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Hält China weiter zu Russland? Beobachter interpretieren jede Geste

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Von: Christiane Kühl

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Russlands Präsident Wladimir Putin spricht mit Chinas Staatschef Xi Jinping, der unergründlich in die Ferne blickt
Was denkt Xi Jinping? An der Miene des chinesischen Staatschefs lässt sich nicht ablesen, was er von den Worten seines russischen Amtskollegen Wladimir Putin hält © Sergei Bobylev/Imago

Wenige Tage nach dem Treffen von Chinas Staatschef Xi Jinping und Russlands Präsident Wladimir Putin fragen sich Beobachter, ob Chinas Unterstützung für Moskau Risse bekommen hat.

Peking/Frankfurt – Wie felsenfest ist Chinas Unterstützung für Russland noch? Diese Frage stellen sich China-Beobachter angesichts der militärischen Rückschläge Russlands in der Ukraine und der umstrittenen Teilmobilisierung durch Präsident Wladimir Putin. Während des Treffens mit Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Chinas Staatschef Xi Jinping kürzlich wenig Euphorie erkennen lassen. Putin hatte zu Beginn der Begegnung am Rande des Gipfeltreffens der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit (SCO) im usbekischen Samarkand einräumen müssen, dass Xi Fragen und Sorgen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg geäußert habe. Dieses Statement sei auf Betreiben Pekings sorgfältig ausgehandelt worden, berichtete die japanische Zeitung Nikkei Asia am Donnerstag. Xi habe demonstrieren wollen, dass er nicht vorbehaltlos hinter Putins Krieg stehe.

Es sei zudem kein Zufall, dass Xi vor dem SCO-Gipfel und dem Treffen mit Putin erst nach Kasachstan geflogen sei, das seit der Ukraine-Invasion selbst Angst vor russischer Einmischung habe, so das Blatt. Im Norden Kasachstans leben ethnische Russen, und Kasachstan fürchtet, dass Putin sich nach einem Ende des Krieges in der Ukraine den „Schutz“ dieser Minderheit vornehmen könnte.

Verbal unterstützt China Russland wie eh und je. Am Donnerstag bekräftigte Außenminister Wang Yi am Rande der UN-Vollversammlung gegenüber seinem Amtskollegen Sergej Lawrow, China werde an seiner „objektiven“ und „fairen“ Position festhalten. Also doch alles wie gehabt?

China und Russland: Selbst winzige Nuancen lassen aufhorchen

Selbst winzige Nuancen sorgen unter Beobachtern sofort für Diskussionen, wenn auch meist ohne klares Ergebnis. Direkt nach Putins Rede zur Teilmobilmachung russischer Reservisten etwa meldete die gewöhnlich seriöse Nachrichtenagentur AFP, Chinas Außenamtssprecher Wang Wenbin habe in Peking zu Verhandlungen über einen Waffenstillstand in der Ukraine aufgerufen. Es müsse so schnell wie möglich eine Lösung gefunden werden, „die den legitimen Sicherheitsbedenken aller Parteien Rechnung trägt“. Auf der offiziellen Website des Ministeriums oder bei anderen Medien tauchte dieser Aufruf nicht auf, sondern nur allgemeine Aussagen Wangs. Ging der Satz Peking also zu weit? Oder hatten sich die AFP-Reporter verhört? Auch andere Agenturen sprachen nicht von Waffenstillstand. Eine Antwort gibt es nicht.

Einfach ist die fortwährende Unterstützung Russlands für China wohl nicht; laut von der Nachrichtenagentur Reuters befragten Experten ist Peking keineswegs ein Fan des Feldzugs. „China unterstützt den Krieg nicht, es unterstützt keinen Konflikt, das war von Anfang an klar“, zitierte die Agentur am Donnerstag etwa Henry Wang Huiyao, Gründer der in Peking ansässigen unabhängigen Denkfabrik Center for China and Globalization. Da dies ohnehin so sei, erwarte er keine Neupositionierung.

Nach außen aber folgten Chinas Diplomaten und Staatsmedien von Anfang an dem russischen Narrativ, wonach die USA und die Nato schuld seien an der Eskalation in der Ukraine. Die chinesischen Staatsmedien verbreiteten auch russische Propaganda und Fake News weiter. Doch sie haben am Wochenende nicht berichtet, was Putin in Samarkand zu Xi über den Krieg gesagt hat. Doch manche schrieben über die Worte des indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi zu Putin in Samarkand, wie Nikkei Asia feststellte: „Die heutige Zeit ist keine Zeit des Krieges.“ Damit hätten sie auf subtile Weise eine Änderung der diplomatischen Haltung Chinas signalisiert.

Die Hoffnung auf eine konstruktivere Rolle Chinas bekommt durch solche vermeintlichen Signale immer wieder neue Nahrung. Wenig beeindruckt zeigte sich allerdings am Mittwoch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in einem Interview mit Reuters. Chinas Zusammenarbeit mit Moskau seit Russlands Invasion in der Ukraine und die chinesischen Kommentare gegen die Nato-Erweiterung seien ein deutliches Zeichen, sagte Stoltenberg. Dies zeige, „wie wichtig es ist, dass die Nato-Verbündeten zusammenstehen und erkennen, dass China Teil der Sicherheitsherausforderungen ist, denen wir uns heute und in der Zukunft stellen müssen.“

China: Eigenes strategisches Interesse geht vor

Peking ordnet letztlich alles den eigenen strategischen Zielen unter. Und Xis wichtigstes Ziel sind der Aufstieg seines Landes zu den Großmächten dieser Welt und die Schaffung einer nicht vom Westen dominierten multipolaren Welt. Dieses Ziel eint Xi mit Putin, der immer offener seine Ablehnung des Westens zelebriert. „Für Xi ist es am wichtigsten, dass Putin nicht scheitert oder die Invasion verpfuscht – weil das China einen Kollateralschaden zufügen könnte, vor allem im wirtschaftlichen Bereich“, sagte Steve Tsang, Direktor des China Institute an der SOAS University of London zu Reuters.

Hoffnungen der Ukraine, China könnte aufgrund seines Einflusses als Vermittler agieren, haben sich daher längst zerschlagen. China wiederhole russische Propaganda und habe „überhaupt nichts getan“, um Putin zum Abzug seiner Truppen zu bewegen, sagte der ukrainische Parlamentsabgeordnete Oleksandr Merezhko kürzlich in einem Interview mit der US-Nachrichtenplattform Axios. „Es ist ein Verbündeter unseres Feindes.“ China sei „eine sehr zynische Macht, die sich um nichts schert, außer um ihre eigenen Interessen.“ 

Rückkehr der Diplomatie: Scholz und Macron bald nach China?

Seit Xi Jinping vergangene Woche mit seiner ersten Auslandsreise seit Anfang 2020 nach Zentralasien ein Ende seiner selbstgewählten Corona-Isolation und eine Rückkehr auf die Weltbühne signalisierte, besteht zumindest die Aussicht auf Diplomatie mit persönlichen Treffen und einer möglichen Antwort auf diese Fragen. Die Hongkonger South China Morning Post berichtete am Donnerstag unter Berufung auf ungenannte Quellen, das sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz als auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im November eine Reise nach Peking planen. Es gebe hinter den Kulissen entsprechende Vorbereitungen, so das Blatt. Offizielle Bestätigungen gibt es dafür allerdings nicht. Solche Gipfeltreffen werden in der Regel erst kurzfristig angekündigt, wenn das Protokoll fertig ausgearbeitet ist. (ck)

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