Eintracht Frankfurts Patrick Ochs über Werte, Druck und das Hessenliga-Team

Patrick Ochs kennt jeder Fan von Eintracht Frankfurt: Der langjährige Rechtsverteidiger des Bundesligisten ist mittlerweile Sportlicher Leiter der Altersklassen U16 bis U21 und bezieht im Interview mit torgranate.de vor dem heutigen Duell von Eintracht Frankfurts U21 beim SV Steinbach (Anpfiff um 15 Uhr) Stellung zu Werten im Verein, der Entwicklung des Hessenliga-Teams und vielem mehr.
Am Mittwoch stand die Eintracht im UEFA Super Cup-Finale. Da hätten Sie sicherlich gerne auf dem Platz gestanden?
Ja, natürlich! Solche Spiele sind die Highlights einer Karriere, die vergisst du als Spieler niemals – und es ging schließlich um einen großen Pokal. Die Eintracht hat anders agiert als noch gegen Bayern München, hat kompakter und besser gestanden. Aber man muss sagen, dass Real Madrid eine Klasse für sich ist – auch wenn unsere Jungs alles gegeben haben.
Wie verfolgt Patrick Ochs so ein Spiel? Ganz entspannt mit Bier und Chips auf dem Sofa?
Zumindest das Sofa stimmt (lacht). Aber tatsächlich bin ich angespannt und fiebere natürlich mit der Eintracht. Allerdings schaue ich mir das Spiel vielleicht etwas anders als andere Fans an: Ich kann fühlen, was in den Köpfen der Spieler vor sich geht, und beobachte gleichzeitig, wie sich die einzelnen Spieler verhalten und wie die Gruppentaktik ist. Für mich war interessant zu sehen, ob Lehren aus dem Bayern-Spiel gezogen wurden.
In Helsinki waren Sie nicht, weil Ihnen schlicht die Zeit dazu fehlte?
Ja, das stimmt. Ich muss schon gut organisiert sein, damit ich nicht den Überblick verliere. Ich erstelle mir immer Zwei-Wochen-Pläne, in denen ich genau notiere, was für mich Pflichttermine sind und wo ich zusätzlich gerne vorbeischauen möchte. Mittlerweile sind wir an drei Standpunkten – im Sportpark Dreieich, im Nachwuchsleistungszentrum am Riederwald und am ProfiCamp im Stadtwald – mit den Teams aktiv. Neben Spielen und Trainingseinheiten stehen zahlreiche Gespräche mit Spielern, Trainern und den weiteren Sportlichen Leitern an. Mein Job ist, Spieler in den Profibereich zu bringen. Ich schaue mir die Entwicklung der einzelnen Spieler unabhängig der Ergebnisse an.
Das hört sich nach mehr als 40 Arbeitsstunden an.
Selbstverständlich nimmt meine Arbeit als Sportlicher Leiter im Nachwuchsleistungszentrum viel Zeit in Anspruch. Es sind nicht nur Termine und Gespräche, sondern zusätzlich Scouting und Weiterbildung. Und gerade mit dem Profibereich wollen wir eng zusammenarbeiten – und leben das bereits.
Sie sprechen es an: Bei den drei Spielen der Eintracht in der Hessenliga war schon jede Menge Prominenz dabei.
Das wird bei Eintracht Frankfurt gelebt. Wir sind ein Verein. Wenn ich sehe, dass Profi-Trainer Oliver Glasner da ist, Sportvorstand Markus Krösche, der Aufsichtsratsvorsitzende Philip Holzer oder der Leiter der Lizenzspielerabteilung Timmo Hardung, um nur einige zu nennen, dann muss ich als Spieler allein deswegen brennen, da muss ich wissen: Das ist meine Chance! Selbst wenn’s mal 3:0 für uns steht, muss ich weiterhin vollen Fokus besitzen. Hessenliga soll für die Spieler ja nicht das Ende der Fahnenstange darstellen.
In Steinbach wird es voll und vielleicht auch wieder eklig.
Aber in dieser Saison verlief der Start mit zwei Niederlagen in drei Spielen holprig.
Nur weil wir mit dem Adler auf der Brust spielen, heißt das nicht, dass wir jedes Spiel 3:0 gewinnen. Wir haben viele junge Spieler, die sich noch an Herrenfußball gewöhnen müssen. Wir haben klar formuliert, dass wir uns in einem Übergangsjahr befinden. Wir haben innerhalb sechs, sieben Monaten eine komplett neue Mannschaft zusammengestellt, ein komplett neues Umfeld geschaffen, einen neuen Trainer geholt.
Sind die Niederlagen in Alzenau und Hanau damit erklärbar?
Bei Hanau hat Kreso Ljubicic, ehemaliger Eintracht-Profi und mit Erfahrungen als Spieler in der ersten Schweizer Liga, als Spielertrainer clever agiert, für Gelbe Karten auf unserer Seite gesorgt und dem Spiel den Rhythmus genommen. Mit seinen 35 Jahren muss er auch einfach gar nicht mehr so viel laufen, weil er viel Erfahrung und Klasse mitbringt. Kreso Ljubicic ist ein richtig gutes Beispiel für die Hessenliga, in der es viele solch erfahrenen Spieler gibt, die wir in unseren Reihen als U21 nur bedingt haben. Unsere Spieler müssen sich erst einmal an den Herrenfußball gewöhnen und können auch von solchen Spielern lernen.
Könnte ähnliches heute in Steinbach blühen? Sie waren mit Dreieich schon einmal dort.
Ich erinnere mich. Da habe ich den Spielbericht mit der Hand ausgefüllt, weil das Internet nicht ging (lacht). Aber ich weiß: Die Bedingungen sind schwierig, weil der Platz klein und das Örtchen fußballverrückt ist. Es gibt viele Eintracht-Fans in Osthessen, was für uns heißt, dass es wieder voll und vielleicht auch eklig wird. Und Steinbach hat sieben Punkte in drei Spielen geholt, Leon Wittke ist zum Beispiel ein starker Außenbahnspieler. Wir sind vorbereitet.

Die Kulissen waren in den bisherigen drei Spielen mit im Schnitt deutlich mehr als 1000 Zuschauern stark. Was bringt das den Spielern?
Wir wünschen uns natürlich, dass noch mehr kommen. Dafür können wir gerade in den Heimspielen aber nur mit Ergebnissen sorgen. Die Spieler müssen sich an die Kulissen gewöhnen. Denn nicht zuletzt die Fans sind dafür verantwortlich, dass sich die Spieler entwickeln. Die Spieler müssen sich an die Atmosphäre, an den Druck gewöhnen. Ich erinnere mich noch an mich. Das erste Mal vor 50.000 Zuschauern, und an der Außenlinie verstolpere ich einen Ball. Das ganze Stadion hat geraunt, weil meine Aktion so schlecht war. Damit muss ein junger Spieler zurechtkommen. Gerade das Mentale, dieser Druck wird oft unterschätzt.
Ist das ein Grund für den Umzug nach Dreieich?
Klar ist, dass wir in Dreieich super Rahmenbedingungen vorfinden, weswegen wir dort auch die Spiele der U19 in der Youth League austragen werden. Da träume ich von einer großartigen Kulisse und vielleicht noch mehr Zuschauern als bei den bisherigen U21-Heimspielen.
Sie selbst spielen im Traditionsteam, waren kürzlich in Wölf dabei und eine der Legenden zum Anfassen. Wie nervig sind die ständigen Wünsche nach Autogrammen und Fotos?
Gar nicht nervig. Im Gegenteil. Ich war in Wölf noch 35 Minuten nach Abpfiff auf dem Platz. Die Zeit nehmen wir uns gerne. Und mich persönlich macht es stolz, wenn mir Fans von einzelnen Spielen erzählen, bei denen ich gespielt habe und dabei die Augen groß werden. Ich bin ja immerhin schon elf Jahre kein Spieler mehr von der Eintracht.
Und dieses Verhalten verlangen Sie auch von den jungen Spielern?
Ganz klar! Wir wollen die Werte vorleben, die Eintracht Frankfurt auszeichnen. Deswegen kommen wir mit den Teams auch für Freundschaftsspiele zu kleineren Vereinen in der Region. Wir wollen freundlich und aufgeschlossen sein, jedem Menschen mit Respekt begegnen. Und wenn wir das nicht vorleben, wie sollen wir das dann von den jungen Spielern verlangen?