Komplett ausgelaugt: Nichts geht mehr bei Eintracht Frankfurt

Eintracht Frankfurt kann die dramatische Talfahrt auch beim Schlusslicht SC Paderborn nicht beenden und geht schweren Zeiten entgegen.
Ganz zum Schluss hat sich Danny da Costa noch mal ein Herz gefasst, 90 plus drei Minuten waren bereits absolviert, 1:2 lag Eintracht Frankfurt hinten, da hatte der rechte Flügelspieler plötzlich freie Sicht aufs Tor. Der Ball kam auch, da Costa zog ab, aber die Kugel strich um Zentimeter unten am Pfosten vorbei. Kurz darauf war Feierabend, die Hessen hatten auch dieses Spiel verloren, dieses Mal beim heimschwächsten Team der Liga, beim SC Paderborn.
Es war im zehnten Pflichtspiel die achte Niederlage der Frankfurter, aus den letzten sieben Bundesligaspielen hatten die Hessen einen mickrigen Punkt ergattert, neben Werder Bremen hat die Eintracht als einziges Team alle drei Partien in der letzten Englischen Woche verloren. Diese Frankfurter Mannschaft ist komplett ausgelaugt, sie ist am Ende, körperlich wie mental, und sie zeigt alle Anzeichen eines Abstiegskandidaten. Bis zum Relegationsplatz sind es lediglich drei Punkte. „Die Tabellensituation ist sehr ernst“, sagte Trainer Adi Hütter.
Fredi Bobic: Trainerdiskussion braucht man bei Eintracht Frankfurt gar nicht erst zu beginnen
Hinterher hat der Frankfurter Sportvorstand Fredi Bobic kein Hehl daraus gemacht, dass er alles andere als zufrieden ist mit dem momentanen Auftritten des Teams. „Wir haben den Kampf nicht angenommen, und wenn du die Bereitschaft nicht zeigst, wirst du niedergekämpft. Die Jungs waren zu schnell mit den Köpfen unten.“ Bobic stellte in einer ersten Einschätzung der Lage zu Recht fest, dass man sich in den letzten vier, fünf Wochen „vieles selbst kaputt gemacht“ habe. „Nennen Sie es Abstiegskampf, aber wir müssen diese Situation annehmen“, sagte der Sportvorstand. Mijat Gacinovic, notorisch unglücklich agierender Mittelfeldspieler, glaubte indes noch nicht an die Mühen der Ebene. Gefragt, ob sich die Eintracht nun in Abstiegsgefahr befinde, sagte der 24-Jährige: „Nein, wir wissen, wie gut wir sind, wir müssen es nur zeigen.“
Anfang November, nach dem glorreichen 5:1-Erfolg über den FC Bayern München, gleichbedeutend mit dem letzten Bundesligasieg, habe man sich eine „hervorragende Ausgangsposition“ erarbeitet, sagte Bobic. „Die haben wir verspielt.“ Zum Teil aus eigener Schuld, „wir haben uns selbst in diese Bredouille gebracht“, in dem man sich zu viele individuelle Fehler erlaubt habe und zu viele falsche Entscheidungen getroffen worden seien. Alle müssten sich hinterfragen, das gelte für die Mannschaft genauso wie für die Trainer, allerdings machte Fredi Bobic unmissverständlich eines klar: „Eine Trainerdiskussion braucht man bei uns gar nicht erst zu beginnen.“
Vor Wochenfrist war Trainer Adi Hütter gefragt worden, ob es angesichts der Talfahrt der Eintracht nicht eine Überlegung wert sein könnte, taktische Veränderungen vorzunehmen und etwa auf eine Viererabwehrkette umzustellen. Der in Krisendingen eher unerfahrene Fußballlehrer hat das seinerzeit verneint, „das würde ich nicht als den richtigen Ansatz ansehen“, entgegnete er auf der Pressekonferenz vor dem Spiel beim FC Schalke. Seitdem sind zwei weitere Frankfurter Niederlagen ins Land gegangen, die Lage hat sich weiterhin verschlechtert, und siehe da, zur Partie beim aufmüpfigen Aufsteiger SC Paderborn begann die Eintracht mit einer - Viererkette. „Trainiert haben wir das nicht.“
Spielerisch ging bei Eintracht Frankfurt mehr als eine Stunde gar nichts
Timothy Chandler, Makoto Hasebe, Simon Falette, der in der Hinserie zuvor noch keine einzige Sekunde in einem Pflichtspiel auf dem Platz stand, und Evan Ndicka sollten das Frankfurter Allerheiligste verbarrikadieren, aber, man kann es vorwegnehmen: Gut hat das nicht geklappt: Nach 45 Minuten lagen die Frankfurter bereits mit 0:2 hinten, den Paderbornern reichten im Grunde zwei Schüsse aufs Tor der verunsicherten Gäste, um mit einer beruhigenden Führung in die Pause zu gehen.
Die Absicht von Adi Hütter war klar: Möglichst lange dem Sturmlauf der Paderborner trotzen, möglichst lange stabil stehen und bei Gelegenheit, selbst den einen oder anderen Nadelstich setzen. Allerdings beorderte der Österreicher ziemlich viele defensive Kräfte auf den Rasen, im Mittelfeld tummelten sich noch Gelson Fernandes und Dominik Kohr, kein Personal, das für besonders viel Kreativität steht - den offensiven Part übernahmen der fleißige, aber wie häufig ineffektiv spielende Mijat Gacinovic, und vorne hing Bas Dost mutterseelenallein in der Luft.
In der ersten Halbzeit schossen die Hessen kein einziges Mal aufs Tor, lediglich einmal wurde es halbwegs gefährlich, als Gacinovic nach einem kleinen Solo am Tor vorbei schoss (24.). Spielerisch ging bei Eintracht Frankfurt mehr als eine Stunde gar nichts. Allerdings standen den Hessen beben den gesperrten David Abraham und Marin Hinteregger auch Sebastian Rode und Goncalo Paciencia verletzungshalber nicht zur Verfügung.
Eintracht Frankfurt: 661 Minuten kein Treffer aus dem Spiel heraus
Eine Reaktion von seinem Team hatte Hütter gefordert, die ließ lange auf sich warten, zu lange. Gleich der erste Schuss aufs Tor war drin, Abdelhamid Sabiri, der in seiner Jugend auf dem Aschenplatz beim der TSG Frankfurter Berg gekickt hatte, hatte geschossen und der raffiniert getretene Ball senkte sich über Felix Wiedwald, der in die Hocke ging statt den Ball wegzufausten, ins Tor. Auch bei 2:0 sah der Ersatznann vom Ersatzmann nicht gut aus, die Freistoßflanke von Kai Pröger köpfte Verteidiger Sebastian Schonlau, unbehelligt von der Frankfurter Verteidigung, aus ein, zwei Metern ins Tor.
Die Frankfurter, die am Sonntagabend ihr 31. Pflichtspiel bestritten, kamen viel zu spät auf Touren. Bas Dost war es, der in der 72. Minute eine Vorlage von Evan Ndicka ins Tor drückte. Es war nach 661 Minuten erstmals wieder ein Frankfurter Treffer aus dem Spiel heraus, ansonsten mussten Standards helfen. 1:2 - ein kleiner Hoffnungsschimmer glimmte auf, doch wirklich gefährlich wurde es nicht mehr vor dem Paderborner Tor, Ein paar Kopfbällchen von Dost, eine weitere gute Gelegenheit von Danny da Costa (87.) gab es, aber die klareren Möglichkeiten hatten die Gastgeber, die den Sieg, erst ihr dritter in der gesamten Saison, locker über die Zeit retten konnten.
Von Thomas Kilchenstein und Ingo Durstewitz
Eintracht Frankfurt buhlt um den 21 Jahre alten Stürmer Ragnar Ache. Der gebürtige Frankfurter steht derzeit bei Sparta Rotterdam unter Vertrag. Ob es zu einem Wechsel kommt, ist allerdings noch unklar, Sparta hat bereits zwei Angebote der Hessen abgelehnt.