Chinas Staatschef Xi Jinping zurück auf der Weltbühne – gibt es am Donnerstag Treffen mit Putin?

Chinas Staatschef Xi Jinping ist in Usbekistan eingetroffen – und damit erstmals seit 2020 wieder im Ausland. Am Donnerstag wird er dort voraussichtlich Wladimir Putin treffen.
Nur-Sultan/Samarkand/München – Xi Jinping mit weißem Mund-Nasen-Schutz vor einem Flugzeug, umringt von Fotografen, neben ihm Kassym-Schomart Tokajew, sein Mandarin sprechender Amtskollege aus Kasachstan: Es ist das erste Mal seit Anfang 2020, dass es solche Bilder von Chinas Staats- und Parteichef gibt – und es ist das Ende seiner selbstgewählten Corona-Isolation. Vor kurzem hatten Beobachter noch spekuliert, dass Xis erste Auslandsreise ihn nach Saudi-Arabien führen würde. Stattdessen ist Xi nun nach Zentralasien gereist, zunächst in die kasachische Hauptstadt Nur-Sultan.
Und diese Reise hat es in sich, denn Xi wird auf seinem zweiten Stopp in Usbekistan voraussichtlich unter anderem Russlands Präsidenten Wladimir Putin treffen. Am Abend Ortszeit ist er bereits im usbekischen Samarkand gelandet. Putin wird dort erst am Donnerstag erwartet.
Doch zunächst zurück nach Nur-Sultan, der Hauptstadt Kasachstans. Dort unterzeichneten die beiden Staatsoberhäupter eine Reihe von Abkommen, bei denen es sich nach Vorab-Angaben der kasachischen Botschaft in Peking ein Konzept für die Entwicklung der Beziehungen in den nächsten 30 Jahren gehöre, sowie ein Abkommen über die Zusammenarbeit in Wirtschaft und Handel handelt. Auch besprachen Xi und Tokajew laut dem kasachischen Außenministerium die Energiemärkte und die weltweiten wirtschaftlichen Turbulenzen. Auf der Pressekonferenz der beiden folgten wohlwollende Statements über die Zusammenarbeit.
Xi Jinping zurück auf der Weltbühne: Geopolitische Pläne und innenpolitische Stärke
Doch vor allem meldet sich Xi Jinping mit seiner Reise zurück auf der Weltbühne, und das in einer Region, die sowohl der Hinterhof Chinas als auch Russlands ist. Beide, Moskau und Peking, profilieren sich dort, bieten wirtschaftliche Kooperation an, von der Investition bis zum Rohstoffkauf, teils auch in Konkurrenz zueinander. Zentralasien ist jedenfalls ein Ort, der geeignet ist für Xis Ziel, eine alternative, nicht vom Westen dominierte Weltordnung zu schaffen. Die Staaten der Region haben weit engere Beziehungen zu China und Russland als zu Europa oder zu den USA.
Ab Donnerstag wird Xi in Usbekistan dem Gipfel der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) beiwohnen – einer im Westen praktisch unbekannten sicherheitspolitischen Gruppierung, die aber beinahe 40 Prozent der Weltbevölkerung umfasst. Denn der SCO gehören neben China und einigen zentralasiatischen Staaten auch Indien, Russland und Pakistan mit ihren riesigen Bevölkerungen an. Am Rande des SCO-Gipfels in Samarkand soll das Treffen von Xi und Putin stattfinden. Moskau hat es bestätigt, Peking bislang allerdings nicht.
Und noch etwas will Chinas Präsident offenbar demonstrieren: „Die Tatsache, dass Xi jetzt, nur wenige Wochen vor einem entscheidenden Parteitag der KPCh, ins Ausland reist, ist ein Zeichen dafür, dass er selbstbewusst genug ist, China zu verlassen“, sagt Helena Legarda, Lead Analyst vom Merics-Institut für Chinastudien in Berlin. Auf dem nur alle fünf Jahre stattfindenden Großereignis steht ab dem 16. Oktober ein umfassender Generationswechsel der Parteispitze bevor. Normalerweise verlässt ein Parteichef so kurz vor diesem sensiblen Termin niemals China – zumal Xi dort eine historische Amtszeitverlängerung anstrebt, obwohl er mit 69 Jahren eigentlich bereits das Rentenalter erreicht hat. Die Reise zeige, „dass Xi glaubt, Dinge wie die Nachfolgefrage und seine angestrebte dritte Amtszeit im Griff zu haben“, so Legarda zum Münchner Merkur von Ippen.Media.
Xi Jinping in Kasachstan: Große Bedeutung als Rohstofflieferant
Xis Entscheidung für Kasachstan als ersten Auslandsstopp verdeutlicht derweil – auch wenn er nur ein paar Stunden dort war – die große Bedeutung dieses riesigen, aber dünn besieldelten Staates für China. Kasachstan ist ein wichtiger Lieferant von Öl und Gas an die Volksrepublik. Auch deshalb hatte Xi 2013 ausgerechnet dort mit einer monumentalen Rede den Startschuss für das Megaprojekt „Neue Seidenstraße“ gegeben – an der Nasarbajew-Universität in der damals noch Astana heißenden Hauptstadt. Seither ist das Programm rasant gewachsen; inzwischen haben nach Angaben chinesischer Staatsmedien 149 Länder und 32 internationale Organisationen im Rahmen der „Neuen Seidenstraße“ Kooperationsprojekte unterschrieben. Im Westen betrachten viele Staaten das Megaprojekt allerdings mit einem gewissen Argwohn.
In einem Gastbeitrag für die Zeitung Kasachstanskaja Prawda hatte Xi geschrieben, China und Kasachstan seien bereit, die politische und sicherheitspolitische Zusammenarbeit zu verstärken und neue Bereiche des Wirtschaftswachstums, wie künstliche Intelligenz und digitale Finanzen, zu entwickeln.
China und Kasachstan: Keine unangenehmen Themen
Kasachstan teilt eine über 1.700 km lange Grenze mit Chinas muslimisch geprägter Region Xinjiang, in die auch eine Ölpipeline führt. Xinjiang ist auch für Astana ein schwieriges Thema, denn Peking ließ dort bis zu eine Million Uiguren in Umerziehungslagern internieren, die ebenso wie die Kasachen zu den muslimischen Turkvölkern gehören. Auch rund 1,5 Millionen Kasachen leben in Xinjiang; manche von ihnen saßen Berichten zufolge ebenfalls in den Umerziehungslagern oder sind über die Grenze nach Kasachstan geflohen. In Kasachstan gibt es zudem gelegentlich antichinesische Stimmungen, unter anderem wegen Chinas wachsendem wirtschaftlichen Einfluss in der Region. Zunächst wurde aber nichts darüber bekannt, dass zwischen Xi und Tokajew auch solch heikle Themen angesprochen wurden.
Kasachstan ist für Xi bereits wieder Geschichte. Nun richten sich alle Augen auf Usbekistan und die Frage: Wie geht es weiter mit der „unverbrüchlichen Freundschaft“ zwischen Russland und China?