Sarrazin kritisiert SPD-Entscheidung zu Altkanzler Schröder: „Vollständig moralfrei“
17 SPD-Verbände scheitern damit, Altkanzler Schröder wegen seiner Nähe zum Kreml aus der Partei zu werfen.
Update vom Dienstag, 09. August, 08.30 Uhr: Der aus der SPD ausgeschlossene Autor Thilo Sarrazin hat die Entscheidung einer Partei-Schiedskommission zu Altkanzler Gerhard Schröder kritisiert. „Entweder die SPD ist vollständig moralfrei oder sie glaubt, dass ein islamkritisches Buch schlimmer zu bewerten ist als die Unterstützung für einen brutalen Diktator wie Putin“, sagte der frühere Politiker der Bild (Dienstag). In jedem Fall werde hier „mit zweierlei Maß gemessen.
Sarrazin war im Jahr 2020 aus der SPD ausgeschlossen worden, seinen Widerstand dagegen gab er wenig später auf. Auslöser waren mehrere von Sarrazins Büchern, darunter das 2018 erschienene „Feindliche Übernahme: Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“. Sarrazin selbst fand, er habe wissenschaftliche Sachbücher geschrieben.

SPD-Altkanzler Gerhard Schröder: Nicht gegen Parteiordnung verstoßen
+++ 15.45 Uhr: Nach der Entscheidung einer Schiedskommission (s. Update v. 14.00 Uhr) hat Niedersachsens SPD-Landeschef Stephan Weil seine Kritik an Altkanzler Gerhard Schröder untermauert. „Gerade von einer Persönlichkeit wie Gerhard Schröder wäre eine harte und klare Kritik an dem russischen Vorgehen zu erwarten gewesen“, sagte Weil in einer am Montag verbreiteten Mitteilung. „Umso bedauerlicher ist es, dass dies bis zum heutigen Tage nicht geschehen ist.“ Mit seiner Position zum Ukraine-Konflikt sei Schröder innerhalb der Sozialdemokratie komplett isoliert. Die rechtliche Einordnung der Kommission bezeichnete Weil als nachvollziehbar.
+++ 14.00 Uhr: Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder hat mit seinem Engagement für russische Staatskonzerne nicht gegen die Parteiordnung der SPD verstoßen. Ein Verstoß könne Schröder nicht nachgewiesen werden, entschied die Schiedskommission des SPD-Unterbezirks Region Hannover am Montag in erster Instanz. Gegen die Entscheidung kann binnen zwei Wochen Berufung eingelegt werden.

SPD: Schröder mit Nähe zu Kreml-Chef Wladimir Putin
Erstmeldung: Hannover – Die Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin hat für Aktkanzler Gerhard Schröder Konsequenzen. An diesem Montag will die SPD über ein Parteiordnungsverfahren entscheiden. Wann genau im Laufe des Tages, konnte der Geschäftsführer des SPD-Bezirks Hannover, Christoph Matterne, zunächst aber nicht sagen. Zuständig für das Parteiordnungsverfahren ist die Schiedskommission des SPD-Unterbezirks Region Hannover, weil Schröder Mitglied des dazu gehörenden Ortsvereins Oststadt-Zoo ist. Nach dem Unterbezirk sind bis zu zwei weitere Instanzen möglich: der SPD-Bezirk Hannover sowie die SPD-Bundesschiedskommission.
Schröder wird bei den Sozialdemokraten seit langem wegen seiner Nähe zu Kremlchef Wladimir Putin und zur russischen Öl- und Gaswirtschaft kritisiert. Auch nach der russischen Invasion in die Ukraine im Februar hat er sich nach Auffassung vieler SPD-Genossen nicht ausreichend von Russland distanziert. Gleich 17 regionale Parteivereine haben deshalb das Ordnungsverfahren gegen ihn beantragt; hinzu kamen weitere Anträge, die den formalen Vorgaben nicht entsprachen.

SPD: Ausschluss, Rüge oder zeitweiliges Ruhen der Mitgliedschaft
Die Schiedskommission in Hannover hatte im Verfahren Mitte Juli parteiöffentlich, aber unter Ausschluss der Medien verhandelt. Schröder selbst war dazu nicht erschienen und hatte auch keinen Anwalt geschickt. Gegen die Entscheidung der Schiedskommission des SPD-Unterbezirks Region Hannover kann binnen zwei Wochen Berufung eingelegt werden. Eine Parteistrafe oder gar ein Ausschluss bleiben wegen der rechtlichen Hürden schwierig. Sollte die Schiedskommission zu dem Schluss kommen, dass Schröder der Partei schweren Schaden zugefügt hat, wären auch eine Rüge oder ein zeitweiliges Ruhen der Mitgliedsrechte als Parteistrafen möglich.
SPD-Vorsitzende Esken: „Schröder handelt im eigenen Interesse“
Erst kürzlich hatte die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken Schröder für seine jüngsten Äußerungen über eine angebliche Verhandlungsbereitschaft von Russlands Präsident Wladimir Putin im Ukraine-Krieg scharf kritisiert. „Gerhard Schröder agiert nicht als Ex-Kanzler, sondern als Geschäftsmann, und so sollten wir seine Äußerungen auch interpretieren“, sagte Esken den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Mit allem, was er tut und sagt, handelt er im eigenen Interesse und in dem seiner Geschäftspartner“.
SPD: Internationale Kritik an Schröder
Ende Juli war der Altkanzler erneut zu Besuch bei Putin in Moskau und gab anschließend dem Magazin Stern sowie den Sendern RTL und ntv ein Interview, in dem er mit Blick auf den Ukraine-Krieg behauptete: „Die gute Nachricht heißt: Der Kreml will eine Verhandlungslösung.“ Diese und andere Äußerungen in dem Interview stießen in Deutschland parteiübergreifend, aber auch international auf massive Kritik. Esken sagte zu dem Parteiordnungsverfahren: „Es liegen zahlreiche Anträge dazu vor, und das Parteiordnungsverfahren läuft. Wie das ausgeht, hängt nicht von meiner Meinung ab, das ist eine juristische Frage“. Die SPD-Chefin selbst hatte Schröder bereits vor einigen Monaten den Parteiaustritt nahegelegt. (ep/dpa)