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Neuer Porsche GTS im Härtetest: Der 911, der eigentlich ein Turbo ist

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Von: Rudolf Bögel

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911 GTS grün Rennstrecke
Bei der Fahrdynamik bietet der Porsche 911 GTS genauso viel wie der Turbo, allerdings zum kleineren Preis. © HZ / Porsche

GTS – mehr 911er braucht es nicht. Er kann fast so viel wie der Turbo, kostet aber 50.000 Euro weniger.

Der 911 Carrera zu bieder? Der Turbo zu übertrieben? Porsche hat für alle Liebhaber des kultigen Sportwagens eine Lösung. Denn für dieses (Luxus-)Problem gibt es jetzt die GTS-Modelle. GTS heißt nichts anderes als Gran Turismo Sport und bezeichnet die etwas komfortableren Sportwagen, mit denen man auch die Langstrecke bewältigen kann. GT-Fahrzeuge wurden in der Renngeschichte gerne auf den Klassiker wie der Mille Miglia eingesetzt oder auf dem 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Ursprünglich war ein sogenannter „Schmiermaxe“ mit an Bord, die saloppe Formulierung für den Bordtechniker. Das berühmteste GTS-Modell von Porsche war der 904 Carrera GTS, noch entworfen von Ferdinand Alexander Porsche. Ein Rennwagen mit Straßenzulassung, der in den Jahren 1963 bis 1965 unter anderem die Markenweltmeisterschaft gewann. Knapp über 100 Modelle wurden davon produziert, Kostenpunkt: 29.700 Mark. Heutzutage liegt der Preis deutlich über einer Million Euro, im vergangenen Jahr wurde bei Sothebys in Paris ein Exemplar mit knapp zwei Millionen ersteigert.

Porsche 911 GTS Targa Cockpit
Blick ins Innere des GTS Targa. Die Instrumente sind voll digital - das System bietet jetzt sogar AppleMusic an. © Porsche

Mehr PS, mehr Drehmoment – der GTS dreht auf

GTS-Modelle gibt es mittlerweile fast in jeder Fahrzeugklasse von Porsche – beim Kult-Sportwagen 911er erst seit zwölf Jahren. Für Freunde der Zuffenhausener Sportwagen sind sie ein besonderer Leckerbissen. Zum einen, weil sie mit den schwarz gefärbten Scheinwerfern sofort auffallen, zum anderen wegen Motor und Fahrwerk. Der aktuelle GTS, den wir im neuen Performance-Center in Franciacorta (Italien) und auf der dortigen, brandneuen Rennstrecke ausgiebig testen durften, ist zwar mit dem Sechszylinder-Boxer bestückt, der auch im Basismodell seine Dienste tut – aber natürlich bietet er mehr. 480 PS sind es und damit sowohl 30 mehr als beim Vorgänger und 30 mehr als beim herkömmliche Carrera S. Beim Drehmoment legt er um 20 auf 570 Newtonmeter (Nm) zu.

Porsche 911 GTS Targa silber
Klassische Schönheit. Der Targa in Silber mit dem schwarzen Bügel gilt als die perfekte Farbkombination für dieses Auto. © Porsche

Nostalgie und Fahrspaß pur: der Sieben-Gang-Handschalter

Diese Power kann man auf unterschiedliche Arten auf die Straße bringen. Entweder bleibt man schaltfaul und lässt das Achtgang-PDK-Getriebe die Arbeit tut, oder man gönnt sich – ganz puristisch – einen Siebengang-Handschalter. Für immer mehr Freunde des gepflegten Fahrens ist diese Option genauso wichtig wie die LP auf dem Plattenteller. Und zwar nicht nur aus rein nostalgischen Gründen, sondern weil der Fahr-Genuss mit Handschalter purer und ehrlicher ist. Apropos: Auch beim Antrieb können GTS-Kunden wählen: Darf es der Heck-Antrieb sein, oder muss der 4S mit Allrad her?

Porsche 911 GTS Detail Tacho
Erinnerungen an die analoge Welt. Der Tacho ist immer noch so angeordnet wie früher, besteht aber nur noch aus Displays. © Porsche

Heck oder Allrad – das ist gar keine Frage!

Wenn es um den Fahrspaß geht, kann es darauf nur eine Antwort geben, stellen wir nach jeweils ein paar Runden auf der brandneuen Rennstrecke von Franciacorta fest. Mit Heckantrieb war der 2,5 Kilometer lange Kurs mit seinen Haarnadel-Kurven und Schikanen einen Tick prickelnder als mit dem Allrad-Fahrzeug. Ganz beschwingt nach einem Schluck des Spumante aus Franciacorta, der mit seiner feinen Perlage als Champagner Italiens gilt. Der Spaß auf der Rennstrecke kommt natürlich nicht allein von der unbändigen Kraft, die den 911er Carrerra 4 GTS in nur 3,3 Sekunden von 0 auf Tempo 100 puscht. Damit liegt er übrigens nur eine halbe Sekunde unter den Leistungen des 100 PS stärkeren und rund 50.000 Euro teureren Turbos.

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Fahrwerk und Bremsen vom Turbo

Beim Fahrwerk kann er dem höherklassigen Modell jedoch die Stirn bieten. Ist ja auch kein Wunder – schließlich wurde es vom Turbo abgeleitet. Serienmäßig kommt der GTS mit dem Porsche Actice Suspension Management (PASM) daher, das die Dämpfer in Millisekunden auf die Strecken-Dynamik reagieren lässt. Coupé und Cabrio sind zudem um zehn Millimeter tiefergelegt, der Targa hat eine eigenständige Lösung. Vom Turbo in den GTS transplantiert wurde auch das Konzept mit den Helperfedern an der Hinterachse. Sie halten die Hauptfedern unter Spannung, damit reagiert das Fahrwerk noch schneller und aktiver. Und noch zwei weitere Technik-Diebstähle gibt es zu vermelden. Die Hochleistungsbremsanlage stammt aus dem Turbo, die Bereifung mit 20-Zoll großen, schwarze Leichtmetallfelgen vorne und 21-Zöllern hinten sogar vom Turbo S.

Porsche 911 GTS rot Heck Detail
Schwarze Akzente an Scheinwerfern oder am Schriftzug machen den Unterschied aus. Damit wird aus dem Carrera ein GTS. © Porsche

Genuss-Wedeln auf der Bergstrecke

Damit ist der 911er GTS perfekt ausgestattet für seinen Einsatz auf dem Race-Track und auf den Landstraßen nördlich von Franicaorta, wo es hoch hinauf geht in Richtung Iseo-See. Das ist kein Fahren mehr, das ist Genuss-Wedeln in den Kurven. Das Auto reagiert fein dosiert bei der Lenkung, kräftig zupackend beim Tritt auf die Bremse, und unaufhaltsam-vorwärtspreschend beim Bedienen des Gaspedals. Auch wenn wir die drehmomentlastige Beschleunigung von Elektro-Autos schätzen: Die konsequente Kraftentwicklung eines Dreiliter-Sechzylinders ist schwer zu schlagen: Der Bi-Turbo bespaßt schon von unten heraus recht kraftvoll und legt in den Drehzahl-Höhenlagen bei 6.500 U/min sogar noch mal satt nach. So wie der Sound des GTS. Der wurde mit der serienmäßigen Sportabgasanlage emotional an die Fahrleistungen angepasst. Das heißt: Hier hat man einfach einen Teil der Innendämmung rausgeschmissen, damit man – hört, hört – mehr vom Klang der Auspuffrohre hat. Der ist unaufdringlich, aber trotzdem kernig. In den hohen Drehzahlbereichen trompetet er nicht nur, da spielt schon eine ganze Blaskapelle. Die Endrohre sind schwarz verchromt und steuern so auch noch eine coole Optik bei.

Abspecken, Rücksitzbank raus – kostet aber mehr

Wer will, kann auch beim Gewicht – natürlich aufpreispflichtig - noch abspecken. Ende 2021 wird es ein Leichtbaupaket geben, das immerhin noch mal 25 Kilogramm Ersparnis bringen wird. Hauptsächlich geht das auf das Entfernen der Rückbank zurück – damit wird dieser 911er, der eine serienmäßige Hinterachslenkung aufweist, zum echten Zweisitzer. Apropos Gewicht: Wer auf schlanke Werte setzt, der darf sich nicht den Targa kaufen und schon gar nicht den Targa 4S. Denn der rangiert mit 1.685 Kilogramm noch mal um stattliche 140 Kilogramm über dem normalen GTS. Dabei ist der Targa mit seinem dicken Überrollbügel wie bei fast allen Modellreihen das schönste Modell.

Porsche 911 GTS grün Rennstrecke Franciacorta Rudolf Bögel
Grünes Monster. Auf der Rennstrecke zeigt der 911 GTS, was er wirklich kann. Davon ließ sich Autor Rudolf Bögel überzeugen. © HZ / Porsche

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Unser Fazit zum neuen 911 Carrera GTS

911 GTS – mehr braucht es nicht. Weder mehr Leistung, es sei denn man braucht sie beim Angeben im Freundes- oder Kollegenkreis, noch mehr Komfort. Denn das Fahrwerk des GTS kann alles. Von knallhart und blitzschnell bis samtig und federweich – schon fast an der Grenze zur Limousinen-Langeweile. Insofern ist er ein echter GTS, ein Rennwagen für die Langstrecke. Oder ein Langstrecken-Auto mit Renn-DNA. Rudolf Bögel

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