Zwangsumzug für S6-Ausbau: So werden die Zauneidechsen umgesiedelt

Für den Ausbau der S-Bahn-Gleise in Frankfurt müssen die wieselflinken Reptilien eingefangen und weggebracht werden. Experten gehen mit Angeln und Schlaufen auf die Pirsch.
Eine Zauneidechse lässt sich nicht gern fangen. Eine Mauereidechse auch nicht. Entlang der Frankfurter S-Bahn-Strecke 6, die zurzeit von zwei auf vier Gleise erweitert wird, wohnen aber Zauneidechsen. Und die wollen nicht gefangen werden.
Müssen sie aber. Denn wenn sie wohnenblieben, wo sie bisher wohnten, im Schotter neben den Gleisen, könnte die Deutsche Bahn ja nicht die Gleisanlagen ausbauen. Eidechsen sind nämlich per Gesetz geschützt. Also kümmern sich Susanne Weimer und Andreas Küssner darum, dass alle zu ihrem Recht kommen. Die Bahn kriegt schicke neue Gleise, die Eidechsen kriegen schicke neue Wohnungen. „Umweltfachliche Bauüberwachung“ heißt das. „Wir wollen den Bau nicht verhindern“, sagt Küssner, „wir sind dafür da, dass alles reibungslos läuft.“
Auf der Eidechsen-Suche zwischen Eschersheim und Frankfurter Berg
Nicht völlig reibungslos, eher abenteuerlich verläuft die Fahrt zum Einsatzort am Streckenabschnitt zwischen Eschersheim und Frankfurter Berg. Die Piste ist vom Regen morastig, mehrmals bricht der Wagen aus. Am Ziel warten: Eidechsenburgen.
Das sind ausgeklügelte Gebilde, unten mit feinem Schotter befüllt, nach oben gröber und als Krönung dicke Steine und Holzstücke. Dahin werden die wieselflinken Reptilien umgesiedelt, zu ihrem eigenen Schutz, und damit die Eisenbahn fahren kann. Falls man sie kriegt, die wieselflinken Reptilien. Und natürlich auch die Eisenbahn.
S6-Ausbau in Frankfurt: Wie fängt man Zauneidechsen ein?
In der Kurve am Frankfurter Berg, da, wo die alte Stahlbrücke über die Gleise führt, gab es eine Menge zu prüfen für die umweltfachliche Bauüberwachung. Da wurde ja ratzekahl gerodet, was urwaldig wuchs. „Die Bäume haben wir genau angeschaut“, sagt Susanne Weimer, die Projektleiterin Umwelt bei der Bahn, gelernte Landschaftsplanerin. Da galt es, auf Höhlen zu achten, ob Tiere drin wohnen. „Ein Seilkletterer hat dann besonders vorsichtig Stück für Stück von oben abgesägt“, berichtet Küssner, der aus der Forstwirtschaft kommt.
Demnächst werden sie umweltfachlich überwachen, wie ein altes Bahnwärterhäuschen abgerissen wird, das dem Ausbau der neun Kilometer Bahnstrecke zwischen Frankfurt-West und Bad Vilbel im Weg steht. Darin könnten theoretisch Fledermäuse sein. Eine Vollzeitstelle pro Jahr, schätzen die Umweltvorsorger, widmet die Bahn der Natur am Wegesrand des Ausbaus.
Ihre Lieblingstiere? „Wir mögen alle“, sagt Küssner. „Wenn man sich so gut kennenlernt, mag man sich“, sagt Weimer. Also Eidechsen? „Aber Fledermäuse sind auch spannend.“ Die werden meist vergrämt, etwa aus Tunneln, mit viel künstlichem Licht, und ziehen dann angeblich in eine ihrer Zweitwohnungen um.
Eidechsen werden für S6-Ausbau in Frankfurt mit Angeln gefangen
Und die Zauneidechsen, wie fängt man sie nun? Mit Schlaufen an langen Angeln etwa. Oder mit Fallen: vergrabenen Bechern, aus denen sie nicht mehr rauskommen. „Aber das ist zeitaufwendig“, sagt Küssner, „damit beauftragen wir meist Firmen.“ Faustregel: Wo man eine Eidechse sieht, sind weitere sechs bis zehn. Und wenn man sich so gut kennengelernt hat, dann jagt man sich vielleicht auch nicht so gern.
Im Frankfurter Norden soll mit dem Ausbau der S6 ein neuer Verkehrsknotenpunkt entstehen. Die Wahl fiel aber nicht auf Eschersheim. Dort bleibt das Umsteigen beschwerlich.