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Prozess gegen Sektenführerin: Hörigkeit der Anhänger erschüttert

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Von: Gregor Haschnik

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Mordprozess gegen mutmaßliche Eine mutmaßliche Sektenführerin steht in Hanau vor Gericht. Sie soll einen Jungen (4) getötet haben. Im Prozess zeigt sich die Hörigkeit ihrer Anhänger. Darunter auch die Eltern des Jungen.-Chefin
Mordprozess gegen mutmaßliche Sekten-Chefin in Hanau. © Foto: Jörn Perske/dpa

Die mutmaßliche Führerin einer Sekte steht in Hanau vor Gericht. Sie soll einen Jungen (4) getötet haben. Die Hörigkeit der Anhänger erschüttert.

Hanau - Ein kleiner, hübscher Junge mit gelocktem Haar, der ein Stück Brot in der Hand hält und traurig nach unten schaut. Er trägt ein Oberteil, das nicht richtig angezogen, verdreht ist, und sitzt auf der Terrasse in einem Plastikstuhl. Richter Peter Graßmück fragt Helmut H. am Donnerstag im Landgericht, wie er den Jungen auf dem Bild wahrnimmt. So „wie er leider oft gewesen ist“, sagt H. Er habe den Eindruck gemacht, „als sei er bedauernswert“. Es könne eine gewisse Boshaftigkeit gewesen sein, wegen des Fotografierens.

Jan ist H.s Sohn, er starb im August 1988. Deshalb steht Sektenführerin Sylvia D., der H., seine Frau und etwa 15 weitere Anhänger huldigen, vor Gericht. Die 72-Jährige gibt vor, mit Gott kommunizieren zu können. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, sie habe den Vierjährigen in einem Sack ersticken lassen, weil sie ihn für vom Bösen besessen hielt. Jan wurde wohl jahrelang gequält. Die Verteidigung weist den Mordvorwurf zurück, gibt an, es habe weder eine Tötungshandlung gegeben noch sei die Todesursache klar.

Hanau: Prozess gegen Sektenführerin - Hörigkeit der Anhänger

Die Reaktion H.s auf das Foto ist nicht die einzige, die erschüttert. Oberstaatsanwalt Dominik Mies konfrontiert den Ingenieur mit den vermeintlich göttlichen Schreiben, die kurz nach Jans Tod verfasst wurden. Da heißt es etwa, der Junge sei ein gemeiner Machtsadist gewesen. An seinem Todestag habe Gott „eine Runde Jans abholen“ müssen, um Schlimmerem vorzubeugen. Das Kind müsse für seine Schuld, auch aus früheren Leben, büßen.

Ob er die Auffassungen teile, fragt Mies. „Ja“, entgegnet H. mehrfach. Ihm bleibe nichts anderes übrig, weil Gott, der die „totale Macht“ in einem Menschen habe, „es so sieht“. Es sei traurig, dass er so über Jan habe „urteilen, äh, schreiben“ müssen. Die Ausdrücke seien aber „keine Festlegungen“. Später „war es ein Trost“ zu erfahren, dass Jan Einsicht gezeigt habe.

Prozess in Hanau: Vater sagt erschreckendes aus - „Botschaften von Gott“

Zur Stellung von Sylvia D. erklärt H., sie bekomme Botschaften von Gott und treffe die richtigen Entscheidungen. Ob sie jemals einen Fehler gemacht habe? „Mir fällt nichts Konkretes ein.“ Auffällig ist: Jans Mutter trat nach dessen Tod eine Stelle an, und in einem Gottesbrief stand, die Eltern könnten sich jetzt voll auf Beruf und Gott konzentrieren. 

Es sei doch positiv, dass Gott „neue Aufgaben für uns hatte“, so H. Niemand habe den Tod geahnt. Dass seine Frau in „Energiezeiten“ sexuellen Kontakt mit Walter D., dem inzwischen verstorbenen Mann Sylvia D.s, hatte, heißt H. gut, weil sie so die Energie Gottes gesteigert habe.

Hanau: Angeklagte Sylvia D. Opfer einer Hetzkampagne?

Ihr Vermögen haben die H.s Sylvia D. vermacht, wie Helmut H. einräumte. Sie hätten vor, das zu ändern und an Wohltätigkeitsorganisationen zu vererben. Helmut H. wiederholte den Vorwurf, Sylvia D. sei Opfer einer Hetzkampagne von Aussteigern, die D.s Medienfirma ruinieren wollten, weil sie in derselben Branche tätig seien. Als Mies entgegnete, viele Aussagen deckten sich mit denen branchenfremder Aussteiger, sprach H. von persönlichen Motiven.

Merkwürdig ist, dass es – bis auf das erwähnte – keine Fotos von Jan als Kleinkind geben soll. H. meint, sie hätten keine gemacht, um zu sparen. Eine von vielen Aussagen, die ihm das Gericht offenbar nicht abnimmt.

Von Gregor Haschnik

Er stach 18 Mal zu: Wegen Mordes an seiner ehemaligen Lebensgefährtin in Frankfurt muss sich ein 35-Jähriger vor dem Landgericht verantworten, dies berichtet fnp.de*.

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