Eintracht Frankfurt: Förmchen und Mentalität

Neuzugang Stefan Ilsanker hilft mit, ein höchst schmeichelhaftes 1:1 bei Fortuna Düsseldorf zu holen.
Seine spektakulärste Szene bei seinem überraschenden Debüt im Trikot von Eintracht Frankfurt hatte Stefan Ilsanker*, da war etwas mehr als eine Stunde gespielt. Es war eine etwas komische Aktion, der Österreicher, frisch von RB Leipzig am letzten Tag der Wechselperiode gekommen, packte nach dem Pfiff den Ball im Mittelfeld mit beiden Händen und wollte ihn partout nicht mehr hergeben, auch nach Bedrängnis von Spielern der Fortuna nicht. Da war er eigen, er drehte sich weg, fast wie auf dem Spielplatz, wenn Kinder ihr Förmchen nicht rausrücken wollen. Dann zückte Schiedsrichter Frank Willenborg natürlich die Gelbe Karte. "Ich dachte, es gibt Schiedsrichter-Ball", sagte der 30-Jährige hinterher, er habe dem Gegner nicht so einfach die Kugel überlassen wollen.
Fußballerisch freilich waren seine ersten 45 Minuten im neuen Frankfurter Dress durchaus ausbaufähig. Viel für den Spielaubau hatte Stefan "Ilse" Ilsanker nicht tun können, dazu war das Spiel der Hessen zu fehlerbehaftet, zu pomadig, einfach zu schlecht. Er fegte ein, zwei mal rustikal dazwischen, setzte den Körper ein, zeigte Präsenz, mehr war nicht, mehr war vielleicht auch nicht zu erwarten. Für Trainer Adi Hütter hatte der österreichische Nationalspieler dennoch seine Aufgaben erfüllt, er sei "ein Mentalitätsspieler, einer der pusht". Nach dem 0:1 durch einen abgefälschten Freistoß von Kaan Ayhan (78.) sei er es gewesen, der die Mannschaft sofort nach vorne getrieben hätte, der aufmunternd zum Mittelkreis gelaufen sei. "Er spricht viel während des Spiels", hob Hütter die Qualitäten seines Landmannes hervor.
Eintracht Frankfurt verpflichtete Stefan Ilsanker - der spielte 24 Stunden später
Es war für Außenstehende schon überraschend, dass der defensive Mittelfeldspieler, am Freitag für etwas mehr als eine halbe Million Euro gekommen, kaum 24 Stunden später zu seinem ersten Einsatz für die Frankfurter kam - ohne auch nur einmal mit der Mannschaft trainiert zu haben, nicht mal beim Abschlusstraining. Und der Frankfurter Fußballlehrer konnte sich ad hoc nicht daran erinnern, schon mal einen Profi aufgestellt zu haben, der vorher noch nie mit seiner Mannschaft trainiert hatte. "Ich kenne ihn in- und auswendig", sagte Hütter, der kein Risiko darin sah, Ilsanker nach der Pause zu bringen. Immerhin hatte Hütter einst sogar schon mit der ganz jungen "Ilse" gemeinsam in einer Mannschaft gespielt, damals bei RB Salzburg, vor 14, 15 Jahren. "Er ist toppfit", außerdem habe er ja bei RB Leipzig in regelmäßígem Training gestanden. Nur spielen durfte der 30-Jährige kaum, zuletzt kam er unter Trainer Julian Nagelsmann lediglich in sechs Partien zum Einsatz.
"Die Idee dahinter", erläuterte Sportdirektor Bruno Hübner ergänzend, sei gewesen, die Mannschaft, die nicht nur in der ersten Hälfte arg "schläfrig" aufgetreten sei, "aufzuwecken". So wirklich war das dem Neuzugang im zweiten Abschnmitt dann auch nicht gelungen. Ilsanker selbst war nicht über Gebühr überrascht über seinen Blitzeinsatz: "Wenn mich der Trainer schon für den Kader nominiert, dann hat er sich dabei auch was gedacht". Er selbst habe sich in den wenigen Stunden, die er in Frankfurt ist, noch schnell "über Handy angeschaut", wie die Eintracht spielen will. "Ich habe versucht, mich so gut es geht, auf das Spiel vozubereiten".
Eintracht Frankfurt: Schmeichelhaftes 1:1 gegen Fortuna Düsseldorf
So schwach und uninspiriert wie am Samstagnachmittag beim schmeichelhaften 1:1 in Düsseldorf (der Live-Ticker zum Nachlesen) hat Eintracht Frankfurt in dieser Runde nur ganz, ganz selten gespielt. Verdient sei das Remis nicht, sagte Ilsanker dann auch selbstkritisch, "das war kein gutes Spiel von uns." Da immerhin herrscht bei der Frankfurter Entourage Einigkeit: "Heute war vieles nicht gut", sagte Hütter ehrlich, "das war ein absolut glücklicher Punkt".
Das Beste am Spiel, assistierte Bruno Hübner war das Ergebnis, "da gibt es nichts schön zu reden. Wir haben heute alle Tugenden vermissen lassen, die wir noch in den letzten beiden Partien an den Tag gelegt hatten". Mangelnde Kompaktheit, spielerische Armut, viel zu viele leichte Ballverluste, keinerlei Kombinationsspiel, und nach vorne "hatten wir gar keine Durchschlagskraft", senkte Sebastian Rode den Daumen. Was vor allem überraschte: Die Eintracht ließ trotz eines gelungenen Rückrundeauftakts mit sechs Punkten aus zwei Spielen jegliches Selbstvertrauen vermissen, nichts war zu sehen von einer breiten Brust, Bruno Hübner attestierte der Manschaft zudem, "ängstlich" agiert zu haben. Warum nur?
Stefan Ilsanker lobt die Eintracht-Frankfurt-Fans
Für Stefan Ilsanker, der ausdrücklich die "beeindruckende Auswärtskulisse" und damit die Frankfurter Fans lobte, verlierf das Debüt dann immerhin noch halbwegs versöhnlich. Man habe "Willen und Herz" gezeigt und dank Timothy Chandler in der dritten Minute der Nachspielzeit per Kopf noch den mehr als glücklichen 1:1-Ausgleich erzielt. Und sieben Punkte aus den ersten drei Spielen, zwei davon in der Fremde, sind bei aller Kritik am wirklich schlechten Auftritt der Frankfurter nicht so schlecht, selbst wenn Torwart Kevin Trapp zwischenzeitlich nicht recht wusste, wer von den beiden Teams eigentlich Tabellenletzter sei und wer nicht.
Die Partie in Düsseldorf war der Auftakt zu einem Spielemarathon in den nächsten vier Woche, einschließlich des Spiels bei der Fortuna haben die Frankfurter bis zum 1. März acht Partien zu absolvieren. Auf die nächste am Dienstag freut sich Stefan Ilsanker besonders, da geht es im DFB-Pokal im Stadtwald gegen seinen alten Klub RB Leipzig. "Ich freue mich, die alten Freunde wieder zu sehen", sagte er am Samstag.
Von Thomas Kilchenstein und Ingo Durstewitz
Das Klassenbuch: So haben sich die Eintracht-Spieler in Düsseldorf geschlagen
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