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Eintracht Frankfurt und die Frage der Mentalität

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Von: Ingo Durstewitz, Daniel Schmitt

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FC Augsburg - Eintracht Frankfurt
FC Augsburg - Eintracht Frankfurt © Matthias Balk/dpa

Eintracht Frankfurt geht schon zum dritten Mal mit einer eher laxen Einstellung in ein Spiel und verliert auch deshalb mit 1:2 in Augsburg.

Es ist nicht unüblich, dass der Gewinner eines sportlichen Wettkampfs im Nachgang ein paar Komplimente für den Unterlegenen parat hat. Wirkt oft ein bisschen gönnerhaft, ist aber meistens nett gemeint. So auch bei Martin Schmidt, dem Trainer des FC Augsburg, der am geschlagenen und darob zerknirschten Kollegen Adi Hütter Aufbauarbeit verrichtete. „Am Donnerstag werden wir wieder vor dem Fernseher sitzen, ich habe mir auch letzte Saison jedes Spiel von Euch angeschaut, es macht unheimlich viel Spaß, Euch zuzusehen. Viel Erfolg in Europa.“ Europa, das Glanzlicht Arsenal, ist morgen, der Alltag war gestern, Bundesliga, Augsburg – und die, sieht man mal vom 3:1-Erfolg in der letzten Spielzeit ab, fast schon obligatorische Niederlage bei den bayerischen Schwaben. Auch bei Adi Hütter wollte sich noch keine Vorfreude auf das Highlight am Donnerstag einstellen. „Die Eintracht in der Europa League ist ja immer eine eigene Geschichte, das wird ein anderes Spiel“, sagte er, doch diese 1:2-Schlappe nagte noch am Österreicher.

Am Ende eines ernüchternden Nachmittags in der Fuggerstadt stand eine Niederlage, die gleichermaßen unnötig wie verdient war und die Coach Hütter auch deshalb so sehr wurmte, weil es seine Mannschaft dadurch erst einmal verpasst hat, sich in der erweiterten Spitzengruppe festzubeißen. Die Bilanz in der Liga ist mittelmäßig: vier Spiele, zwei Siege zu Hause (1:0, 2:1), zwei Niederlagen auswärts (1:2, 1:2), sechs Punkte, fünf zu fünf Tore. Mehr Ausgeglichenheit geht kaum. „Unsere Ansprüche und Erwartungshaltung ist eine andere“, sagte Hütter zur Pleite beim FCA. Worte, die man in Frankfurt mittlerweile auch auf die Gesamtsituation münzen könnte.

Eintracht Frankfurt schlägt sich selbst

In Augsburg hat sich die Eintracht quasi selbst geschlagen, sie hat in weiten Teilen die erste Halbzeit verschlafen und vor allen Dingen viel zu sorglos verteidigt. Bereits nach 38 Sekunden musste Torwart Kevin Trapp sein ganzes Können aufbieten, um Florian Niederlechner von einem frühen Torerfolg abzuhalten. Es sollte nur ein Vorgeschmack sein und kein Einzelfall bleiben. „Die sind ja fast mit jedem Konter alleine auf unser Tor zugelaufen“, resümierte Rückkehrer Timothy Chandler, der nach fast eineinhalb Jahren (21. April 2018, 0:3 gegen Hertha) mal wieder in der Startelf stand und den kränkelnden Filip Kostic auf der linken Außenbahn zu ersetzen versuchte. Es blieb, so viel vorneweg, beim Versuch.

Die Frankfurter verteidigten vogelwild, weshalb die Analyse, wonach „Augsburg einen super Matchplan“ (Hütter) hatte, zwar vordergründig stimmt, aber doch zu kurz greift. Denn die Ausrichtung des FCA sah im Grunde nur vor, „die Bälle hoch hinter unsere Kette zu spielen“, wie Dominik Kohr an alter Wirkungsstätte befand. Ein einfaches, aber probates Mittel, gegen das die Gäste kein Gegenmittel fanden. „Wir standen zu hoch, haben naiv gespielt“, urteilte Hütter. In vorderster Linie und vor allem im Mittelfeld verpassten es die Hessen, Druck auf den Gegner auszuüben und ihm die Räume zu nehmen. Mit den Gegentreffern durch Marco Richter (36.) und Niederlechner (43.) waren sie noch gut bedient, auch wenn sie selbst durch Goncalo Paciencia (14.), Danny da Costa (23.) und Daichi Kamada (27.) ihre Chancen hatten und optisch überlegen waren.

Die letzte Spannung fehlte

Und doch: Die Ausrichtung mit den eher in den Halbpositionen beheimateten Djibril Sow und Sebastian Rode sowie Daichi Kamada davor ging nicht auf. In Zukunft wird Hütter wohl eher auf einen reinen Sechser und zwei Achter oder zwei Sechser und einen Zehner setzen, um es den Kontrahenten nicht so leicht zu machen. „Das war geil, überragend“, jubilierte der Augsburger Torschütze Niederlechner. „Das war eine richtige Vollgasveranstaltung, in der zweiten Halbzeit ist uns aber der Sprit ausgegangen.“ Kann man so sehen.

Die Begegnung in der Analyse des Rasenfunks

Frappierend war, dass die Eintracht im ersten Durchgang etwas lax und nicht so griffig wirkte, die letzte Spannung und Aggressivität hat gefehlt – doch genau über die Urtugenden hatte sich das Kollektiv in den vergangenen Jahren ja stets definiert, sie waren das Erfolgsrezept. „Wir haben im ersten Abschnitt unsere Mentalität nicht gezeigt und zu wenig Laufbereitschaft an den Tag gelegt“, sagte Chandler selbstkritisch. „So reicht es aber nicht.“

Für Hütter ist diese Schlafmützigkeit schwer erklärbar. „Das passiert uns grundsätzlich aber sehr selten.“ Stimmt so nicht ganz. Auffällig ist eher, dass die Frankfurter nun schon zum dritten Mal in dieser Saison in der ersten Halbzeit eine etwas diffuse Einstellung zeigten. Im Pokalspiel in Mannheim, im Europa-League-Playoff in Straßburg und nun in Augsburg brauchte es eine Kurskorrektur in der Pause, um das Team wieder auf Kurs zu bringen. Nur in Mannheim reichte es noch, um die Partie zu gewinnen. In Frankreich und nun in Augsburg ging die Eintracht trotz Leistungssteigerung leer aus.

Eintracht Frankfurt hat zu wenig spielerische Finesse gezeigt

Am Samstag wurde auch deutlich, dass sich die Statik des Frankfurter Spiels erwartungsgemäß verändert hat. Durch die Abgänge der drei bulligen Stürmer ist es nicht mehr so brachial und dynamisch, erschwerend kam jetzt hinzu, dass Energiebündel Kostic krankheitsbedingt passen musste und für das Arsenal-Spiel geschont wurde. Ersatzmann Chandler ist eigentlich rechter Verteidiger, als verkappter Linksaußen konnte er nicht mal im Ansatz überzeugen. „Mit Filips Flanken und Dynamik haben wir eine andere Wucht“, sagte Hütter, der Chandler aber in Schutz nahm. „Er hat das ordentlich gemacht, dass nach so langer Pause nicht alles super funktionieren kann, ist doch klar.“

Insgesamt hat die Eintracht zu wenig spielerische Finesse und zu wenig Durchschlagskraft gezeigt, um die im zweiten Durchgang extrem tief verteidigenden Augsburger entscheidend in Bedrängnis zu bringen. 63 Prozent Ballbesitz, 57 Prozent gewonnene Zweikämpfe, elf Ecken, 32 Flanken und 23 Torschüsse reichten am Ende nicht mal für einen Punkt, wenn zu wenig Zwingendes in der gefährlichen Zone heraufbeschworen wird.

Das Gute: Das nächste Glanzstück steht unmittelbar bevor, schon am Donnerstag kommt der FC Arsenal (18.55 Uhr) nach Frankfurt. „Dann“, kündigt Dominik Kohr an, „werden wir uns in einer Wahnsinnsatmosphäre als Heimmacht präsentieren.“ Ob es dazu inzwischen Gegner wie Arsenal London bedarf?

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