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Zwischenfall direkt vor dem Festland: Taiwan schießt erstmals chinesische Drohne ab

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Von: Christiane Kühl

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Das taiwanische Eiland Shihyu vor dem Hintergrund des chinesischen Festlandes, gesehen durch Militärspieße zur Abwehr eines Angriffs
Im Hintergrund die Hochhäuser Festlandchinas: Nahe dem taiwanischen Inselchen Shihyu schoss das Militär erstmals eine chinesische Drohne ab. © Sam Yeh/afp

Taiwan hat erstmals eine chinesisches Flugobjekt in unmittelbarer Nähe einer eigenen Mini-Insel abgeschossen. Der Konflikt schaukelt sich weiter hoch.

Taipeh/München – Seit Wochen dringt China immer öfter in den Luftraum rund um Taiwan ein: mit Kampfjets, Hubschraubern – und zuletzt auch mit Drohnen. Am Donnerstag haben taiwanische Soldaten nun zum ersten Mal eine solche Drohne abgeschossen, nahe einer Mini-Insel direkt vor dem chinesischen Festland. Die „zivile Drohne unbekannter Herkunft“ war nach Angaben des Verteidigungsministeriums in die „Sperrzone“ des zur taiwanischen Inselgruppe Kinmen gehörenden Eilands Shihyu eingedrungen, das nur rund drei Kilometer vor der Küste liegt. Die auf Shihyu stationierten Soldaten hätten zuvor vergeblich versucht, die Drohne aus der Zone zu vertreiben, teilte das Militär mit. Vor dem Abschuss habe man zudem Warnungen abgegeben.

Taiwan ist alarmiert angesichts der immer zahlreicheren Provokationen Chinas. Erst am Mittwoch hatte das Militär in Taipeh mit nicht näher definierten „Gegenangriffen“ gedroht, sollten chinesische Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe in sein Hoheitsgebiet eindringen.

Taiwan: Militärische Außenposten direkt vor der Küste

Taiwan besitzt eine ganze Reihe kleiner Inseln, die in unmittelbarer Nähe des chinesischen Festlands liegen. Bewohner von Inseln wie Kinmen konnten genau beobachten, wie in den Städten entlang der Küste die Hochhäuser in den Himmel wuchsen – und bekommen Propagandaposter zu lesen, die mit riesigen Zeichen für die Wiedervereinigung werben. Diese Inseln wurden in den 1950er-Jahren von Chinas Artillerie beschossen und sind seither bis an die Zähne bewaffnet.

Nahe diesen Außenposten seines Militärs hatte Taiwan in den vergangenen zwei Wochen eine ganze Reihe von Zwischenfällen mit kleinen Drohnen gemeldet. Bereits am Dienstag hatten Soldaten erstmals Warnschüsse in Richtung einer Drohne abgefeuert. Taiwan geht bei diesen Drohnen offenbar von gezielten Nadelstichen oder Beobachtungsmissionen aus. Denn natürlich können auch zivile Drohnen Aufnahmen des Bodens machen – und diese an Chinas Militär weitergeben.

China mit gezielten Provokationen nahe Taiwan

Ebenfalls am Donnerstag entdeckte Taiwans Militär zudem 23 chinesische Kampfjets auf seiner Seite der Mittellinie zwischen der Insel und dem Festland. Auch das ist eine gezielte Provokation, wie sie seit dem Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi in Taipeh immer häufiger vorkommt. Am Montag waren es zwölf chinesische Kampfjets gewesen, am vergangenen Dienstag neun. Außerdem waren in der vergangenen Woche Dutzende von Flugzeugen und mehrere Kriegsschiffe in anderen Gewässern nahe Taiwan unterwegs.

Der Pelosi-Besuch hatte Anfang August schwere Spannungen zwischen China, Taiwan und den USA ausgelöst. Peking sieht das demokratisch regierte Taiwan als abtrünnige Provinz an und droht immer wieder mit einer gewaltsamen Eroberung der Insel. Es gesteht Taipeh keinerlei offizielle internationalen Beziehungen zu. Und so begann die Volksbefreiungsarmee direkt nach Pelosis Abflug mit groß angelegten Manövern rings um die Inselrepublik.

Die Manöver endeten nach einigen Tagen, die Nadelstiche blieben. Im August sichtete Taiwans Militär 446 chinesische Kampfjets in der eigenen Luftverteidigungszone (ADIZ) – so viele wie noch nie in einem Monat. Der bisherige Rekord lag bei 196 Überflügen im Oktober 2021. Erst im September 2020 hatte Taiwan überhaupt damit begonnen, Daten über Verletzungen seiner ADIZ zu veröffentlichen. Eine solche Zone ist deutlich größer als der eigentliche Luftraum. So reicht Taiwans ADIZ bis zum Festland. Doch auch wenn der Luftraum selbst nicht betroffen sein mag: Diese ADIZ-Verletzungen sind eine Bedrohung.

USA: China will an der Taiwanstraße den Status quo ändern

Die Militärmanöver Chinas rund um Taiwan stellen aus Sicht der USA einen Versuch Chinas dar, den Status quo in der Taiwanstraße dauerhaft zugunsten der Volksrepublik zu ändern. Durch das Überqueren der bislang meist respektierten Mittellinie mit Kampfjets, Kriegsschiffen oder Drohnen versuche China, „eine Art neue Normalität für ihre Aktivitäten und ihr Verhalten festzulegen“, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der US, John Kirby, am Mittwoch. „Wir haben öffentlich sehr deutlich gemacht, dass eine Änderung des Status quo inakzeptabel ist – und dass wir das nicht anerkennen werden.“

Ähnlich hatte sich im August Taiwans Außenminister Joseph Wu geäußert: „Wir müssen uns mit gleichgesinnten Partnern zusammentun, um sicherzustellen, dass die Mittellinie bestehen bleibt, um Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße zu sichern.“ Für Taiwan ist die unsichtbare Mittellinie im Meer ein wichtiger Puffer. Die Taiwanstraße ist im Schnitt etwa 180 Kilometer breit. Doch an ihrer schmalsten Stelle ist die Medianlinie nur etwa 40 Kilometer von Taiwans Gewässern entfernt. 

Taiwan nimmt die Bedrohung durch China daher durchaus ernst. Kürzlich beschloss die Regierung, das Verteidigungsbudget im kommenden Jahr um fast 14 Prozent auf umgerechnet 19 Milliarden Euro zu erhöhen. Ende August schickten die USA die beiden Kreuzer „USS Antietam“ und „USS Chancellorsville“ durch die Taiwanstraße.

Taiwan: Besucher aus dem Westen stehen Schlange - trotz der Drohungen aus Peking

Eine Isolierung Taiwans ist Peking mit seinen Drohungen und Militäraktionen allerdings nicht gelungen. Trotz der schwierigen Sicherheitslage reisen derzeit so viele Politiker aus anderen Staaten – wie den USA, Japan oder Litauen – nach Taiwan wie noch nie. Am Donnerstag empfing Taiwans Präsidentin Tsai Ing-Wen mit Arizonas Gouverneur Doug Ducey einmal mehr einen Gast aus den USA. Dabei kündigte Tsai an, die Zusammenarbeit mit den USA weiter ausbauen zu wollen. Isolation sieht anders aus. (ck/mit Material von AFP und dpa)

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