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Eintracht Frankfurt und die Lust aufs Ungestüme

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Von: Ingo Durstewitz, Thomas Kilchenstein

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Am Ende entschlossener als der BVB: Eintracht-Profi Kamada freut sich über den Ausgleich.
Am Ende entschlossener als der BVB: Eintracht-Profi Kamada freut sich über den Ausgleich. © Hasan Bratic/dpa

Eintracht Frankfurt sollte sich selbst treu bleiben und weiterhin einen Spielstil mit offenem Visier propagieren.

Der Regen am Montagmorgen hat Mijat Gacinovic und Jonathan de Guzman natürlich nicht davon abhalten können, wieder das zu machen, was sie am liebsten tun, zuletzt aber verletzungshalber nicht durften: Fußball spielen. Gestern hatten sich die beiden wieder gesund gemeldet und unter jene Profis gemischt, die deutlich härter trainieren mussten als jene aus der Anfangself von Eintracht Frankfurt, die Borussia Dortmund am Sonntagabend in einem bärenstarken Finish noch den Sieg aus der Hand gerissen hatten; die Stammformation radelte sich derweil die Müdigkeit aus den Knochen. Trainer Adi Hütter hat somit, bis auf den unter einer Prellung am schwer lädierten Knie leidenden Sebastian Rode, nahezu alle Profis zur Verfügung. Das ist schon mal nicht verkehrt, denn Eintracht Frankfurt kann derzeit jede Trainingseinheit mit voller Kapelle gut gebrauchen.

Nicht, dass die Mannschaft womöglich körperliche Defizite hätte - außer Bas Dost vielleicht -, das hat sie gegen das Spitzenteam von Dortmund eindrucksvoll gezeigt. Gerade in der Schlussviertelstunde hatten die Hessen ordentlich Druck gemacht und das spät 2:2 erzielt, dabei steckte ihnen noch die schwere Europapokalpartie vom Donnerstag gegen Arsenal (0:3) in den Knochen. Aber das Team von Trainer Hütter muss sich weiterhin noch finden und Automatismen einstudieren, muss die Integration der neuen, erst mit Ende des Transferfensters relativ spät gekommenen Leute vorantreiben.

Eintracht Frankfurt mit hoher Fluktuation

Und der Klub muss mal wieder einen Umbruch bewältigen, den vierten im vierten Jahr. In dieser Zeit sind mehr als 100 Spieler gekommen und gegangen, von Aigner bis Zalarzar, die Fluktuation war hoch. In diesem Jahr taten die Abgänge zudem weh, die komplette Sturmreihe, die zuletzt für 57 Pflichtspieltore verantwortlich zeichnete, ist abgewandert - eine derartige Lücke zu kompensieren ist nicht einfach.

Zumal Eintracht Frankfurt das Spiel, das in der vergangenen Runde vornehmlich auf langen Bällen fußte, nach und nach verändern will, hin zu mehr Ballbesitz, zu mehr spielerischen Elementen, zu mehr Aktionen durch ein verstärktes Mittelfeld. Dieser Prozess ist nicht abgeschlossen, da ist Luft nach oben. „Ich bin noch nicht ganz glücklich, wie wir spielen, speziell nach vorne“, fand Hütter.

Dazu kommt, dass es weiterhin erstaunlich viele Phasen gibt, in dem die Mannschaft gar nicht auf dem Platz scheint, wie am Sonntag in den ersten 35 Minuten, oder zuvor schon in Mannheim (DFB-Pokal) gegen Straßburg (Europa League) oder in Augsburg (Bundesliga). Immerhin stimmt Mentalität, Willen und Leidenschaft, Tugenden, die diese Mannschaft weiterhin auszeichnen und mit denen sie spielerische Unzulänglichkeiten oft noch kompensieren. Dennoch: Die Eintracht ist nach fünf Spieltagen in der Liga im Soll: Sieben Punkte bei 7:7 Toren, Rang neun, das ist in Ordnung, im vergangenen Jahr standen nach fünf Ligaspielen nur vier Zähler auf der Habenseite bei 6:9 Tore, Tabellenplatz 15.

Reine Defensive steckt nicht mehr in der DNA des Teams

Hütter ist also während des laufenden Spielbetriebs weiter dabei, sein Team in eine andere Richtung zu manövrieren. Das ist insofern wichtig, weil man sich ja nicht mehr auf die individuelle Klasse eines Luka Jovic, Ante Rebic oder Sebastien Haller verlassen kann, die im Zweifelsfall halt schon aus einer halben Chance eine Führung gemacht haben.

Die Partie in der Audio-Analyse des Rasenfunks

Bei allen vorsichtigen Korrekturmaßnahmen sollte aber ein zentrales Element des Spielstils von Eintracht Frankfurt nicht außen vor gelassen werden: diese urige Frankfurter Wildheit, dieses Heißblütige, dieses Draufgängerische. Eintracht Frankfurt ist, unter Hütter, ein Team geworden, das die Initiative übernehmen und den Gegner beschäftigen, eine Mannschaft, die den Kontrahenten piesacken und ärgern muss. „Die Teams wissen, dass es unangenehm ist, nach Frankfurt zu kommen“, sagte Danny da Costa erst unlängst. Diesen Nimbus sollte man sich bewahren. Es ist überdies die Philosophie der Eintracht, ihre DNA, klar nach vorne ausgerichtet, mit offenem Visier, oft enthemmt und ungezügelt. Eintracht Frankfurt hat sich das Ungestüme auf die Fahnen geschrieben, den Vorwärtsgang, das fast schon Anarchische.

Eintracht Frankfurt muss Risiko gehen

Und ist damit meist gut gefahren, auch weil sie sich schwer tut mit Abwarten oder Reagieren. Oft ging es schief, wenn Hütter seinem Team eine zu defensive Marschrichtung mit auf den Weg gegeben hatte, etwa beim desaströsen 1:6 in der vergangenen Saison bei Bayer Leverkusen. Auch am Sonntag gegen Borussia Dortmund verfing sein taktisches Konzept mit einer eher defensiven Ausrichtung erst einmal nicht. Hütter, das spricht für ihn, hat das unumwunden eingeräumt. „Der taktische Plan ist nicht aufgegangen“, zumindest nicht in den ersten 35 Minuten nicht. Erst danach und in weiten Teilen der zweiten Halbzeit, als die Eintracht ihr Herz in beide Hände nahm und ihren unbändigen Willen in die Waagschale warf, dieses Spiel nicht abzugeben, entwickelte sie wieder ihre alte Stärke.

Das heißt jetzt nicht, in jedem Spiel mit Verve in jedes offenen Messer zu rennen, das sicher nicht. Aber das Ensemble kann sich nicht auf eine zurückhaltende Spielweise zurückziehen, das funktioniert nicht. Die Hessen müssen ein gewisses Risiko eingehen, hoch stehen, attackieren. Das funktioniert natürlich nur, wenn die Spieler auch in der Rückwärtsbewegung bereit sein, die wichtigen Meter zu machen und an ihre Grenzen zu gehen. Ansonsten steht die Mannschaft zu offen und bietet zu viele Räume an.

Deshalb kommt in diesem nach vorne ausgerichteten System den Außenbahnspielern Filip Kostic und Danny da Costa (oder auch Erik Durm oder Timothy Chandler), die mit ihren Soli über die Flügel die gegnerischen Abwehr aufreißen, eine ganz besondere Bedeutung zu. Sie können eine Dosenöffnerfunktion ausüben. Es war kein Zufall, dass der späte Ausgleichstreffer gegen den BVB durch eine Flanke vom Flügel von Timothy Chandler vorbereitet wurde.

Am Sonntag, 27.10.2019, trifft Eintracht Frankfurt in der Bundesliga auf Borussia Mönchengladbach. Verfolgen Sie das Spiel in unserem Live-Ticker. 

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