Chinas ewiger Staatschef Xi Jinping: Der mächtigste Mann der Welt – als Mensch bleibt er unergründlich

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping erhielt am Freitag seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Er gehört zu den Mächtigsten der Welt – doch die Person Xi gibt Rätsel auf.
Peking/München – Chinas starker Mann ist auch in Zukunft Xi Jinping. Der Nationale Volkskongress ernannte Xi wie erwartet einstimmig für eine historische dritte Amtszeit als Staatspräsident. Damit ist der 69-Jährige am Ziel. Schon 2018 ließ er eigens für diese dritte Amtszeit die Verfassung ändern. Und bereits im Oktober 2022 hatte er sich auf dem Parteitag zum dritten Mal als Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) bestätigen lassen.
Viele sehen Xi Jinping nun als den mächtigsten Mann der Welt. Zwar ist China als Staat weiterhin die Nummer zwei hinter den USA. Doch Xi besitzt eine Machtfülle, mit der sein US-Counterpart Joe Biden bei weitem nicht mithalten kann. Während Biden sich derzeit mit einem teils von oppositionellen Republikanern dominierten Kongress herumschlagen muss, nickt der Volkskongress in China sämtliche Entwürfe und Personalien brav ab.
Doch wer ist Xi Jinping? Als Person bleibt er rätselhaft. „Xi selbst scheint Macht an sich darzustellen. Sie strahlt von ihm aus, fast wie eine physische Kraft“, schreibt Kerry Brown in seinem neuen Buch Xi Jinping. A study of Power, einem der wenigen Bücher über Xi. Er rede wie ein Mann mit unendlichem Selbstvertrauen, so Brown, Direktor des Lau China Institute am King’s College in London und ausgewiesener Xi-Experte.
Xi Jinping: Der Machtpolitiker
Xi Jinping ist nun seit gut zehn Jahren in Personalunion Generalsekretär der Kommunistischen Partei, Präsident des Landes und Chef der Streitkräfte. Das waren seine Vorgänger auch. Doch Xi ist anders. Er räumte interne Konkurrenten zur Seite, teilweise im Rahmen seiner sofort nach Amtsantritt gestarteten Kampagne gegen die endemische Korruption. Er herrscht durch ein Geflecht von Kommissionen in der Partei – denen er zumeist selbst vorsitzt und die den Staatsapparat kontrollieren. Effizienzgewinne bei manchen konkreten Politikfragen soll es durch diese für Außenstehende undurchdringliche Struktur durchaus geben. Doch vor allem zementiert sie Xis Kontrolle über viele Politikbereiche. „Die Beweise für sein Kontrollbedürfnis sind allgegenwärtig und manchmal schockierend detailliert“, so Brown.
„Xi unterscheidet sich in Bezug auf seine Durchsetzungsfähigkeit radikal von seinen Vorgängern“, sagte auch der frühere australische Premierminister und künftige Botschafter seines Landes in den USA, Kevin Rudd, bei der Vorstellung seines Buches The Avoidable War zum US-China-Konflikt. Die Vorgänger Jiang Zemin oder Hu Jintao waren stets Teil eines Führungskollektivs. Xi jedoch beansprucht die Führung für sich allein, so wie einst Chinas Revolutionsführer Mao Zedong.
Wie Xi Jinping die Karriereleiter emporstieg
Doch wie kam Xi Jinping dorthin an die Spitze der Macht? Anders als seine Meinungen und Gedanken sind die Eckpunkte seines Lebens bekannt. Sein Vater Xi Zhongxun gehörte zu den Revolutionären der ersten Stunde. Er stieg hoch auf in Maos China – und stürzte in den Wirren der Kulturrevolution in Ungnade, wurde gefoltert und eingesperrt. Xi Jinpings Schwester nahm sich damals das Leben. Er selbst wurde 1969 mit 15 Jahren aufs Land geschickt, wie damals viele Jugendliche. Sie sollten lernen, mit den Händen zu arbeiten – und taten das meist unter ärmlichsten Umständen. Sieben Jahre lebte er in dem Dorf Liangjiahe im Nordwesten, teilweise in einer Wohnhöhle, der traditionellen Unterkunft einfacher Bauern in der Region. Doch anstatt die Kommunisten zu hassen, bewarb der junge Xi sich immer wieder um die Aufnahme in die Partei. Solange, bis es klappte.
Wie sehr ihn der Horror jener Jahre geprägt hat, ist unbekannt. Seine Parteikarriere begann Xi Jinping jedenfalls noch auf dem Land, 1974 als Funktionär in Liangjiahe. Von 1975 bis 1979 studierte er Chemieingenieurwesen an der renommierten Pekinger Tsinghua-Universität. In dieser Zeit wurde der ältere Xi rehabilitiert: Xi Zhongxun baute im Auftrag von Reformer Deng Xiaoping Chinas erste Wirtschaftssonderzone Shenzhen auf, die mit Außenhandel und internationalen Investitionen experimentierte und heute zur Hightech-Metropole aufgestiegen ist. Für Xi Junior ging es ebenfalls bergauf, über verschiedene Posten entlang der nun boomenden Ostküste.
Xi Jinping: Kein unvermeidlicher Aufstieg zur Macht
Warum aber gerade er? „Es gab keine Unvermeidlichkeit für seinen Aufstieg zur Macht“, schreibt Kerry Brown über Xi. „Aber es muss in den undurchsichtigen Maschinerien der Partei, hinter der Fassade, irgendetwas gegeben haben, das ihn von den vielen anderen Mitbewerbern in der hart umkämpften und rücksichtslosen Welt der chinesischen politischen Elite unterschied.“ In den 1990-er Jahren agierte Xi weitgehend unauffällig und galt als vorsichtig und kontrolliert. 1999 begann der wirkliche Aufstieg: Gouverneur der Provinz Fujian, Parteichef der für ihre erfolgreiche Privatwirtschaft bekannte Nachbarprovinz Zhejiang und schließlich 2007 Parteichef von Shanghai (die Parteichefs in China rangieren stets über den Gouverneuren).
Erst zu dieser Zeit wurde klar, dass Xi Jinping auch für noch höhere Weihen infrage kam. Durch welche Prozesse vor dem KP-Parteitag 2012 die finale Wahl tatsächlich auf den damals 59-jährigen Xi als künftigen Chef fiel, sei bis heute „geheimnisumwittert“, schreibt Brown.
2012 wurde Xi also erstmals Parteichef – und begann sofort seine Machtbasis auszubauen. Schnell schob er den ungeliebten Ministerpräsidenten Li Keqiang beiseite – einen Protegé seines Vorgängers, der Xi wohl immer auch einen Hauch zu liberal war – und kümmerte sich selbst um dessen Portfolio, die Wirtschaft. Auf dem Parteitag im Oktober 2022 drängte er Li Keqiang aufs Altenteil. Im Ständigen Ausschuss des Politbüros der KP, Chinas Machtzentrale, sitzen seither ausschließlich Politiker, die Xi loyal ergeben sind. Einer von ihnen, Li Qiang, wird am Samstag voraussichtlich neuer Ministerpräsident.
Xis Politik: Sicherheit, Kontrolle und Konflikte mit den USA
Zu den von Xi angeschobenen politischen Maßnahmen gehören eine relativ erfolgreiche Armutsbekämpfung, eine hart geführte Kampagne gegen Korruption, mehr Kontrolle über Provinzen, Unternehmen und Gesellschaft, die verstörenden Umerziehungslager für muslimische Uiguren in Xinjiang – sowie die erst im Dezember abgeschaffte Null-Covid-Politik. Er zeigt sich eher rot als pragmatisch. „Ideologie übertrumpft Wirtschaft“ betitelte die EU-Handelskammer in Peking 2022 ihr Positionspapier zur Lage. Sein Vorgehen gegen die Meinungsfreiheit, das Einhegen des Unternehmertums und die Null-Covid-Politik drohen das Wachstum abzuwürgen. Sein Ziel ist die „große Verjüngung“ Chinas bis 2049, zum 100. Jubiläum der Volksrepublik. Dann soll China Weltmacht sein, auf Augenhöhe mit den USA.
Konkurrenz und Konflikt mit den USA scheinen China unter Xi immer stärker zu dominieren. „Die westlichen Länder, allen voran die Vereinigten Staaten, haben eine umfassende Eindämmung und Unterdrückung Chinas betrieben, was die Entwicklung des Landes vor nie dagewesene Herausforderungen gestellt hat“, sagte Xi Jinping auf dem Volkskongress. Dabei hat er die US-Unterstützung Taiwans ebenso im Blick wie das US-Exportverbot für hochmoderne Mikrochips nach China oder die Blockade mehrerer Tech-Firmen seines Landes in den USA. Mit angestoßen hatte den Streit Ex-US-Präsident Donald Trump, der den Handelskrieg mit China vom Zaun brach. Die Besessenheit mit dem US-Konflikt soll nun die treibende Kraft hinter Chinas „grenzenloser Freundschaft“ zu Russland sein.
Doch niemand weiß, was Xi wirklich denkt. Nie gibt er Interviews, und er lebt wie alle Granden der Kommunistischen Partei Chinas im abgeschirmten Komplex Zhongnanhai neben dem alten Kaiserpalast im Herzen Pekings. Und das nun noch bis mindestens 2028.