„One Forty West“: Für eine Million Euro über den Dächern Frankfurts wohnen

Tausende suchen in Frankfurt eine bezahlbare Wohnung. Doch das neue Hochhaus auf dem alten Universitätsgelände bietet teure Quadratmeterpreise und ein Luxushotel.
Es knackt und knirscht, als der Drahtkorb des Außenaufzuges langsam nach oben rattert. Der Stau auf der Senckenberganlage schrumpft unter unseren Füßen, dafür scheint die Frankfurter Skyline aus dem Boden zu wachsen. Ein sonniger Spätsommerabend. Der Investor Commerz Real Investment GmbH präsentiert das umstrittenste neue Hochhaus der Kommune, „eine der künftigen Ikonen des Frankfurter Stadtbildes“, wie es Commerz Real-Sprecher Gerd Johannsen formuliert.
350 Arbeiter, Ingenieure, Architekten wuseln auf der Baustelle des neuen „Senckenberg-Quartiers“ im Westen der Innenstadt. Bis zum dritten Quartal 2020 soll das 140 Meter hohe „One Forty West“ fertiggestellt sein, doch es entstehen auch noch ein zweiter, 99 Meter hoher Büroturm (99 West), ein sechsgeschossiges Bürogebäude (21 West) und eine Kindertagesstätte. Wo die Medienvertreter jetzt die Baustelle besichtigen, stand bis zur Sprengung am 2. Februar 2014 der 116 Meter hohe AfE-Turm der Johann Wolfgang Goethe-Universität. Jahrzehnte wurde hier vor allem kritische Gesellschaftstheorie unterrichtet.
„One Forty West“ in Frankfurt: Zwei Nutzungen unter einem Dach
Jetzt demonstriert „One Forty West“ auf dem Grundstück Senckenberganlage 15 das kapitalistische Wirtschaften in der Praxis. Der Turm, ein sogenanntes Hybrid-Hochhaus, vereint zwei Nutzungen unter einem Dach: Teure Wohnungen und ein Luxushotel. Angesichts des angespannten Frankfurter Wohnungsmarktes, auf dem Tausende von Menschen eine bezahlbare Unterkunft suchen, wirkt das wie ein zynischer Kommentar.
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Das 25. Stockwerk ist erreicht, der Aufzugkorb öffnet sich. Mario Schüttauf, Manager des offenen Immobilienfonds Hausinvest, sucht das Gute an diesem „Produkt, das herausragt aus dem Gesamt-Portfolio“. 193 Wohnungen bietet der Hauptturm, 99 zum Verkauf, 94 zur Vermietung. Auch die Zielgruppen kennt der Immobilienspezialist genau. Da sind zum einen „junge Start-up-Unternehmer“, aber auch Dinks (Double income, no kids), also gutverdienende Paare ohne Kinder. Als dritte potenzielle Käufer-Basis macht der Manager die „Best-Ager“ aus, also wohlhabende Menschen im besten Alter, „die ihre Villa im Taunus aufgeben, weil sie in Frankfurt alles fußläufig erreichen können“.
Ein Quadratmeter im „One Forty West“ in Frankfurt kostet 13.000 Euro
Die Journalisten, die Schüttaufs Ausführungen lauschen, überlegen, zu welcher Zielgruppe sie wohl gehören könnten. Klar ist jedenfalls, dass die künftigen Bewohner des „One Forty West“ ein wenig Geld mitbringen müssen. Der Quadratmeterpreis für das Wohneigentum beginnt bei 13.000 Euro und steigt.
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Der Aufzug rattert langsam weiter nach oben. Es wird deutlich kühler und windiger. 40. Obergeschoss: In 137 Metern Höhe geht der Blick weit über die Stadt. Der Messeturm scheint plötzlich im flimmernden Licht der Abendsonne zum Greifen nahe.
Eine Etage im Hochhaus in Frankfurt für eine Million Euro
Das letzte Obergeschoss, in dem wir stehen, ist noch nicht verkauft. Der Investor würde die Fläche auch komplett veräußern. „Eine Million Euro müsste man hinlegen für diese Etage“, schätzt Gerd Johannsen von Commerz Real.
Der genaue Preis hängt von den Extras ab, die der Käufer wünscht. Parkett gibt es in jeder der Wohnungen zwischen 40 und 135 Quadratmeter. Aber italienischer Marmor in den Bädern müsste schon eigens bestellt werden. Und kostet natürlich Aufpreis.
„One Forty West“ in Frankfurt: 24-Stunden-Service, ein Weinkeller für jede Wohnung
„Die Leute wollen Extras“, weiß Johannsen. Der Bauherr kommt den künftigen Bewohnern schon weit entgegen. Natürlich gibt es im Erdgeschoss des Turmes einen Hundewaschplatz. Dort kann man seinen vierbeinigen Liebling säubern nach dem Spaziergang, damit er das Parkett der Wohnung nicht verschmutzt. Im Parterre steht auch für jeden Bewohner ein kleiner Weinkeller parat. Dort lassen sich wertvolle Rebensäfte schön kühl halten. Selbstredend wird der Empfang an der Basis des Hochhauses rund um die Uhr besetzt sein, um die Wünsche der Bewohner zu erfüllen.

Um auf die Liste der potenziellen Wohnraum-Käufer zu gelangen, müssen Interessenten eine Anzahlung leisten. Kommt es zum Vertragsabschluss, wird die Summe vom Gesamtpreis abgezogen. Kommt kein Kauf zustande, ist das Geld verloren.
„One Forty West“ als Hybrid-Hochhaus birgt aber nicht nur Wohnungen. Der untere Teil des Turmes bleibt künftig einem Vier-Sterne-Hotel der Meliá-Gruppe vorbehalten, das 430 Zimmer umfasst. Auch innerhalb dieser sechzehn Etagen gibt es Besonderheiten, die stolz präsentiert werden. Etwa der 600 Quadratmeter große, stützenfreie Raum im ersten Obergeschoss, der als „Ballsaal“ firmiert.
Im fünfzehnten Stockwerk öffnet sich künftig die „Sky-Bar“ des Hotels, von der aus man über die Dächer des nahen Westends blicken kann.
„Senckenberg-Quartier“ in Frankfurt wird öffentlich begehbar sein
Das Architekturbüro Cyrus Moser (CMA) in Frankfurt hat das Hochhaus als dynamischen Baukörper entworfen, dessen oberer Teil über den Hotelsockel deutlich auskragt. Die weiße Aluminiumfassade wächst um ein Geschoss pro Woche, wie Frank-Peter Meßmer von der Geschäftsleitung des Projektentwicklers Groß&Partner sagt. Er ist für die technische Abwicklung des Bauvorhabens zuständig. Bis zum Jahresende, so der Plan, wird die Fassade geschlossen sein, schon am 10. August war die letzte Decke des Rohbaus betoniert worden.
Die Investoren wissen wohl, dass es um das öffentliche Image des neuen Quartiers nicht zum Besten steht. Deshalb, so sagt es Fonds-Manager Schüttauf, „möchten wir der Stadt etwas geben“.
Kooperation mit Senckenberg-Museum in Frankfurt geplant
Gemeinsam mit dem benachbarten Senckenberg-Museum ist die Idee entwickelt worden, besondere naturwissenschaftliche Exponate in verglasten Schaukästen auf dem Gelände zu präsentieren.
Entlang eines Weges, der in den alten Campus der Goethe-Universität hineinführt, sollen diese bis zu 50.000 Euro teuren Panzerglas-Kuben stehen.
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Denn das neue „Senckenberg-Quartier“ wird öffentlich begehbar sein. Hinter dem Hochhaus, von der vielbefahrenen Senckenberganlage abgewandt, entsteht ein zentraler Quartiersplatz. Besonderes Augenmerk legen Planer und Architekten hier auf die Aufenthaltsqualität. Man will zusätzliche Bäume pflanzen. 60 Fahrrad-Abstellplätze sind im öffentlichen Raum vorgesehen.
Dennoch: Ohne eine große Tiefgarage mit vier Geschossen unter der Erde kommt auch dieses Projekt nicht aus – obwohl die U-Bahn-Stationen Messe und Bockenheimer Warte nicht weit sind. Nicht weniger als 279 Auto-Stellplätze bietet dieses unterirdische Bauwerk, das fast zwanzig Meter unter die Erde reicht.
Der Aufzugkorb mit den Journalisten erreicht wieder die Basisstation. Auf der Senckenberganlage herrscht Rushhour. Ganz langsam schiebt sich der Autostau vorbei.
Infos:
Etwa 270 Millionen Euro investiert die Commerz Real Investment GmbH für den offenen Immobilienfonds Hausinvest in das Hochhaus. Der Turm auf dem Grundstück Senckenberganlage 15 in Frankfurt ist 140 Meter hoch und umfasst 41 Obergeschosse und vier unterirdische Etagen. Die oberirdische Bruttogeschossfläche beträgt 52 000 Quadratmeter. Der Entwurf stammt vom Frankfurter Architekturbüro Cyrus Moser (CMA).
Innenarchitekten sind die Ippolito Fleitz Group (Stuttgart) für die Wohnungen und das Büro Jonasplan für das Hotel. Der zweite Turm des Quartiers, ein 99 Meter hohes Bürohochhaus, steht auf einem Grundstück der städtischen ABG Holding und ist noch nicht begonnen. Zum Quartier gehören außerdem ein sechsgeschossiges Bürogebäude und eine Kindertagesstätte. Die Tiefgarage mit 279 Stellplätzen wird von der Senckenberganlage her erschlossen. Baubeginn war im Jahr 2016, die Fertigstellung des Hochhauses One Forty West ist für das dritte Quartal des Jahres 2020 geplant. Das Baugelände gehörte komplett dem stadteigenen Wohnungskonzern ABG Holding und ist Teil des alten Campus der Goethe-Universität. jg