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Frankreichs Katar-Connection: Macron und Mbappé Hand in Hand - wie die Politik den Golf hofiert

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Von: Andreas Schmid

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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit Nationalspieler Kylian Mbappé.
Einflussreich: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit Nationalspieler Kylian Mbappé. © Anna Gowthorpe/imago (Montage)

Sarkozy, Hollande, Macron: Französische (Ex-)Präsidenten und gleichzeitig Katar-Liebhaber. Im Élysée-Palast sind die Verbindungen zum WM-Gastgeber eng.

Paris - Vergangenes Jahr nahm Emmanuel Macron an einer Youtube-Show teil. Der französische Präsident und zwei populäre Youtuber erzählten abwechselnde Anekdoten. Das Gegenüber musste entscheiden, ob sie wahr oder erfunden sind. Macron begann über den französischen Fußballer Kylian Mbappé zu sprechen. „Ich bin der, der sich um seine Karriere kümmert. Und so wird er Paris Saint-Germain verlassen und zu Olympique Marseille wechseln.“ Macrons Lieblingsklub.

Das war natürlich Kokolores, was auch als solcher entlarvt wurde. Rückblickend sind Macrons Aussagen dennoch interessant. Der jüngst wiedergewählte Präsident ist zwar nicht Mbappés Manager. Eine Mitsprache hat er aber tatsächlich. Das wurde zuletzt bei Mbappés viel beachteter Vertragsverlängerung deutlich. Eine Unterschrift, die als politisch bezeichnet werden kann – und die engen Verbindungen von Paris nach Doha einmal mehr offenlegte.

WM in Katar 2022: Mbappé verlängert bei PSG auch dank Macrons „guter Ratschläge“

Nach der aktuellen Saison wollte Mbappé Paris eigentlich in Richtung Real Madrid verlassen. Dank eines Multimillionen-Deals blieb der Superstar an Bord. Allein die Unterschrift soll mehr als 300 Millionen Euro Handgeld teuer gewesen sein. Hinzukommen 50 bis 100 Millionen Euro Jahresgehalt und die Mitsprache bei sämtlichen wichtigen Entscheidungen des Klubs.

Wie Mbappé im Gespräch mit mehreren Medien sagte, ließ er sich auch von Präsident Macron zu seiner Zukunft beraten. Dessen „gute Ratschläge“ schätze der Weltmeister von 2018. „Er gehört zu verschiedenen Personen, mit denen ich über Fußball rede“, sagte Mbappé über Macron. Der Präsident bestätigte das Gespräch: „Ich habe ihm geraten, in Frankreich zu bleiben.“

Kylian Mbappé
Kylian Mbappes (r) Vertrag bei PSG wurde zu deutlich erhöhten Bezügen verlängert. Links neben dem Offensivmann steht der katarische Geschäftsmann Nasser Al-Khelaifi. PSG-Präsident und der mächtigste Mann im Fußballbusiness. © Michel Spingler/dpa

Frankreich und Katar: Die Mbappé-Verlängerung ist hochpolitisch

Kylian Mbappé ist das Gesicht der französischen Nationalmannschaft. Ein Unterschiedsspieler, dessen Wahl zum Weltfußballer nur noch eine Frage der Zeit ist. So einen sieht man freilich gerne in Frankreich Fußball spielen. Auch im Élysée-Palast. Und im 5000 Kilometer von Paris entfernten Doha, dem Sitz von Paris Saint-Germains Investorengruppe Qatar Sports Investments.

Mbappés Marktwert wird auf 160 Millionen Euro geschätzt. Für Katar hat der Ausnahmekicker jedoch einen kaum messbaren Wert. Im WM-Jahr 2022 wäre es blamabel für den Ausrichter gewesen, wenn ihr sportliches Aushängeschild den mit katarischem Geld vollgepumpten Klub verlassen hätte. Zudem wäre dann das gesamte Projekt PSG infrage gestellt worden. Dass es der Klub auch diesmal verpasste, die Champions League zu holen, ließe sich dann freilich schlechter kaschieren. Und die Chancen auf einen künftigen Coup schwinden.

Frankreich und Katar: Strippenzieher Sarkozy als Wegbereiter der engen Verflechtungen

Seit 2011 investiert Katar in Paris-Saint Germain. Das Engagement wird gerne mit der potenziellen Strahlkraft des Metropolklubs begründet – liegt aber vielmehr auch an den engen Verbindungen Katars in die französische Politik. Diese pflegt das Wüstenemirat seit Jahren. Einer von Macrons Vorgängern agiert dabei als Strippenzieher: Nicolas Sarkozy. Sein erster Staatsgast als französischer Präsident war der Emir von Katar. Das war 2007, als das kleine Katar noch keine große Beachtung erhielt. Das änderte sich wiederum 2010 mit der WM-Vergabe, bei der Frankreich eine entscheidende Rolle gespielt haben soll.

Am 23. November 2010, kurz vor der Entscheidung der Fifa, kam es zu einem ominösen Treffen im Élysée-Palast, über dessen Inhalt Sarkozy bis heute schweigt. Mit dabei: Sarkozy, Katars Emir Hamad bin Chalifa Al Thani und der damalige Uefa-Präsident Michel Platini, der für die WM-Vergabe stimmberechtigt war. „Was genau bei diesem Treffen besprochen wurde, wurde nie öffentlich gemacht“, erklärt der Autor Mathias Liegmal gegenüber Merkur.de von IPPEN.MEDIA. „Es dürfte aber sicherlich kein Zufall sein, dass Platini nur wenige Tage später für Katar als Austragungsort gestimmt hat und dass PSG 2012 von der staatlichen Intestorengruppe Qatar Sports Investments gekauft wurde.“

PSG und WM: „Massive Verstrickung zwischen französischem und katarischem Kapital“

Dass Sarkozy großes Interesse an einer WM-Vergabe nach Katar hatte, deutete Platini Jahre später zumindest indirekt an. In einer TV-Dokumentation sagte der Funktionär: „Ich konnte mir damals natürlich vorstellen, dass Frankreich froh wäre, wenn ich für Katar stimme, aber niemand hat das von mir verlangt.“ Sarkozy habe es ihm aber „zu verstehen gegeben“. Der einstige Fifa-Präsident Sepp Blatter wurde etwas konkreter und meinte: „Katar hat aufgrund höchster politischer Interventionen von französischer Seite gewonnen. Das weiß man, das ist bewiesen.“ Laut Fifa-Statuten ist übrigens „jede Form von politischer Einflussnahme“ untersagt.

Mit am Tisch saß auch Sebastian Bazin. Er war Europa-Repräsentant der US-Investmentfirma Colony Capital, die vor Katar die Mehrheit der Anteile bei PSG innehatte – und sie an die Qatar Sports Investments verkaufte. „Begünstigt wurde die Übernahme durch die massive Verstrickung zwischen französischem und katarischem Kapital“, schreibt der Autor Glenn Jäger in seinem katarkritischen Buch In den Sand gesetzt. „Erst dadurch wurde der Fall zur Chefsache im Èlysée.“

Frankreich und Katar: Wie Sarkozy das Emirat hofierte

Sarkozy, privat Fan von PSG, war einer der ersten westlichen Politiker, der offen Nähe zu Katar suchte. „Er ist ganz klar der Wegbereiter dieser immer enger werdenden Zusammenarbeit“, bilanziert Liegmal. „Schon in seiner Zeit als Innenminister hatte er erste Verbindungen zum katarischen Emirat geknüpft.“ 2007 wurde er Präsident. Ein Jahr später beschloss er ein Gesetz, durch das katarische Investitionen in Frankreich von Steuern befreit wurden. Diese Beziehung ist allerdings keine Einbahnstraße. Denn Sarkozy konnte durch seine katarfreundliche Politik einige lukrative Deals für französische Großkonzerne abschließen, die unter seinem Nachfolger François Hollande weiter gepflegt und in der Amtszeit Emmanuel Macrons ausgebaut wurden.

Katar: Diese französischen Unternehmen profitieren besonders

In Katar mischen etliche französische Unternehmen mit. Etwa die Energiekonzerne Engie und Veolia, die für die Wasseraufbereitung zuständig sind. Der Baukonzern Vinci, der die erste katarische U-Bahn-Linie bauen durfte. Diverse Fünf-Sterne-Hotels wie das Hotel du Louvre in Paris oder das Carlton in Cannes, in denen die katarischen Scheichs gerne selbst übernachten. Der Medienkonzern Lagardère, an dem der katarische Staatsfonds, die Qatar Holding, beteiligt ist. Das Luxusunternehmen LVMH (unter anderem Louis Vitton), dessen Mehrheitseigner Frankreichs reichster Mann und obendrein Sarkozys Trauzeuge, Bernard Arnault, ist.

Oder die Rüstungsfirma Dassault Aviation Group, die durch Waffenexporte nach Katar ihren Umsatz um bis zu 70 Prozent jährlich steigern konnte. Kein Einzelfall, wie Liegmal schildert. „Katar hat 2015 insgesamt 24 Kampfjets des Typs Dassault Rafale gekauft. Nachdem Macron das Land 2017 besucht hatte, wurden weitere Dassault-Lieferungen vertraglich beschlossen, aber auch der Kauf von Panzern des französischen Produzenten Nexter vereinbart.“

Mbappé-Verlängerung: Bei Macrons Einsatz geht es „vor allem um Symbolik“

Zurück zu Macron und dessen Einfluss auf die Mbappé-Verlängerung. Hat sich hier die Politik in die Geschicke eines Fußballklubs eingemischt? Ein gutes Wort eingelegt bei Freunden? Liegmal meint gegenüber Merkur.de von IPPEN.MEDIA, Macrons Ziel als französisches Staatsoberhaupt sei „natürlich, den aktuell wertvollsten Spieler der Welt in Frankreich zu halten.“ Ziel erfüllt. „Es geht vor allem um Symbolik.“ Einerseits sei Paris als „derzeit attraktivster Fußballstandort“ bestätigt worden. Andererseits spielten auch Zusatzvereinbarungen eine Rolle.

Liegmal spricht von einer mutmaßlichen Vereinbarung, dass Mbappé 2024 an den Olympischen Spielen teilnehmen wird. Eigentlich ein Turnier für Unter-23-Jährige. Drei Ältere sind aber erlaubt. Mbappe, der im selben Sommer auch eine EM spielen soll, wäre beim Turnier 25 Jahre alt. Dass es überhaupt Diskussionen um eine Olympia-Teilnahme gibt, „sollte man vor allem in Hinblick auf die Außenwirkung betrachten“ meint Liegmal. „Die Olympischen Spiele finden in Paris statt. Also klar, natürlich mischt sich Macron hier in den Sport ein und tut dies vor allem aus politischen Motiven.“

Dabei agiere Macron jedoch keinesfalls als Einzelbeispiel. „Vor ihm hatte beispielsweise schon auch Jacques Chirac die Nähe zur französischen Nationalmannschaft gesucht“, sagt der Autor, dessen Buch Zwischen Macron und Mbappé: Eine Kulturgeschichte des französischen Fußballs im September erscheint. Liegmal nennt auch andere politische Akteure wie Wladimir Putin, Silvio Berlusconi oder Angela Merkel, die sich gerne nah an der DFB-Elf zeigte. „Besonders in jüngster Vergangenheit ist immer deutlicher geworden, dass der moderne Fußball und die Politik mittlerweile extrem engmaschig miteinander verwoben sind.“

„Macron spielt dieses Spiel also lediglich als einer von vielen mit.“ Einer von vielen französischen Präsidenten und einer von vielen politischen Playern generell. „Natürlich nimmt Macron dabei stets in Kauf, als Nebeneffekt auch Katar in die Karten zu spielen. Auf wirtschaftlicher Ebene arbeitet er ja ohnehin schon eng mit dem Emirat zusammen.“ Er und Frankreich werden es wohl auch weiter tun. (as)

Inside Katar

Dieser Text ist Teil der Reihe „Inside Katar“. Bis zur Fußball-WM im Winter wollen wir Ihnen regelmäßig Hintergrundberichte über die (sport)politische Lage in Katar geben - und dabei unterschiedliche Themenfelder betrachten. Falls Sie Anregungen, Themenvorschläge oder Kritik haben, melden Sie sich gerne unter andreas.schmid@redaktion.ippen.media.

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