Iran-Proteste: Offenbar weitere Frau getötet – Raisi droht mit „entschlossenem“ Handeln
Nach dem Tod der jungen Frau Mahsa Amini laufen im Iran weiterhin schwere Demonstrationen. Staatschef Raisi drohte nun mit „entschlossenem“ Handeln.
Teheran/München - Die Demonstrationen im Iran verschärfen sich. Nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini in den Händen der iranischen Polizei leisten Frauen Widerstand gegen die strengen Vorschriften der iranischen Regierung mit Blick auf Kleidung. Trotz einer Warnung der Justizbehörden sind erneut zahlreiche Demonstranten auf die Straße gegangen. Die Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHR) in Oslo veröffentlichte Bilder von Demonstranten in Teheran, die „Tod dem Diktator“ riefen.
Augenzeugen berichteten der Nachrichtenagentur AFP von Protesten in mehreren Ortschaften, unter anderem in Tabris und Schiras. Auch in der Stadt Karadsch kam es zu Ausschreitungen. Berichten zufolge wurde dort nun eine weitere junge Frau getötet. Der iranische Präsident Ebrahim Raisi gab indes an, „entschlossen“ gegen die Demonstrationen vorgehen zu wollen. Es handelt sich um die größten Demonstrationen seit 2019, als es um Spritpreise ging.
Iran-Proteste: 23-jährige Frau Hadis Najafi getötet – ihr Haar-Video war zum Symbol geworden
Während der Schock von Aminis Tod weiterhin tief sitzt, wurde jetzt offenbar eine weitere Frau bei Demonstrationen in der Stadt Karadsch im Westen von Teheran getötet. Die 23-jährige Hadis Nadjafi sei nach Polizeischüssen auf Demonstranten in ihrem Nacken und Gesicht getroffen worden und verstorben, berichtete der arabische Sender Al-Arabiya mit Sitz in Dubai unter Berufung auf iranische Aktivisten sowie den Journalisten Farzad Seifikaran.
Kurz vor Berichten zu ihrem Tod war ein Video von Najafi aufgetaucht, das sie zu einem der Symbol der Demonstrationen machte. Die Aufnahme zeigt, wie Najafi in aller Ruhe ihre Haare zusammenbindet und sich darauf vorbereitet, an den Protesten teilzunehmen. Im Iran ist es für Frauen verboten, ohne Kopftuch auf die Straße zu gehen.
Iran-Proteste: Raisi will „entschlossenes“ Handeln gegen Demonstranten – Teheran unzufrieden über westliche „Einmischung“
Inmitten der schweren Demonstrationen macht sich Unmut in der iranischen Führungsebene breit. Der iranische Präsident Raisi rief die Sicherheitsbehörden dazu auf, „entschlossen“ gegen die Demonstrationen vorzugehen. Die Proteste nannte er dabei „Krawalle“. Der Leiter der iranischen Justizbehörden, Gholamhossein Mohseni Edschei, kündigte am Sonntag (25. September) ebenfalls ein „entschlossenes Vorgehen ohne Nachsicht“ gegen die Verantwortlichen der „Unruhen“ an.
Unzufrieden ist der Iran auch über die westliche Unterstützung für die Demonstrationen. So kritisierte der iranische Außenminister Hossein Amirabdollahian die USA. Gegenüber der iranischen Zeitung Nour News warf sein Sprecher Nasser Kanani Washington vor, die iranische Souveränität verletzen zu wollen. Die Botschafter von Großbritannien und Norwegen wurden in das Außenministerium in Teheran einbestellt, um gegen „Einmischung“ und „feindliche Medienberichte“ zu protestieren, wie die Nachrichtenagentur Reuters mitteilte.
Iran-Proteste: EU schießt gegen iranische Regierung wegen Umgang mit Demos - „nicht zu rechtfertigen“
Auch die Botschaften der Europäischen Union dürften somit für Ärger in Teheran sorgen. Die EU verurteilte die gewaltsame Niederschlagung regimekritischer Demonstrationen. „Für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten ist der weit verbreitete und unverhältnismäßige Einsatz von Gewalt gegen gewaltlose Demonstranten nicht zu rechtfertigen und nicht hinnehmbar“, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell im Namen der 27 Mitgliedstaaten.
Zugleich drohte die EU vage mit möglichen Sanktionen gegen den Iran. Die EU werde vor dem nächsten Außenministertreffen „alle ihr zur Verfügung stehenden Optionen prüfen, um auf die Ermordung von Mahsa Amini und die Art und Weise, wie die iranischen Sicherheitskräfte auf die anschließenden Demonstrationen reagiert haben, zu reagieren“, hieß es. Die Menschen hätten das Recht auf friedlichen Protest. Man erwarte, dass der Iran die gewaltsame Niederschlagung der Proteste unverzüglich einstelle. Auch der Zugang zum Internet müsse gewährleistet werden.
Mahsa Amini: Junge Frau von iranischer Religionspolizei getötet - Tomografie bestätigt Verdacht
Seit der Islamischen Revolution im Jahre 1979 gestaltet sich das alltägliche Leben besonders für Frauen äußerst schwierig, vor allem wenn es um Kleidung geht. Die von der iranischen Regierung eingeführten strengen Vorschriften werden von der Religions- beziehungsweise Sittenpolizei kontrolliert. Mahsa Amini wurde das Opfer genau dieses Sicherheitsapparats. Am 16. September verstarb sie in Polizeigewahrsam, nachdem sie für „unmoralisches Verhalten“ verhaftet wurde. Heißt: Sie trug ihr Kopftuch nicht so, wie es vorgesehen ist.
Offizielle Quellen in Teheran führen ihren Tod auf einen Herzinfarkt und Schlaganfall zurück. Behauptungen von Polizeigewalt werden vehement abgelehnt. Passend dazu wurde eine Aufnahme veröffentlicht, die zeigen soll, wie die junge Frau im Polizeirevier scheinbar plötzlich kollabiert. Laut ihrer Familie hatte die 22-Jährige allerdings keinerlei bekannte Herzkrankheiten.
Die von der iranischen Regierung gelieferte Version wirft zudem kein Licht darauf, was vor dem kurzen Ausschnitt und unmittelbar nach der Verhaftung von Amini passiert ist. Eine Computertomografie der Verstorbenen hingegen bestätigt den Verdacht von Polizeigewalt. Laut der britischen Zeitung The Guardian wurde bei Amini ein Knochenbruch, eine Blutung und ein Hirnödem nachgewiesen. Der britische Sender BBC berichtete, die Polizei habe die junge Frau mit einem Schlagstock geschlagen und zudem ihren Kopf gegen einen Dienstwagen angehauen. (bb mit dpa)