Fan, Spieler, Schiedsrichter, Trainer: Wie Geisterspiele die DEL 2 verändern

Entgegen der Hoffnung spielen die Teams in der Deutschen Eishockey-Liga 2 auch im neuen Jahr (zunächst) vor leeren Rängen. Die Geisterspiele verändern das Geschehen auf dem Eis.
Hat der Gastgeber eigentlich noch immer einen Heimvorteil? Wurden dem Sport mit dem Ausschluss von leidenschaftlichen Zuschauern im Stadion auch die Emotionen auf dem Eis genommen? Wie reagieren Fans auf TV-Übertragungen als Ersatz für das Live-Erlebnis? Und welche Bedeutung hat - gerade an einem Standort wie Bad Nauheim - die Nähe und Identifikation mit den Spielern genommen? In der »Corona-Pause« der Roten Teufel in der Deutschen Eishockey-Liga 2 haben wir mit Trainer, Spieler, Schiedsrichter und einem Fan gesprochen - und auch einen Blick in die Statistik geworfen.
DEL2: Sportliche Qualität gestiegen - nur niemand sieht es im Stadion
Manfred Meyer (seit vielen Jahren Dauerkartenbesitzer beim EC Bad Nauheim) : »Eishockey ist für mich ein Live-Event im Stadion. Mir fehlt das gemeinsame Erleben, oder auch die anschließende Aufbereitung im vierten Drittel beim Bier in einer Kneipe. Wenn man ausschließlich vorm TV sitzt, springt der Funke einfach nicht über, da entsteht keine Euphorie. Und natürlich verliert man auf Dauer die Lust. Gerade hier in Bad Nauheim lebt der Sport auch zu der Nähe von den Spielern. Diese Identifikation macht den Standort aus. Man kennt sich, trifft sich beim Einkaufen, hält ein Smalltalk im Park. All das macht’s so sympathisch, aber all das fehlt zur Zeit. Ich bin aber auch überzeugt, dass es wieder so wird, wie es einmal war. Die Menschen werden wieder ins Stadion gehen, genauso, wie die Gastronomie wieder anlaufen wird. Ein Trikot aus der aktuellen Kollektion werde ich kaufen. Diese Spielzeit wird als Besondere in Erinnerung bleiben.
Der Funke, der vom Publikum überspringt, der fehlt einfach.
Harry Lange (Assistenz-Trainer): Mir fehlen die Fans brutal. Egal, ob für die Stimmung im Stadion oder im Anschluss und unter der Woche in der Interaktion und beim Fachsimpeln. Geisterspiele will niemand. Kein Fan, kein Spieler und auch wir als Trainer nicht. Der Funke, der vom Publikum überspringt, der fehlt einfach. Eine umso größere Rolle spielt die Motivation. Deshalb ist’s für uns Trainer an der Bande umso wichtiger, diese entsprechend zu vermitteln. Die sportliche Qualität ist höher als in den vergangenen Jahren, und kein Zuschauer kann im Stadion zuschauen. Das ist traurig. Auch unsere Derbys sind als Geisterspiele nicht mir einer normalen Saison zu vergleichen. Da fehlen Feuer und Emotionen, die Fans zusätzlich vermitteln können. Das ist nichts im Vergleich zu dem, was wir eigentlich aus solchen Spielen kennen.«
Benjamin Hoppe (DEL-Schiedsrichter): »Auf dem Eis ist’s nicht mehr ganz so hitzig, wie es einmal war. Das Drumherum pusht nicht zusätzlich auf. Klar, den üblichen Trash-Talk gibt es nach wie vor, doch werden die Emotionen eben nicht noch zusätzlich von außen auf das Eis projiziert. Im Bereich vor den beiden Toren wird weniger geschubst und gerangelt. Ich denke, die Spieler sind auch vorsichtiger, weil Schlägereien ohne Handschuhe seit dieser Saison härter sanktioniert werden. An der Kommunikation mit uns Unparteiischen hat sich nichts verändert. Die Zahl der Dialoge mit uns hat sich meiner Meinung nach eher erhöht, allerdings sind diese kürzer, weil man sich ohne die Geräuschkulisse von außen eben auch besser versteht. Als Schiedsrichter fällt mir zudem auf, dass man auch die Kommunikation der Mannschaften an der Bande anders wahrnimmt. Man hört teilweise, was die Spieler untereinander sagen, man hört den Trainer in seiner Ansprache. Das ist bei Spielen mit Zuschauern nicht möglich.«
DEL2: Strafen insgesamt rückläufig - Tore dagegen nicht
Marc El-Sayed (Kapitän): »Es ist irgendwie traurig, wenn man zum Spiel in ein leeres Stadion kommt; egal, ob zu Hause oder auswärts. Auf dem Eis selbst, wenn du im Spiel bist, dann bekommt man das nicht mit. Da ist man konzentriert. Die auffallende Zahl an hohen Resultate dürften nicht mit den Geisterspielen zusammenhängen. Da sollte jeder Profi genug sein, ein Spiel nicht einfach laufen zu lassen, wenn man in Rückstand geraten ist. Aber natürlich fehlen die Emotionen rund um eine Partie. In den ersten Spielen war’s extrem komisch. Jetzt muss man sagen, dass man sich auch daran gewöhnt hat. Leider!«
Das sagt die Statistik: Die Zahl der Strafminuten ist zurückgegangen. In der Vorsaison wurden durchschnittlich 12,34 Strafminuten ausgesprochen. Aktuell sind’s im Schnitt 9,91 Minuten. Auffällig: Die Zahl der Spieldauer-Disziplinarstrafen liegt durchschnittlich höher; aktuell, nach weniger als der Hälfte aller Spiele bei 13 (gesamte Vorjahres-Hauptrunde: 28). Nahezu unverändert ist die Zahl der Tore. Aktuell werden 3,4 Treffer pro Spiel erzielt (Vorjahr: 3,3). Trotz fehlender Unterstützung vom Heimpublikum holen die Gastgeber derzeit mehr Zähler. Aktuell gewinnen die Gastgeber durchschnittlich 1,94 Zähler pro Heimspiel (Vorjahr: 1,85).