Geheime Mobilisierung – Putin will schwere Verluste im Ukraine-Krieg kaschieren
Russlands Armee ist geschwächt, die Kriegspläne des Kreml scheitern. Präsident Putin benötigt personellen Nachschub.
Moskau – Die Zahlen zu Russlands Verlusten im Ukraine-Krieg schwanken stark. Während der Kreml zuletzt von knapp mehr als 2000 getöteten Streitkräften sprach, geht der ukrainische Generalstab mittlerweile von mehr als 29.000 toten Soldaten aus. Die Schätzung des britischen Geheimdienstes liegt dazwischen: Etwa 15.000 Militärangehörige aus Russland seien bislang getötet worden. Demnach steht der russischen Armee ein Drittel seiner Bodentruppen in der Ukraine nicht mehr zur Verfügung.
Um schwere Verluste kompensieren zu können, benötigt Russland somit neue Streitkräfte. Zahlreiche westliche Geheimdienste hatten deshalb bereits am 9. Mai, dem „Tag des Sieges“ über Nazi-Deutschland, erwartet, dass Wladimir Putin zur Generalmobilisierung aufruft. Dies blieb allerdings aus.
Ukraine-Krieg: Putin startet verdeckte Generalmobilisierung
Das holt der Kreml nun offenbar nach. In der Staatsduma wurde vom Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses eine Gesetzesänderung eingebracht, nach welcher die Begrenzung des Wehrdienstalters entfallen soll. Für russische Staatsbürger galt bislang die Grenze von 40 Jahren, für ausländische Staatsbürger die Grenze von 30 Jahren. „Für den Einsatz von hochpräzisen Waffen sowie den Betrieb von Waffen und militärischer Ausrüstung werden hochprofessionelle Spezialisten benötigt. Erfahrungsgemäß besteht die Spezialisierung im Alter von 40 bis 45 Jahren“, heißt es in der Begründung der Gesetzesänderung.

Die Initiative des Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses hängt wohl mit dem steigenden innenpolitischen Druck auf Wladimir Putins Regierung zusammen. Der Präsident hatte zu Beginn der Invasion eine Dauer von 15 Tagen für die „Spezialoperation“ in der Ukraine ausgerufen. Dieses Ziel wurde längst verfehlt. Das Thinktank „Institute for the Study of War“ geht in einer Analyse davon aus, dass vor allem nationalistische Kräfte den Druck in Moskau auf Putin erhöhen. Demnach fordern verschiedene Gruppierungen eine weitere Mobilisierung. Auch im von Propaganda des Kremls geprägten Fernsehen werden immer wieder Forderungen nach weiteren Soldaten laut. Zuletzt sorgte allerdings ein Ex-Militär in einer Live-Sendung für Aufregung, als er unter anderem die schweren Verluste Russlands ansprach.

„Dies ist der jüngste Versuch, dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken, ohne die eigene Bevölkerung zu beunruhigen“, betont Ben Hodges, früherer Befehlshaber der US-Streitkräfte in Deutschland, wie das RND berichtet. Gegen die versteckte Generalmobilisierung gibt es allerdings auch Widerstand in Russland. Laut Angaben des „Institute for the Study of War“ gab es aus Protest im Ukraine-Konflikt mindestens zwölf Brandanschläge.
(Tobias Utz)