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9-Euro-Ticket-Nachfolger fix: Wissings Modell ab 2023 sorgt für Länderkritik: „zu Potte kommen“

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Von: Andreas Schmid

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Nun also doch: Die Ampel plant eine Nachfolge für das 9-Euro-Ticket. Bis das vergünstigte Angebot in die Realität umgesetzt wird, dauert es aber noch bis 2023.

Berlin - Laut Olaf Scholz war das 9-Euro-Ticket „eine der besten Ideen, die wir je hatten“. Drei Monate lang konnten die Menschen in Deutschland für neun Euro pro Monat in Bus und Bahn steigen. „Eine tolle Sache“, wie der Kanzler befand. Seit 31. August ist das vergünstigte Angebot für den Regionalverkehr passé. Aus Kostengründen verlängerte die Bundesregierung das 9-Euro-Ticket nicht. Nun stellte das Verkehrsministerium allerdings ein Nachfolgemodell vor.

Einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket „wird es geben“, sagte FDP-Verkehrsminister Volker Wissing am Montag nach einer Sonder-Verkehrsministerkonferenz. Ab 1. Januar sollen die Menschen wieder vergünstigt reisen können. Allzu große Euphorie kommt jedoch nicht auf. Einmal mehr streiten Bund und Länder um die Finanzierung. Kritik gibt es am veranschlagten Preis von 49 Euro pro Monat.

9-Euro-Ticket-Nachfolge: Wissings „faires Angebot“ an die Bundesländer

Der Preis des 9-Euro-Tickets sei so günstig, „dass jeder ahnt, dass wir das nicht auf Dauer durchhalten können“, sagte Scholz schon im September. Ähnlich äußerte sich damals Wissing. Der Bund sei mit 1,5 Milliarden Euro in Vorleistung getreten, betonte der Verkehrsminister nun.

Volker Wissing (FDP, l), Bundesminister für Verkehr und Digitales, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), sprechen beim Jahresfest «Hamburg in Berlin» der Vertretung der Freien und Hansestadt Hamburg in Berlin miteinander.
Arbeiten derzeit an einem Nachfolgemodell fürs 9-Euro-Ticket: Verkehrsminister Volker Wissing (FDP, links) und Kanzler Olaf Scholz (SPD). © Christophe Gateau/dpa

Der Koalitionsausschuss hatte Anfang September angekündigt, sich mit 1,5 Milliarden Euro im Jahr an einem Nachfolgemodell für das 9-Euro-Ticket zu beteiligen – wenn die Länder ihrerseits mindestens dieselbe Summe zur Finanzierung beitragen. Aber tun sie das auch? Wissing gab sich gelassen und sprach von einem „fairen Angebot“.

ÖPNV: Was der Bund übernimmt

Der Bund zahlt den Ländern in diesem Jahr knapp 9,5 Milliarden Euro an Regionalisierungsmitteln für den ÖPNV. Im kommenden Jahr sollen es 9,75 Milliarden Euro sein, in den darauffolgenden Jahren dann schrittweise mehr, bis die Summe von 11,05 Milliarden Euro 2030 erreicht ist. Das Geld für ein Nachfolgeticket und die von den Ländern geforderten Zusatzmittel kämen obendrauf.

Streit um 9-Euro-Ticket-Nachfolge: „Müssen relativ schnell zu Potte kommen“

Bremens Verkehrsministerin Maike Schaefer (Grüne) sagte, alle Länder seien dazu bereit – geknüpft sei dies aber an eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel, die der Bund den Ländern jährlich für den Öffentlichen Personennahverkehr überweist. Hier fordern die Länder für dieses und für nächstes Jahr jeweils 1,65 Milliarden Euro zusätzlich. Sie begründen dies mit den Folgen der Corona-Krise und den aktuellen Belastungen durch die hohen Energiepreise.

Eine Arbeitsgruppe soll bis Mitte Oktober eine Lösung finden. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe müssen laut Schaefer mit Entscheidungsbefugnis ausgestattet sein, „also Minister oder Staatssekretäre, sodass wir relativ schnell zu Potte kommen“.

Maike Schaefer
Bremens grüne Senatorin Maike Schaefer ist derzeit Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz. Sie trägt die Belange der Landesverkehrsministerien an das Bundesressort. © Sina Schuldt/dpa/Archivbild

Günstiger ÖPNV: Streitfrage Preis – FDP-Mann sieht Gerechtigkeitsproblem

Ein konkreter Preis für das Ticket ist noch nicht beschlossen. Aller Voraussicht nach kostet das Nahverkehrsticket aber 49 Euro. Das sei das Ziel der Länder, betonte Bremen-Senatorin Schaefer. Die Grünen erarbeiteten jüngst ein Konzept für günstigen Nahverkehr. So soll es künftig zwei neue Monatstickets geben: ein Regionalticket für 29 Euro und ein Bundesticket für 49 Euro. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen schlägt ein bundesweites Ticket für 69 Euro vor.

Laut dem Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP, Stephan Thomae, hat das 9-Euro-Ticket den „lange vernachlässigten ÖPNV“ an seine Belastungsgrenzen gebracht und Defizite offenbart. Nun seien auch die Länder in der Pflicht, sagt Thomae Merkur.de. „Denn ansonsten müssten die Bürgerinnen und Bürger auf dem Land durch ihr Steuergeld den öffentlichen Nahverkehr der Ballungsräume mitfinanzieren, obwohl sie ihn gar nicht nutzen können und weiterhin auf das Auto angewiesen sind.“

Die Ampelpartner von SPD und Grünen schlugen zur Finanzierung derweil eine Übergewinnsteuer vor. SPD-Chef Lars Klingbeil erhöhte mit dieser Forderung Anfang September bereits den Druck auf die FDP. Die Liberalen lehnen ein solches Modell allerdings nach wie vor klar ab.

Stephan Thomae bei der Pressekonferenz zur Verfassungsbeschwerde der FDP
Stephan Thomae ist Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP. Bei der Bundestagswahl wurde der gebürtige Kemptener über die Landesliste Bayern in den Bundestag gewählt. © Frederic Kern/Imago Images

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) kritisierte, dass es noch immer nicht gelungen sei, sich auf ein Nachfolgemodell zu einigen, das Entlastung schaffe und das Klima schütze. Der vzbv fordert ein bundesweites 29-Euro-Ticket – mit Vergünstigungen für Menschen mit geringem Einkommen. Gleichzeitig müsse die Politik „mehr Geld für eine bessere Infrastruktur und mehr Angebote in die Hand nehmen“.

Ähnlich argumentierte Greenpeace: Der Bund zwinge die Länder, sich zwischen einem Klimaticket und dem nötigen Ausbau von Bus und Bahn zu entscheiden, dabei braucht die Verkehrswende beides, erklärte die Umweltschutzorganisation. Sie wirbt für ein 365-Euro-Jahresticket. (as/AFP)

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