Putin zündelt wieder: „Pulverfass“-Land macht große Sorgen – Bundeswehr schickt Soldaten

Wladimir Putin wirbt um die bosnische Teilrepublik Srpska. Die Situation ist brenzlig - und ein deutscher Diplomat steht in der Kritik.
München/Banja Luka - Es ging beinahe unter. Schon einen Tag nach Beginn des russischen Angriffkriegs auf die Ukraine (24. Februar) schickten Washington und das transatlantische Verteidigungsbündnis Nato eine unmissverständliche Botschaft an Kreml-Machthaber Wladimir Putin. Und zwar, dass sie dem Präsidenten Russlands und dessen Zirkel in Moskau das fragile Bosnien und Herzegowina nicht überlassen wollen.
Westbalkan: Bosnien-Herzegowina gerät wegen Ukraine-Krieg in den Fokus
Sowohl Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg als auch der US-amerikanische Präsident Joe Biden betonten, dass sie Soldaten in die Krisenregion entsenden wollen.
Weit nach dem Bosnienkrieg (April 1992 bis Dezember 1995) gibt es in dem Land mit seinen rund 3,28 Millionen Einwohnern nach wie vor tief verwurzelte Spannungen zwischen bosnischen Kroaten, Bosniaken und bosnischen Serben.
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Und die Lage eskaliert seit Monaten: So macht Milorad Dodik, das serbische Mitglied des Staatspräsidiums, keinen Hehl aus Abspaltungsgedanken der Teilrepublik Srpska - samt eigener Armee. Putin unterstützt ihn dabei. Besagte Republika Srpska (RS) ist neben der von Bosniaken und Kroaten geprägten Föderation Bosnien und Herzegowina eine von zwei Entitäten. Während der Anteil der Serben in der Föderation verschwindend gering ist (keine drei Prozent), liegt er in der RS bei über 80 Prozent.
Wladimir Putin wirbt um Republika Srpska: Bosnien gilt auf dem Balkan als politisches „Pulverfass“
Genau hier versucht der russische Präsident seinen Einfluss geltend zu machen. Zuletzt tat er dies am 17. Juni auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg, als er sich mit Dodik traf. Nicht zum ersten Mal in den vergangenen Jahren. Dabei handelt es sich bei der RS mit rund 1,16 Millionen Einwohnern um eine kleine Teilrepublik. Aber: Bosnien wird bis heute als politisches „Pulverfass“ eingestuft. Die Gräben sind tief, zum Beispiel wegen des Massakers von Srebrenica. Die mutmaßlichen Täter von damals: Soldaten der Republika Srpska unter dem verurteilten Kriegsverbrecher Ratko Mladic.

Dodik hatte den Völkermord wiederholt geleugnet. Laut Standard ist stattdessen sein „Ziel seit Jahren, den Staat Bosnien-Herzegowina zu zerstören, indem er die RS abspalten will“. Wie die österreichische Tageszeitung weiter schreibt, verkündete er Mitte April in der bosnischen Stadt Bijeljina: „Es lebe Serbien, es lebe Russland, es lebe die Republika Srpska!“
Russland hat eine gewichtige Rolle, insofern Moskau im November eine Verlängerung des Eufor-Einsatzes (Operation Althea) im UN-Sicherheitsrat verhindern kann. Dann läuft die zeitlich befristete Friedensmission der Europäischen Union (EU) aus. Derzeit sind in Brčko bis zu 600 österreichische Eufor-Soldaten stationiert. Die Bevölkerung ist hier in etwa zur Hälfte bosniakisch und serbisch.
Spannungen in Bosnien-Herzegowina: Bundeswehr verstärkt das Eufor-Kontingent
Statt der Eufor könnten dort bald Nato-Truppen stationiert werden. Ein entsprechendes Mandat gibt es. Bereits Anfang Juli beschloss der Deutsche Bundestag, dass die Bundeswehr nach rund zehn Jahren nach Bosnien-Herzegowina zurückkehren soll. Konkret: Das Mandat sieht bis zu 50 Soldatinnen und Soldaten für die Eufor vor. Die Ampel-Bundesregierung begründete den Auslandseinsatz mit den aktuellen politischen Spannungen.
Der Friede muss militärisch durch die Nato abgesichert werden (...), wenn wir den nächsten Krieg in Europa wirksam verhindern wollen.
Zu wichtig ist das Land, das mit Kroatien und Montenegro von zwei Nato-Staaten auf der einen und mit Serbien von einem Freund Russlands auf der anderen Seite umgeben ist.
Der deutsche CDU-Politiker Michael Brand warnte kürzlich in der Tageszeitung taz, dass die Achse Republika Srpska-Serbien-Russland „eine kriegsfähige Achse“ sei. Er forderte: „Der Friede muss militärisch durch die Nato abgesichert werden (...), wenn wir den nächsten Krieg in Europa wirksam verhindern wollen.“ Zwei anderen Deutschen kommt eine bedeutende Rolle zu.
Einwohner: | Bevölkerungsverteilung: | |
Bosnien-Herzegowina | 3,28 Millionen (gesamt) | 50 % Bosniaken (bosnisch-stämmig Muslime), 35 % orthodoxe Serben, 15 % katholische Kroaten |
Föderation Bosnien und Herzegowina (Teilrepublik) | 2,08 Millionen | 70,4 % Bosniaken, 22,4 % Kroaten, 2,5 % Serben, 4,6 % weder noch |
Republika Srpska (Teilrepublik) | 1,16 Millionen | 81,5 % Serben, 14 % Bosniaken, 2,4 % Kroaten, 2,1 % weder noch |
Distrikt Brcko (Sonderverwaltungsgebiet) | rund 44.000 | 49 % Serben, 44 % Bosniaken, 4 % Kroaten |
Quellen: Statistisches Bundesamt, Wirtschaftskammer Österreich, UNHCR, Münchner Merkur (Stand 25. Juli 2022)
Bosnien-Herzegowina: CSU-Politiker überwacht die Einhaltung des Friedensabkommens
So nutzte der sogenannte Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft, Christian Schmidt (CSU), jüngst die „Bonner Befugnisse“, um ein verfassungswidriges Gesetz der Republika Srpska aufzuheben. Seit 1995 überwacht der Hohe Repräsentant die Einhaltung des Abkommens von Dayton, das den Bosnienkrieg nach dreieinhalb Jahren Blutvergießen beendet hatte. Der erfahrene Außenpolitiker Schmidt hatte im Januar EU-Sanktionen gegen Dodik empfohlen, nachdem dessen Partei SNSD konkrete Schritte unternommen hatten, um staatliche Strukturen mit der Föderation zu beseitigen.

Schmidt selbst löste wütende Proteste zwischen Sarajevo und Banja Luka aus, weil er in die Verfassung eingriff. Das Gesetz hätte vorgesehen, dass Staatsbesitz an die RS übergehen kann. Ein Manöver des Putin-Freunds Dodik? Der andere deutsche Protagonist ist Olaf Scholz (SPD). Seit Wochen treffen sich Vertreter der Ampel-Regierung mit Politikern vom Westbalkan. Das Ziel: Nach Vorstellungen von Kanzler Scholz sollen Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro, Nordmazedonien, Albanien und der Kosovo in die EU aufgenommen werden, um sie dem Einfluss Putins zu entziehen.
Fokus Westbalkan: Kanzler Olaf Scholz wirbt bei Serbien-Präsident um EU-Beitritt
Scholz fällt neben Beitritts-Sondierungen die Rolle zu, den nationalistischen serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic zu besänftigen. Wie schwierig das ist, zeigte sich im Werben des Bundeskanzlers um ein Ende des Serbien-Kosovo-Konflikts. Vucic raunzte Scholz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Juni in Belgrad an: „Wir reagieren nicht auf diese Art und Weise auf Druck, wobei uns jemand droht und dann muss man etwas machen.“ Am 2. Oktober sind nun Wahlen in Sarajevo. Von Moskau über Belgrad und Berlin bis nach Washington schauen alle politischen Entscheider ganz genau hin. Auf das „Pulverfass“ des Westbalkans. (pm)