Tausende Reservisten fliehen aus Russland: Ist die Grenze schon dicht?
Seit der Ankündigung der Teilmobilmachung fliehen hunderttausende Russen in die Nachbarländer. Nun werden Grenzen geschlossen. Doch viele Russen haben noch ein anderes Problem.
Moskau – Zu Hunderttausenden reisen sie aus: Die Reservisten in Russland, die nach der Teilmobilmachung in den Ukraine-Krieg ziehen sollen. Doch sowohl Russland als auch die Nachbarländer schließen die Grenzen. Eine Ausreise scheint nur noch bedingt möglich. Viele Russen haben außerdem ein weiteres Problem – sie besitzen keinen Reisepass. Ein Überblick über die Lage zur Teilmobilmachung.
Teilmobilmachung im Ukraine-Krieg: Tausende Russen fliehen nach Finnland, Kasachstan und Georgien
Am 21. September kündigte Kreml-Chef Wladimir Putin im Ukraine-Krieg die Teilmobilmachung von etwa 300.000 Reservisten an, die mittlerweile von Experten als „Militärisches Desaster“ betrachtet wird und in russischen Medien für Wut sorgt. Den Rekruten fehlt es an Ausbildung und medizinischer Ausrüstung. Die neu mobilisierten Kräfte wurden dazu angewiesen, ihren eigenen Verbandskasten mitzubringen.

Viele der Reservisten versuchten zudem das Land schnellstmöglich zu verlassen. Am Dienstag (27. September) gab es Berichte, dass bereits 260.000 der Rekruten das Land verlassen haben sollen. Allein nach Kasachstan sollen 100.000 russische Staatsbürger gereist sein. Neben Kasachstan waren auch Georgien, die Mongolei und Finnland Fluchtorte von Russen. Finnland verzeichnete am Wochenende nach Verkündung der Teilmobilmachung Rekordzahlen an Anreisenden. Fast 17.000 Menschen überquerten die Grenze. An Georgiens Grenze stauten sich die Autos.
Flucht vor Teilmobilmachung: Russland blockiert Ausreise, EU-Nachbarländer schließen Grenzen
Sowohl vonseiten der Nachbarländer, als auch von Russland aus wird den Kriegsverweigerern die Ein- und Ausreise mittlerweile erschwert. Nach Georgien und Kasachstan kündigte Russland verschärfte Kontrollen an. Die russische Teilrepublik Nordossetien, die an Georgien grenzt, hat Einreiseverbote aus anderen Teilen Russlands verhängt. „Wir werden einfach physisch nicht in der Lage sein, Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten, wenn dieser Strom weiter zunimmt“, schrieb der Republikchef Sergej Menjajlo am Mittwoch (28. September) auf Telegram.
Am Hauptgrenzübergang nach Kasachstan, Karausek, plant Russland künftig Passkontrollen. Diese würden mit den Einberufungslisten abgeglichen. Wer unter die Mobilmachungskriterien falle und keinen offiziellen Aufschub oder eine Ausreisegenehmigung vom Militär habe, dürfe nicht ausreisen.
Betroffenes Nachbarland Russlands | Regelungen an der Grenze |
---|---|
Finnland | für russische Touristen gesperrt |
Norwegen | verschärfte Kontrollen |
Baltische Staaten | Beschränkte Einreise bereits vor Teilmobilmachung |
Georgien | erschwerte Ausreise aus Russland |
Kasachstan | erschwerte Ausreise aus Russland |
Mongolei | keine Angaben |
Estland, Lettland, Litauen und Polen hatten bereits am 19. September, zwei Tage vor der Ankündigung, eine Einreisebeschränkung verhängt. Finnland zog am Donnerstag (29.9) nach. Es handelt sich nach Angaben des finnischen Rundfunksenders Yle nicht um einen kompletten Einreisestopp. Familienbesuche, sowie Einreisen zum Arbeiten und für medizinische Versorgung bleiben möglich. Die Entscheidung war im Zuge der Gaslecks an Nordstream 1 und 2 und der Annexion ukrainischer Gebiete gefallen.
Auch Norwegen verschärfte seine Grenzkontrollen. Die Mobilisierung in Russland und ein mögliches Ausreiseverbot für russische Staatsbürger erhöhe das Risiko illegaler Grenzübertritte. Die EU empfahl den Mitgliedsstaaten darüber hinaus, die Visa-Vergabe weiter einzuschränken. Sicherheitsrisiken sollten gründlicher geprüft, Schengen-Visa seltener vergeben und stattdessen Langzeit-Visa oder eine Aufenthaltsgenehmigung geprüft werden.
Ausreise aus Russland: Viele Bürger haben keinen Reisepass – Russland beschränkt Vergabe weiter
Teilmobilmachung und Schließung der Grenzen: Vielen russischen Staatsbürgern bleibt teilweise vor allem die Flucht in ein Land ohne Visumsanforderungen. Die meisten Direktflüge in diese Länder waren bereits ein paar Tage nach der Teilmobilmachung ausverkauft, auch die Ticketpreise stiegen enorm. Manche Flüge in die Türkei, wo kein Visum benötigt wird, kosteten über 7000 Euro, das Zehnfache des Normalpreises.
Doch auch mit dem nötigen Geld für ein Flugticket ist die Ausreise nicht immer möglich. Denn in Russland besitzt nur ein kleiner Teil der Bevölkerung einen internationalen Reisepass. Russland gibt auch „interne Reisepässe“ aus, die in einem Teil der ehemaligen Sowjetstaaten rund um Russland, wie Armenien, Belarus und Kirgistan, akzeptiert werden. Nach der Teilmobilmachung kündigte Russland an, an Reservisten keine Reisepässe mehr auszugeben. Den Betroffenen werde „der Reisepass verweigert“, teilte die russische Regierung am Mittwoch auf ihrer Website mit. Ob darunter auch die „internen“ Reisepässe fallen, wurde nicht erwähnt. Alle Entwicklungen rund um die Ukraine lesen Sie im Verhandlungs-Ticker. (chd/dpa/AFP)