„Hart aber Fair“: Kabarettistin erntet heftige Kritik nach KZ-Vergleich

Frank Plasberg und seine Gäste diskutierten bei „Hart aber Fair“ über das Thema „Heimat Deutschland“. Kabarettistin Idil Baydar machte einen KZ-Vergleich und erntet dafür nun Kritik.
ARD-Talk „Hart aber Fair“: Vergleich sorgt für Wirbel
15.43 Uhr: Vor Beginn der „hart aber fair“-Folge am Montag diskutierten Twitter-User im Netz über die Titelfrage „Heimat Deutschland - nur für Deutsche oder offen für alle?“, nach der Ausstrahlung der Talkshow sorgte ein Vergleich der Kabarettistin Idil Baydar für Wirbel.
Als Bild-Vize-Chefredakteur Nikolaus Blome der Kabarettistin unterstellte, sie könne als Mensch mit türkischen Wurzeln bestimmte Entwicklungen in der Türkei besser erklären als Menschen, die keine türkischen Wurzeln haben, wurde Baydar wütend. „Ich habe eine deutsche Sozialisation hinter mir, warum setzen Sie voraus, dass ich eine Türkei-Expertin bin?“, fragte sie Blome. Baydar glaube, dass man in einer Multikulti-Gesellschaft mit dem Widerspruch leben müsse, dass Menschen eben nicht immer erklären könnten, wo ihre Eltern oder Großeltern herkommen würden.
Ihren KZ-Vergleich bei „Hart aber Fair“ finden Twitter-User unangebracht
„Ich frage Sie doch auch nicht: Wie war das damals, hat Ihre Großmutter im KZ auch den Schalter...?“, sagte die Kabarettistin zu Blome. Für diesen Vergleich haben einige Twitter-User die Kabarettistin kritisiert. „Ich mag Erdogan auch nicht. Aber diesen indirekten Hitler-Erdogan-Vergleich in Bezug auf den Holocaust finde ich trotzdem ausgesprochen unangebracht. Vorsichtig formuliert“, schreibt ein Twitter-Nutzer.
Auch der Moderator Frank Plasberg wird in diesem Zusammenhang kritisiert. „Warum lässt der Moderator diesen Schwachsinn zu“, fragt ein anderer Twitter-Nutzer.
„Hart aber Fair“ - Als der Name Mesut Özil fällt, muss Plasberg eingreifen
10.33 Uhr: Das Thema der gestrigen „hart aber fair“-Folge mit Frank Plasberg hat schon vor Beginn der Sendung bei Twitter für einen Shitstorm gesorgt. Ähnlich hitzig verlief dann auch die Diskussion über den Heimatbegriff. Vor allem die Kabarettistin Idil Baydar und der Vize-Chefredakteur der Bild-Zeitung, Nikolaus Blome, gerieten im ARD-Talk aneinander. Hubert Aiwanger, der ebenfalls ein Gast der Talkshow war, warnte vor einer Stigmatisierung des Begriffs Heimat. „Lasst doch die Leute ihre Heimat leben“, verlangte der Politiker.
Lesen Sie auch bei fr.de*: „Hart aber fair“: Unrühmlicher TV-Talk zum Thema Grüne
„Gilt das denn auch für die türkische Heimat?“, fragte Baydar kritisch nach. Dann brachte sie den Fall Mesut Özil ins Spiel und fragte, ob es denn auch in Ordnung sei, zwei Heimaten zu haben. Blome griff dieses Beispiel später auf: Özil könne sicherlich zwei Heimaten beziehungsweise zwei Wurzeln haben, aber er könne wahrscheinlich „nur ein Land haben“. Blome fände es spannend herauszufinden, ob es nicht zur Integration notwendig sei, sich zu entscheiden, zu welchem Land man gehören wolle, unabhängig von den Wurzeln, die man habe. Diese Frage versetzte Baydar in Rage. „Mesut Özil hat sich da ausreichend entschieden, er hat sich nämlich gegen die türkische Staatsbürgerschaft entschieden, um für Deutschland zu spielen“, stellte die Kabarettistin klar.
„Hart aber Fair“: Bei Mesut Özil-Beispiel platzt Kabarettistin Idil Baydar der Kragen
Dann legte sie nach: „Also das noch zu hinterfragen und dann noch so zu tun, als ob er nicht zu Deutschland gehört, weil er nun mal ein hässliches Bild gemacht hat mit jemandem, den ich auch nicht so toll finde - das finde ich nun aber wirklich die Spitze des Eisbergs an Frechheit“, attackierte sie Blome. Vom Publikum erntete sie dafür Applaus, Blome reagierte währenddessen kühl und beschwichtigend. „Wenn wir uns jetzt schon anfangen zu beschimpfen, dann führt das zu nichts“, erwiderte er. „Ich sag nur, wie ich das finde“, konterte Baydar. Darauf schoss Blome zurück: „Ich sag jetzt nicht, was ich empfinde.“
Schließlich griff Moderator Frank Plasberg ein. „Hat jemand was dagegen, wenn ich die Özil-Debatte sofort einbremse? Da gab es bereits ganze Sendungen dazu“, sagte er und zog damit die Notbremse.
„Hart aber Fair“ - Netz diskutiert Shitstorm-Frage: „Hat mich ganz schön in Rage gebracht“
Update vom 26. Februar 2019, 07.21 Uhr: Heimat ist kein abstrakter Begriff, sondern ein emotional aufgeladener. Und er hat Konjunktur, wie die Dokumentation „Heimatland - Oder die Frage, wer dazugehört“ am Montagabend im Ersten zeigte: Von Heimat ist seit dem Jahr 2000 deutlich häufiger die Rede als in den Jahrzehnten davor, Heimat wird in den Zeiten von Globalisierung und Migration für viele wieder wichtiger. „Wir dürfen den Begriff nicht den Rechten überlassen“, forderte Göring-Eckardt in der Talksendung „hart aber fair“ direkt im Anschluss an die Dokumentation.
Warum wird wieder mehr über Heimat geredet? Für den Soziologen Armin Nassehi hat das etwas damit zu tun, dass Heimat verschwinde und Zugehörigkeits- und Identitätsfragen deshalb mehr Bedeutung bekämen. Und Heimat hat eben auch mit Gefühlen zu tun, etwa dem, von den Menschen der eigenen Umgebung akzeptiert zu werden.
Ist das Neugier oder Diskriminierung, diese Frage zu stellen, wollte Moderator Plasberg wissen. „Man darf fragen, wo jemand herkommt“, betonte der Soziologe Prof. Armnin Nassehi. Aber niemand dürfe darauf reduziert werden. Oft sei es so, dass die Herkunftsfrage das einzige sei, was an einer Person interessiere. Ein Fall wie der von Dieter Bohlen, der in einer Show bei dem kleinen Mädchen im Vorschulalter, das einfach sagt, es sei aus Herne, offenbar wegen seines asiatischen Aussehens und Kleides mehrfach nachfragt, wo es denn herkomme, sei eine merkwürdige Geschichte.
Merkwürdig findet die im niedersächsischen Celle aufgewachsene Kabarettistin Idil Baydar, dass Migranten offenbar immer noch eine Bringschuld hätten, beweisen zu müssen, wie deutsch sie seien - auch in der zweiten, dritten oder vierten Generation. Und was sie besonders nervt: Nur weil ihre Eltern aus der Türkei stammten, immer gleich mit Staatschef Recep Tayyip Erdogan in Verbindung gebracht zu werden.
Provokante Fragestellung bei „Hart aber Fair“
Update vom 25. Februar 2019, 22.53 Uhr: Auch nach und während der Sendung war die provokative Fragestellung „Heimat Deutschland - nur für Deutsche oder offen für alle?“ sowie die Gäste-Auswahl Thema auf Twitter. Die deutsche Autorin und Radiomoderatorin Sophie Passmann ließ sich beispielsweise über die Einladung für Hubert Aiwanger aus: „Können wir in Zukunft einfach zugeben, dass uns das Thema ‚Heimat‘ komplett egal ist, wenn wir ernsthaft den stellvertretenden Ministerpräsidenten von Bayern dazu sprechen lassen?“
Einen anderen Twitter-Nutzer scheint die Diskussion ziemlich aufgebracht zu haben: „#Heimatland und #hartaberfair haben mich ganz schön in Rage gebracht. Werd jetzt was lesen, um runterzukommen. Dennoch gut, sich das Mal angetan zu haben. Verdeutlicht noch mehr, wie wichtig es ist, weiter für eine offene Gesellschaft zu kämpfen.“
Auf Twitter geht die Diskussion um Heimat und was dazu gehört, also emotional weiter. Viele verschiedene Meinungen zu dem Thema kursieren und die Frage wird äußerst kontrovers diskutiert. Und auch Moderator Frank Plasberg bekommt dort sein Fett weg. So schreibt ein Nutzer: „Fazit: Plasberg als Moderator eine Fehlbesetzung. Jedes Mal, wenn es ans Eingemachte ging, hat er die Diskussion abgewürgt, anstatt den Gästen zu helfen, ihre widerstreitenden Sichtweisen zu pointiert gegenüberzustellen.“
Schließlich ist auch das Verhältnis zwischen Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und Kathrin Göring-Eckardt (Grüne) ein Thema: „Mal eine andere Sache zu ‚hart aber fair‘: Kathrin Göring-Eckard und Hubert Aiwanger sind trotz Meinungsunterschied gut miteinander zurechtgekommen. Wäre eine (derzeit utopische) Koalition aus Grünen und Freien Wählern nicht interessant?“
Lesen Sie auch: Trumps „Woche der Wahrheit“: Kim-Treffen und Cohen-Anhörung setzen Präsidenten unter Druck
„Hart aber Fair“: Frage löst schon vor der Sendung einen Shitstorm aus
Unser ursprünglicher Artikel:
Berlin - „Heimat Deutschland - nur für Deutsche oder offen für alle?“ - über diese Frage will Frank Plasberg am Montagabend unter anderem mit der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Bayerns Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) diskutieren. Doch die Sendung hat noch nicht einmal angefangen, da melden sich schon zahlreiche Kritiker bei Twitter zu Wort.
Denn das Thema der Sendung trifft bei vielen Usern des sozialen Netzwerks offenbar einen wunden Punkt. Einige Twitter-Nutzer werfen der ARD populistische Sprache vor.
SPD-Politikerin Sawsan Chebli kritisierte ARD-Talk „Hart aber Fair“ ebenfalls
Auch SPD-Politikerin Sawsan Chebli befindet sich unter den Kritikern. „Diese Sprache ist (...) ein Grund dafür, dass Rechte denken, sie sind stärker“, wirft die 40-Jährige der ARD vor.
Auf der „Hart aber Fair“-Twitter-Seite hat sich der Sender mittlerweile zur Kritik am Titel der Sendung geäußert: „Dieser heißt nicht „Deutschland - nur für Deutsche oder offen für alle?“, schreibt die ARD. Vielmehr gehe es explizit um den Begriff und das Gefühl von Heimat. Der TV-Talk drehe sich etwa um die Frage, für wen hier Heimat sei: für alle, die hier leben oder nur für die, die von hier stammen. „Es geht nicht um die Frage offener oder geschlossener Grenzen“, betont der Sender. Um das Thema Grenzen, innereuropäisch wie außen, kam auch die Runde nicht herum, deren Thema eigentlich das Geschacher um den Posten des EU-Kommissionspräsidenten war.
Auch die Rechtfertigung der ARD ließ die Kritiker von „Hart aber Fair“ nicht verstummen
Doch auch dieser Versuch der Schadensbegrenzung konnte die meisten Twitter-User bisher kaum besänftigen. Die ARD habe die Situation stattdessen eher schlimmer gemacht, schreibt eine Twitter-Nutzerin in ihrem Kommentar.
Nach so viel negativen Zuschauerreaktionen sollten Plasberg und seine Talk-Gäste wohl besser ganz genau aufpassen, was sie am Montagabend bei „hart aber fair“ sagen. Denn mit dem Titel der Sendung begibt sich die ARD offensichtlich auf dünnes Eis. Wer die aktuelle „hart aber fair“-Folge ansehen will, kann dies heute Abend um 21 Uhr im Ersten tun.
„Hart aber Fair“ fiel vergangene Woche aus - das sorgte bereits für Enttäuschung
Auch in der vergangenen Woche verärgerte die ARD ihre „hart aber fair“-Zuschauer. Der Grund: Die Talkshow musste am 19. Februar ausfallen.
Lesen Sie auch: Brexit-Diskussion bei „hart aber fair“ - Von Storch attackiert Merkel, die Zuschauer sind genervt oder Anne Will muss im ARD-Talk Peinlichkeit zugeben oder Kommentar zum Brexit-Drama: Mays Not, Merkels Problem*
Lesen Sie auch: Sorge um Ministerpräsident: CDU-Politiker und Merkel-Vertrauter Bouffier an Hautkrebs erkrankt
Lesen Sie auch: Ex-Anwalt kündigt erschreckende Aussagen über Trump an
„Völlig übertrieben“: ARD-Chef Wilhelm spricht Klartext zum „Framing Manual“
„Bis es nur noch zwei Optionen gibt“: Brexit-Experte unterstellt May gravierende Fehler
Markus Lanz total überrascht: Verona Pooth plaudert über Nächte in Donald Trumps „Castle“
Krankenpfleger-Azubi mit radikaler Forderung: Markus Lanz ist fassungslos
*fr.de ist Teil der Ippen-Digital-Zentralredaktion