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Gestresste Tomaten machen Plopp-Geräusche, erklären Forscher

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Von: Ines Alms

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Pflanzen machen keinen Lärm, oder etwa doch? Tomaten könnten sogar schreien, sagen Forscher nun. Nur klingt das eher wie aufpoppendes Popcorn.

Wer mit seinen Pflanzen spricht, den wundert diese Neuigkeit sowieso nicht. Aber auch Skeptiker bekommen nun einen wissenschaftlichen Nachweis, dass Pflanzen scheinbar emotionale Laute von sich geben. Vielleicht nehmen sie dabei nicht unbedingt mit dem Menschen Kontakt auf, aber sie sind immerhin hörbar – zumindest im Ultraschallbereich.

Säugetiere und Insekten können die Geräusche der Pflanzen hören

Tomaten an Strauch
Wenn Tomaten unter Hitzestress und Wassermangel leiden, fangen sie an zu vibrieren. © YAY Images/Imago

Die Geräusche seien ungefähr so laut wie ein normales Gespräch, doch die Frequenz der im Ultraschallbereich liegenden Töne sei für Menschen zu hoch, schreiben Wissenschaftler der Universität Tel Aviv im Fachjournal „Cell“. Ob die Pflanzen solche Töne erzeugen, um mit anderen Organismen zu kommunizieren, sei unklar. Andere Studien hätten bereits gezeigt, dass Pflanzen als Reaktion auf Geräusche von Bestäubern zum Beispiel die Zuckerkonzentration in ihrem Nektar erhöhen.

Gestresste Pflanzen können einer Studie zufolge also ganz schön Lärm machen – Menschen hören den allerdings nicht. Andere Lebewesen aber schon: „Die Geräusche im Ultraschallbereich könnten aus einer Entfernung von drei bis fünf Metern von vielen Säugetieren und Insekten wahrgenommen werden“, nehmen die Forscher an.

Pflanzen wie Tomaten und Tabak werden laut, wenn sie unter Stress aufgrund von Trockenheit leiden oder wenn man ihnen ihre Stängel schneidet, berichtet das Forscherteam weiter. Sie klingen demnach in etwa wie zerdrückte Luftpolsterfolie oder aufpoppendes Popcorn.

Und was, wenn ein ganzes Weizenfeld gerade abgeerntet wird? Auch Kulturpflanzen wie Mais oder Weizen gäben unter Stress Töne von sich, erläutern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. „Daher ist es wahrscheinlich, dass auch bei der Ernte (in Form von Schneiden) Geräusche ausgestoßen werden“, teilt Lilach Hadany, Evolutionsbiologin an der Universität in Tel Aviv, auf dpa-Anfrage mit. Das Team konnte zudem zeigen, dass auch Pflanzen wie Kakteen, Wein und Taubnesseln Geräusche machen.

Nutzen für die Landwirtschaft und den eigenen Garten

Mancher Kleingärtner mag sich unwohl fühlen bei dem Gedanken, dass sein selbst gezogenes Gemüse oder Kräuter beim Abschneiden vor lauter Stress anfangen zu ploppen. Bekannt ist aber bisher auch schon lange, dass Pflanzen auch auf andere Weise Stress empfinden können, beispielsweise wenn sie zu dicht an anderen Pflanzen stehen und mit diesen in Konkurrenz um Licht treten oder durch Fraßschäden von anderen Tieren. Hierfür haben sie Abwehrmechanismen wie Resistenzen entwickelt.

Die Forscher aus Israel sehen in ihren Erkenntnissen aber einen ganz praktischen, möglichen Nutzen für die Landwirtschaft: Anhand von Tonaufnahmen könne zum Beispiel die Bewässerung von Pflanzen auf dem Feld oder im Gewächshaus überwacht und effektiver gemacht werden.

Die Wissenschaftler hatten für die Studie Tomaten- und Tabakpflanzen unter verschiedenen Bedingungen untersucht. In einem der Experimente hatten die Pflanzen zu wenig Wasser, in einem anderen wurden ihnen die Stängel geschnitten. Zum Vergleich schaute sich das Team auch ungestörte Exemplare an. Mit Mikrofonen nahmen die Wissenschaftler in einem schallgedämpften Raum und auch in einem Gewächshaus Töne auf.

Das Ergebnis: Gestresste Pflanzen gaben laut der Studie auffällig mehr Geräusche ab als die gesunden. Unter Stress machten sie rund 30 bis 50 Töne pro Stunde. „Wenn Tomaten überhaupt nicht gestresst sind, sind sie sehr leise“, sagt Hadany. Mithilfe eines Algorithmus konnte das Team erkennen, wie sich die Töne je nach Stressart unterschieden.

Trockenstress kann bei Tomaten Vibrationen auslösen

Die Forscher nehmen an, dass sich die Ursache für dieses Phänomen im Inneren einer Pflanze abspielt. Untersuchungen hätten gezeigt, dass es bei Pflanzen, die unter Trockenstress leiden, zur sogenannten Kavitation kommt. Dabei bilden sich grob gesagt Luftblasen im Gefäßsystem, die sich ausdehnen und wieder zusammenfallen. Dies führe zu Vibrationen.

„Das Design der Studie ist gut“, findet Sibaji Kumar Sanyal, Molekularbiologe an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, der nicht an der Studie beteiligt war. Man könne anhand der Töne schnell verstehen, wenn die Pflanzen etwa nicht richtig bewässert wurden. Für zukünftige Studien sei es aber wichtig, neben Tomaten und Tabak auch andere Pflanzenarten zu untersuchen.

Macht sich der Mensch also eine falsche Vorstellung von der stillen Natur – wenn zum Beispiel die heimischen Zimmerpflanzen mal wieder Wasser brauchen oder das Gemüse im Garten geerntet wird? „Das ist eine interessante Vorstellung. Aber betrachtet man die Frequenz der Pflanzentöne, liegt sie ja im Ultraschallbereich. Deshalb sind sie für uns weiter still“, erklärt Sanyal.

Wer im eigenen Garten Tomaten anbaut, weiß sowieso, dass die Pflanzen vor allem in heißen Sommern sehr viel Wasser benötigen. Aber vielleicht hilft auch der Gedanke daran, dass die Tomaten tatsächlich in irgendeiner Form darunter leiden, es in Zukunft auch nicht zu vergessen.

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