Putin und Xi: Das „alte Freunde“-Treffen wirkt inhalts- und euphorielos – aber sendet ein Signal an die Welt
Chinas Staatschef Xi Jinping und Wladimir Putin sind am Rande eines Gipfels zu ihrem mit Spannung erwarteten Treffen zusammengekommen.
Samarkand/München – Sie saßen einander gegenüber an einem elliptischen Holztisch, in sicherer Entfernung von ihren eigenen Delegationen mit Mund-Nasen-Schutz. Chinas Staatschef Xi Jinping und Russlands Präsident Wladimir Putin sind also tatsächlich zusammengekommen, das zeigte dieses Bild direkt nach Beginn des Treffens am Donnerstag. Ein Porträtfoto der beiden gab es erst Stunden später. Beide sehen darauf eher nachdenklich aus. Fotos von ihren vielen früheren Treffen wirkten euphorischer, es gab ein Lächeln, oder einen Händedruck.
Doch das wichtigste ist: Es gibt ein Foto, das das Zusammenstehen der beiden Präsidenten und ihre Länder demonstriert. Für Putin bedeutet das Bild ein Signal an die Welt, dass China weiter zu ihm hält und er nicht isoliert ist.Gleich zu Beginn des Treffens dankte Putin Xi für die Unterstützung aus Peking und die „ausgewogene Position unserer chinesischen Freunde“ in der Ukraine-Krise, wie ihn russische Nachrichtenagenturen zitierten. „Wir verstehen Ihre Fragen und Sorgen diesbezüglich“, sagte er zu Xi. „Und sind natürlich bereit, im Verlauf des heutigen Treffens unsere Position zu dieser Frage ausführlich darzustellen.“ Welche Fragen Xi gestellt haben mag?
Inhaltlich war aus Peking ein paar Stunden nach dem Treffen wenig zu hören. „China ist bereit, mit Russland zusammenzuarbeiten und sich gegenseitig in Fragen zu unterstützen, die ihre jeweiligen Kerninteressen betreffen“, zitierte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua Xi kurz nach dem Treffen.
Die US-Regierung kritisierte am Donnerstag die Begegnung. „Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt für ‚business as usual‘ mit Herrn Putin angesichts dessen, was er in der Ukraine tut“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby dem Sender CNN. „Die ganze Welt sollte sich gegen das, was Herr Putin tut, auflehnen.“ Kirby mahnte: „China hat eine Wahl zu treffen.“ Daraus spricht die Hoffnung, China könne sich eventuell doch neu orientieren oder eine Vermittlerrolle einnehmen.

Xi und Putin: Freundschaft
Doch das ist derzeit nicht in Sicht. Zeitgleich mit dem Treffen zwischen Xi und Putin teilte das russische Verteidigungsministerium am Donnerstag mit, dass die Seestreitkräfte beider Länder gemeinsame Patrouillen im Pazifik durchführen. Erst kürzlich hatte China an dem internationalen russischen Großmanöver „Wostok 2022“ teilgenommen. Beide Seiten halten zusammen, gemeinsam gegen den Westen, daran hat sich wohl nichts geändert. „China findet Russlands Krieg in der Ukraine in Ordnung, solange er Teil des Anti-West-Narrativs ist“, sagt Niva Yau, leitende Forscherin der Akademie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mit Sitz in Kirgisistan. Was Xi wirklich denkt über den Krieg in der Ukraine, bleibt sein Geheimnis.
Das Treffen der beiden „alten Freunde“, wie Xi es nannte, am Rande des Gipfeltreffens der Shanghaier Organisation zur Zusammenarbeit (Shanghai Cooperation Organisation/SCO) ist das erste seit Ausbruch des Ukraine-Krieges. Beide hatten sich zuletzt kurz vor der russischen Invasion getroffen, als Putin Anfang Februar zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele nach Peking gereist war. Dort proklamierten beide die „grenzenlose“ Freundschaft zwischen ihren beiden Ländern.
Xi und Putin gemeimsan gegen den Westen
Wieviel Xi damals von den Angriffsplänen wusste, ist bis heute unklar. Doch eins ist deutlich: Vor allem die gemeinsame Ablehnung der westlich dominierten Weltordnung eint die beiden ungleichen Partner. Beide, Putin und Xi, streben nach einer multipolaren Welt, in der ihr eigenes Land eine größere Rolle spielt als bisher. Beide sehen den Westen im Niedergang und den Osten im Aufstieg. Der für den morgigen Freitag angesetzte SCO-Gipfel der Shanghaier Organisation zur Zusammenarbeit (Shanghai Cooperation Organisation/SCO) bietet für dieses Streben nach einer Alternative die perfekte Bühne.
Die Staatenlenker der Mitgliedsländer – neben China, Russland und Gastgeber Usbekistan sind das Indien, Pakistan, Kasachstan, Kirgisistan und Turkmenistan – sind nach Samarkand gekommen und trafen sich am Donnerstag zunächst bilateral, wie Xi und Putin. Am morgigen Freitag findet das eigentliche Gipfeltreffen statt.
Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit: Ideale Bühne für Xi und Putin
Die im Westen wenig beachtete SCO ist ein 2001 von China initiiertes Sicherheitsbündnis, zu dem auch Russland, Indien, Pakistan, Kirgisistan, Tadschikistan and Uzbekistan gehören. Motivation zur Gründung der von Anfang an sicherheitspolitisch ausgerichteten Organisation war damals angesichts der Anschläge von Al-Kaida auf die USA vor allem die gemeinsame Angst dieser Staaten vor wachsendem islamistischen Terror. Heute vertritt die im Westen weithin unbekannte SCO aufgrund der Größe ihrer Mitglieder sagenhafte 40 Prozent der Weltbevölkerung – und ist damit die größte Regionalorganisation der Welt.
Die SCO war von Beginn an eine sicherheitspolitische Organisation — ist aber keine asiatische „Gegen-Nato“. Sie beinhaltet weder eine militärische Allianz noch einen Beistandspakt. Dennoch ist klar, dass es sich um eine Gruppierung von Staaten handelt, die mindestens in einer skeptischen Distanz zum Westen stehen. Das gilt auch für Indien, das zwar immer wieder als größte Demokratie der Welt gefeiert wird, aber außenpolitisch seit jeher blockfrei agiert. So trägt Indien nicht die Sanktionen des Westens gegen Russland mit, sondern bestellt vielmehr wegen eines saftigen Preisnachlasses fleißig russisches Öl.
China als führende Macht in der SCO
Beobachter sehen daher die Eindämmung des Einflusses der NATO und die Verhinderung so genannter „Farbrevolutionen“ gegen die Regierungen der Mitglieder als Ziele der Organisation, die offiziell vor allem Vertrauen und Zusammenarbeit der beteiligten Staaten stärken will. Das Modell scheint attraktiv. Immer mehr Länder sind an einer Aufnahme interessiert: Iran hat 2021 eine Vollmitgliedschaft beantragt und wird voraussichtlich am Freitag beitreten. Beobachterstatus haben zudem die Mongolei, Afghanistan und Belarus. Hinzu kommt ein halbes Dutzend Dialogpartner, darunter die Türkei.
China ist die führende Macht der SCO. Sie hat ihren Sitz in Peking; offizielle Sprachen sind Chinesisch und Russisch – auch nach dem Beitritt Indiens und Pakistans, in denen diese Sprachen niemand spricht. Was die SCO langfristig will, und wie einig sich ihre Mitglieder sind, ist offen. Doch es dürfte zunehmend wichtig sein, diese Organisation im Auge zu behalten.
China und Russland in der SCO: Nicht immer die gleichen Ziele
China und Russland etwa ziehen trotz ihrer zelebrierten Freundschaft keineswegs immer am gleichen Strang – das gilt besonders für Zentralasien. Beide sehen die Region als ihren Hinterhof; Russland beobachtet mit Argusaugen, wie China dort wirtschaftlich immer mehr Fuß fasst -- nicht zuletzt durch sein Infrastrukturprogramm „Neue Seidenstraße“. Dieses hatte Xi 2013 in Kasachstan ins Leben gerufen.
Umgekehrt will China keine russische Vormachtstellung in der Region. China wird es nicht dulden, dass Russland seine ‚Hegemonie in Eurasien‘ wieder aufleben lässt“, schreibt Niva Yau. „Das Angebot, die territoriale Integrität Kasachstans zu unterstützen, spiegelt genau dieses Denken wider.“ Xi hatte sich am Mittwoch in Kasachstan mit seinem Amtskollegen Kassym-Schomart Tokajew getroffen - und diesen Ort mit Sicherheit bewusst als erste Station seiner ersten Auslandsreise gewählt. In Kasachstan hatte Russland im Januar dabei geholfen Proteste gegen die Regierung niederzuschlagen. Das begrüßte Peking zwar. Doch mehr Einmischung durch Moskau würde man offenbar nicht goutieren.
China: „Pro-russische Neutralität“ Haltung im Ukraine-Krieg
So oder so wird China seine von Beobachtern gern „pro-russische Neutralität“ genannte Haltung im Ukraine-Krieg voraussichtlich fortsetzen: Verbale Unterstützung und mehr Handel ja – aber kein Unterlaufen westlicher Sanktionen, und keine militärische Unterstützung.
Am späten Abend Pekinger Ortszeit reicherte Xinhua ihre erste dürre Meldung zum Treffen Xis mit Putin noch ein wenig an: China sei bereit, die pragmatische Zusammenarbeit in Bereichen wie Handel, Landwirtschaft und Konnektivität zu vertiefen, zitierte die Agentur Xi. Auch sollten China und Russland laut Xi „ihre pragmatische Zusammenarbeit ausbauen, die Sicherheit und die Interessen der Region schützen und die gemeinsamen Interessen der Entwicklungs- und Schwellenländer wahren“. Xi forderte demnach beide Staaten auf, innerhalb der SCO und anderen multilateralen Foren gemeinsam „Solidarität und gegenseitiges Vertrauen“ vorantreiben. Für die Staaten des Westens sind das schwierige Aussichten. (ck)