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»Im Clowns-Kostüm im Zirkus auftreten«

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(mn) Frank Carnevale fühlt sich zurückversetzt in die Wintermonate von 1997/98. Er kannte weder seine Mannschaft noch die Konkurrenz, als er erstmals in Bad Nauheim einen Vertrag als Trainer unterschrieben hatte - und niemand kannte ihn.

»Ich bin neugierig auf Kassel und war es auf Frankfurt, wollte wissen, warum unsere Zuschauer den Sommer über so unruhig waren. Jetzt weiß ich, was uns erwarten kann. Und jetzt weiß ich auch, was uns fehlt«, sagt der Coach der Roten Teufel nach dem sportlichen Muskelspiel mit der hessischen Konkurrenz, die angesichts ihrer Personalpolitik in die Rolle des Gejagten schlüpfen wird.

»Frankfurt hat alles, was eine gute Mannschaft auszeichnet. Das steht außer Frage. Wir haben ebenso eine starke Mannschaft. Wenn wir aber Meister werden wollen, dann brauchen wir die gleiche Tiefe im Kader«, zieht der Italo-Kanadier sein Resümee aus der RT-Auftaktpartie der Eishockey-Oberliga West, die sein Team am Sonntag im ausverkauften Colonel-Knight-Stadion mit 3:4 verloren hatte, als erst nach einem Kraftakt - mit vier Verteidigern und acht Stürmern wurde am Ende rotiert - eine Verlängerung und ein Punktgewinn erzwungen worden war. »Ich denke, wir haben mit diesem Punkt ein Signal gesendet. Nicht viele Mannschaften werden gegen die Löwen einen Zähler holen«, ist Carnevale sicher.

Zeichen wurden auch abseits des Eises gesetzt. In der zweiten Drittelpause beispielsweise, als im Dialog von Frank Gentges und Frank Carnevale ein Wort das andere gab, und auch am Montag, als der RT-Coach gegenüber der WZ-Redaktion verbal nachlegen wollte. »So wie sich Frank Gentges aufführt, sollte er sich ein Clowns-Kostüm überziehen und im Zirkus auftreten«, lederte Carnevale in seiner ihm typischen Art und Weise los, nachdem die Löwen ihren Derby-Sieg überschwänglich zelebriert und damit natürlich auch das RT-Publikum provoziert hatten. »Die feiern einen Derby-Sieg wie eine Meisterschaft. Offenbar hatten sie ganz schön Angst vor uns.«

Becher und Feuerzeuge waren nach der Schlusssirene auf das Eis geprasselt, Frank Gentges präsentierte dem Unparteiischen-Gespann um den Kasselaner Carsten Lenhart zudem eine Glasflasche, die geworfen worden sei. »Asozial«, tobte der Löwen-Trainer im Kabinengang, wo ebenfalls der eine oder andere Bierbecher in Richtung der Spieler geflogen ist. Auf dem Zusatzbericht, der vor der Partie aufgrund einer Formalie seitens der Löwen angefertigt und von beiden Teamführern unterschrieben worden war, haben die Unparteiischen anschließend den Wurf einer Glasflasche vermerkt.

Zwei der Werfer konnten vom Sicherheitsdienst eindeutig identifiziert werden, beide werden ein Stadionverbot erhalten, wie Andreas Ortwein wissen ließ. »99,9 Prozent der Fans sind friedfertig«, sagt der RT-Geschäftsführer, der gestern Morgen Bilanz gezogen hatte.

Trotz des ausverkauften Stadions: So richtige Derby-Stimmung kam unter den RT-Fans erst nach dem Anschlusstreffer nach 35 Minuten auf. Vielleicht fällt angesichts der zahlreichen Neuzugänge und nur zwei echten Vorbereitungs-Heimspielen in der Vorwoche die Identifikation noch schwer, vielleicht war der Termin gleich zum Auftakt auch einfach nur etwas unglücklich, vielleicht fehlte das Kribbeln wie im Vorjahr beim ersten Wiedersehen nach 25 Jahren, vielleicht verhinderte auch der frühe Rückstand eine mit dem Vorjahr vergleichbare Atmosphäre.

Zwar hatte Bad Nauheim das erste Drittel - auch dank einiger Powerplay-Situationen - überlegen gestaltet, war für zwei Fehler aber mit zwei Gegentreffern bestraft worden und hatte im zweiten Abschnitt den Faden verloren. Thomas Ower, vom Zweitligist Hannover gekommen, musste in dieser Phase den in ihn gesetzten hohen Erwartungen erstmals gerecht werden. Den 26-Jährigen bezeichnete Gentges hinterher als »besten Mann des Abends«, überhaupt sah der Löwen-Trainer die Roten Teufel gegenüber dem Vorjahr »wesentlich besser« besetzt. Thomas Ower zog das Positive aus dem Auftakt: »Ich denke, wir haben gezeigt, dass wir ganz oben mitspielen werden, auch wenn es uns diesmal noch nicht gelungen ist, über die komplette Distanz die Konzentration aufrechtzuerhalten und unser Spiel durchzuziehen.«

Auf die konditionelle Verfassung angesichts der holprigen Saisonvorbereitung führt der Trainer auch das spielentscheidende Gegentor zurück. Das Spiel habe nun mal viel Kraft gekostet. Zuletzt hatte der RT-Bandenchef mit nur vier Verteidigern und acht Stürmern rotiert.

Der »scoring touch«, frei übersetzt: der Killerinstinkt, die Kaltschnäuzigkeit im Abschluss, fehle seiner Mannschaft ein wenig, stellte Carnevale fest, in punkto Torgefahr lebte das RT-Spiel am Sonntag zu sehr von der Reihe mit Chris Stanley, Konstantin Firsanov und Eddy Rinke, was der Besetzung der zweiten Kontingentstelle eine besondere Bedeutung zukommen lässt. »Dieser Spieler muss den Unterschied machen«, sagt der Coach, zeigte sich insgesamt zufrieden mit der Präsentation seiner Mannschaft. »Wir haben das Spiel eng gehalten, sind wieder ins Spiel gekommen und haben nie aufgesteckt.«

»Augenhöhe« attestierte auch Andreas Ortwein der RT-Mannschaft, die nur halb so viel koste wie der Kader der Löwen. »Ein Sieg schmeckt süßer als eine Niederlage, aber diese Niederlage ist kein Beinbruch.« Rhythmusprobleme aufgrund der Vorbereitungen hat er ausgemacht, »aber die Moral hat gestimmt.« Die hessische Konkurrenz habe nach dem Lehrjahr in der Vorsaison aus den transferpolitischen Fehlern gelernt, »dennoch können wir der Konkurrenz die Stirn bieten.« Die nächste Derby-Möglichkeit bietet sich am 2. November. Dann kommen die Kassel Huskies ins Colonel-Knight-Stadion.

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