedlichen Wegen: Marcel Bilkenroth ist Energie-Elektroniker und bekennender Fan von Borussia Dortmund, Kevin Cholewa arbeitet als Fachinformatiker und ist Anhänger der Frankfurter Eintracht. Und Malte Strothmann studiert Geschichte, Japanologie und Amerikanistik und sympathisiert mit Bayer Leverkusen.
Am Wochenende beginnt die Saison 2017/18. Welchen Stellenwert nimmt der Fußball in Ihrem Leben ein?
Kevin Cholewa: An den meisten Wochentagen gehe ich nach der Arbeit sofort ins Training. Der Fußball hatte schon immer einen festen Platz in meinem Leben. Wenn ich als Spieler aufhöre, dann werde ich dem Fußball mit Sicherheit erhalten bleiben. Ich kann mir durchaus vorstellen, später als Trainer zu arbeiten und damit in die Fußstapfen meines Vaters zu treten. Meine Freundin, die selbst Handballerin ist, hat etwas unter meiner Fußballbegeisterung zu leiden. Seitdem ich mit ihr zusammen bin, gehe ich aber seltener ins Stadion. Die Prioritäten haben sich etwas verändert, da ich mir auch regelmäßig ihre Spiele anschauen möchte. Wenn gutes Wetter ist, dann kommt sie auch gerne zu meinen Spielen. Bei Regen ist sie aber nicht so gut zu begeistern (schmunzelt). Ich habe mittlerweile ein Interesse für Handball entwickelt, obwohl ich diese Sportart selbst nicht betreiben könnte. Ich bin zu klein und zu schmal (schmunzelt). Auf dem Fußballplatz bin ich besser aufgehoben.
Malte, wie wichtig ist der Fußball für Sie?
Malte Strothmann: Früher hatte der Fußball einen überragenden Stellenwert. In den letzten Jahren hat sich meine Einstellung aber etwas verändert. Meine Freundin beschwert sich aber trotzdem (schmunzelt). Mir ist es sehr wichtig, viel Zeit mit ihr zu verbringen und auch mal zusammen in den Urlaub zu fahren. Wenn man in der Gruppenliga aktiv ist, dann kann man es sich – zumindest während der Saison – aber nicht erlauben, sich mal mehrere Tage gar nicht mit Fußball zu beschäftigen. Außerdem ist es schwierig, einfach mal ein Wochenende wegzufahren. Ich denke, dass viele Spielerfrauen damit ein Problem haben.
Marcel, wie ist Ihr Verhältnis zum Fußball?
Marcel Bilkenroth: Ich spiele seit etwa 25 Jahren Fußball und genieße es nach wie vor sehr, zu trainieren und zu spielen. Die Vorfreude auf die kommende Saison ist riesengroß, da ich erstmals in der Gruppenliga spielen werde. Mit der Vorbereitung bin ich grundsätzlich zufrieden, denn sie war intensiv und anstrengend. Allerdings hätte ich mir gewünscht, zum jetzigen Zeitpunkt schon etwas weiter zu sein. Trotzdem kann es jetzt endlich losgehen.
Malte, Sie haben in der vergangenen Saison mit dem VfB Friedberg völlig überraschend vorne mitgespielt. Lässt sich eine solche Saison ansatzweise wiederholen?
Strothmann: Die Ausgangslage ist ähnlich wie vor der vergangenen Saison, für die wir den Klassenerhalt zum Ziel hatten. Für uns ist es schon ein Erfolg, dass wir in der Gruppenliga spielen. Obwohl unser Kader etwas verstärkt wurde, werden wir – realistisch betrachtet – gegen den Abstieg spielen. Da wir ein sehr schwieriges Auftaktprogramm haben (SKV Beienheim, FC Neu-Anspach und SG Bornheim/GW, Anm. d. Red.), müssen wir aufpassen, dass wir nicht früh unten reinrutschen. In der vergangenen Saison hatten wir das Glück, dass wir nach Niederlagen immer die richtige Antwort parat hatten und wir daher von Anfang bis Ende unbeschwert aufspielen konnten. Aufgrund unserer Leistungen ist die Erwartungshaltung bei dem ein oder anderen im Umfeld sicherlich gestiegen. Ich habe aber das Gefühl, dass die meisten unsere Situation realistisch einschätzen können. Wenn wir die ersten fünf Spiele verlieren sollten, dann werden wir mit Sicherheit keine Panik schieben. Die Mannschaft ist gefestigt und hat nach der vergangenen Saison vor allem sehr viel Selbstvertrauen.
Marcel, mit welchen Zielen gehen Sie in die Saison?
Bilkenroth: Bei uns ist die Euphorie sehr groß. Als Aufsteiger wird es aber primär um den Klassenerhalt gehen, zumal viele der jüngeren Spiele in der Gruppenliga Neuland betreten werden. Verstecken müssen wir uns aber nicht, denn wir haben auch einige Spieler, die bereits höherklassig aktiv waren. Die Mischung in unserer Mannschaft ist richtig gut. Trotzdem dürfte der Kampf gegen den Abstieg schwer genug werden, da bis zu fünf Teams runter müssen (in der vergangenen Saison stieg der Türkische SV Bad Nauheim als Tabellen-13. trotz 39 Punkten aus 32 Spielen ab, Anm. d. Red.). Da wir in unseren Vorbereitungsspielen gegen höherklassige Gegner gut aussahen, gehen wir aber zuversichtlich in die Saison. Unsere Mannschaft ist gefestigt, eingespielt und wurde in den vergangenen Monaten punktuell verstärkt.
Wie ist die Erwartungshaltung in Dortelweil, Kevin?
Cholewa: Wir fühlen uns gut gewappnet und wollen aufsteigen, obwohl das in der nächsten Saison schwerer als in der vergangenen Saison werden dürfte. Denn die Konkurrenz hat mächtig aufgerüstet. Die absoluten Top-Favoriten auf den Aufstieg sind für mich die Sportfreunde Frankfurt und die FG Seckbach. Auch der FC Neu-Anspach hat sich gut verstärkt. Wir sind aber der Überzeugung, dass wir diese Teams ärgern können.
Malte, wie schätzen Sie die Liga ein?
Strothmann: Die Gruppenliga ist ausgeglichen besetzt. Das hat man nicht nur in der vergangenen Saison gesehen, als die Kellerkinder und die Mittelfeldteams bis kurz vor Saisonende dicht beieinander waren. Mit Beienheim ist ein sehr starker Aufsteiger hinzugekommen, den ich nicht unbedingt im Tabellenkeller erwarte.
Das Interesse am Amateurfußball hat in den vergangenen 20 Jahren abgenommen. Wie erleben Sie die Situation, Kevin?
Cholewa: Ich spüre anhand meines Bekanntenkreises, dass es immer schwieriger wird, Leute für den Besuch eines Amateurfußballspiels zu begeistern. Die Vereine müssten sich besser in der Öffentlichkeit positionieren, müssten ihre Spiele intensiver bewerben und dafür alle Social-Media-Kanäle nutzen. Es wäre auch nicht verkehrt, wenn Vereine an Spieltagen ein Rahmenprogramm auf die Beine stellen würden, um potenziellen Zuschauern einen zusätzlich Anreiz zu bieten. Das ist wichtig! Denn heute gibt es nicht nur viel mehr Freizeitmöglichkeitmöglichkeiten als vor 20 Jahren, sondern auch ständig irgendwo verkaufsoffene Sonntage. Da aber in vielen Vereinen die Anzahl an Helfern immer weiter sinkt, ist ein Rahmenprogramm an Spieltagen schwer umsetzbar.
Malte, hat der VfB Friedberg durch die starke zurückliegende Saison diesbezüglich einen Aufschwung erfahren?
Strothmann: Wir haben sicher den ein oder anderen Zuschauer hinzugewonnen, aber mehr Helfer als vorher haben wir nicht. Die Anzahl der Ehrenamtlichen nimmt generell ab, außerdem wird es den Vereinen durch Spielplangestaltungen im Profifußball sehr schwer gemacht. Wenn Bayern München oder Eintracht Frankfurt künftig am Sonntagnachmittag spielt, dann werden wir das deutlich zu spüren bekommen. Eine Chance hat man, wenn Derbys anstehen. Denn zu solchen Spielen kommen schon mal 500 Zuschauer. Deswegen finde ich es auch sehr schade, dass der FCO Fauerbach und der Türkische SV Bad Nauheim im Frühjahr abgestiegen sind. Dass der DFB (Deutsche Fußball-Bund, Anm. d. Red.) künftig Amateurfußballspiele live im Netz zeigen will (durch eine Kooperation mit der Plattform »Sporttotal.tv« will der DFB der Basis zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen, Anm. d. Red.) sehe ich hingegen weniger problematisch. Die Leute interessieren sich natürlich für das Spiel, aber vor allem reizt sie das Drumherum und die Atmosphäre – und die gibt es nur auf dem Sportplatz. Diese Atmosphäre kann keine Internet-Übertragung bieten. Ich denke nicht, dass die Zuschauerzahlen dadurch zurückgehen würden.
Kevin, Sie erzielten in der vergangenen Saison fünf Treffer. Als Offensivspieler können Sie mit dieser Ausbeute nicht zufrieden sein, oder?
Cholewa: Es hätten schon einige mehr sein können! In der Saison 2015/16 hatte ich 15 Tore geschossen – ungefähr so viele sollen es in der nächsten Saison werden. Als Außenspieler sind für mich aber Vorlagen wichtiger. Und letztlich ist es ja auch egal, wer die Tore erzielt, wenn das Team Erfolg hat.
Marcel, in der Saison 2016/17 gelangen Ihnen in der Kreisoberliga 20 Tore. Wie viele Treffer sind in der Gruppenliga realistisch?
Bilkenroth: Ich weiß natürlich, dass die Abwehrspieler in der Gruppenliga besser sind. Trotzdem habe ich mir vorgenommen, annähernd so viele Tore zu schießen.
Malte, als Abwehrchef sind Sie beim VfB Friedberg dafür zuständig, Gegentore zu verhindern. Ist diesbezüglich körperlicher Einsatz oder das Stellungsspiel wichtiger?
Strothmann: Man braucht beides. Generell ist es so, dass man ausgehend von einem guten Stellungsspiel auch gut in die Zweikämpfe findet. Meine Aufgabe ist es auch, meine Mitspieler zu dirigieren und bei ihrem Stellungsspiel zu unterstützen, weil ich von hinten die ein oder andere Situation besser im Blick habe. Da mein Partner in der Innenverteidigern aufgehört hat (Eugen Rack, Anm. d. Red.) werde ich mich umstellen müssen. Denn Eugen war ganz wichtig für uns. Natürlich wären wir in der letzten Runde ohne unsere Offensive nicht so weit vorne gelandet, aber wir dürfen nicht vergessen, dass nur drei Teams weniger Gegentore als wir (54 in 32 Spielen, Anm. d. Red.) kassierten.
Kevin, Sie waren früher Schiedsrichter. Haben Sie deshalb mehr Verständnis für die Entscheidungen der Unparteiischen?
Cholewa: Das ist schwer zu sagen. Zumindest neige ich dazu, alles besser zu wissen (schmunzelt). Ich habe aber großen Respekt vor den Unparteiischen, weil sie es heutzutage nicht leicht haben. Natürlich ist es ärgerlich, wenn man Opfer einer Fehlentscheidung wird, aber jeder Schiedsrichter darf auch Fehler machen. Ich persönlich versuche, mich auf dem Platz zurückzuhalten, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, dass es einem als Schiedsrichter sehr nahe geht, wenn man von allen Seiten angemotzt wird.
Wie ist das bei Ihnen, Malte? Können Sie Entscheidungen des Schiedsrichters hinnehmen?
Strothmann: Ich ärgere mich natürlich ab und zu über Entscheidungen, zumal man hin und wieder merkt, dass mancher Schiedsrichter nie selbst Fußball gespielt hat. Andere werden leider nicht entsprechend gefördert – und das merken wir Spieler dann. Meiner Meinung nach muss man Schiedsrichter gezielter darauf vorbereiten, wie sie mit Aggressionen auf dem Platz umgehen können. Das ist wichtiger als Regelfragen bis ins kleinste Detail durchzukauen. Ich spreche gerne mit dem Schiedsrichter und höre ihm zu, obwohl ich immer wieder Entscheidungen nicht nachvollziehen kann. Probleme mit Unparteiischen hatte ich aber noch nie.
Kevin, morgen Abend gastiert der SC Dortelweil bei Aufsteiger FV Stierstadt. Wie lautet die Marschroute?
Cholewa: Wir werden von Beginn an offensiv spielen, denn für uns zählt nur ein Sieg. Danach spielen wir ja gegen drei weitere Aufsteiger (FV Hausen, Sportfreunde Frankfurt und FSV Friedrichsdorf, Anm. d. Red.). Die zwölf Punkte müssen wir uns aber trotzdem hart erarbeiten. Unser Auftaktprogramm ist durchaus undankbar. Außerdem haben wir seit zwei, drei Jahren Probleme, in die Saison zu finden. Das liegt vielleicht daran, dass wir ein sehr junges Team sind und zunächst etwas zu viel Respekt vor den Gegnern haben.
Malte, am Samstag steigt das Derby in Beienheim. Warum gewinnt der VfB?
Strothmann: Es gibt mindestens drei gute Gründe: Salih Yasaroglu und Waldemar Patzwald im Sturm und ich in der Abwehr (lacht). Wir wollen mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung die Punkte aus Beienheim entführen.
Mal angenommen der SKV Beienheim schlägt den VfB Friedberg und Ihnen, Marcel, gelingt der Siegtreffer. Machen Sie dann ein Fass auf?
Bilkenroth: Das weiß ich noch nicht, aber zumindest würde ich der Mannschaft dann eine Runde ausgeben (lacht).