Update vom 22. Dezember, 16.54 Uhr: Beide Seiten bewegten sich „in Zeitlupe“ aufeinander zu - Spekulationen über einen nahen Durchbruch (siehe vorheriges Update) seien aber verfrüht. Das berichtet die Nachrichtenagentur dpa nun unter Berufung auf Verhandlungskreise.
Fischerei ist nur ein vergleichsweise kleiner Wirtschaftszweig - das Münchner Ifo-Institut schätzt den Gesamtwert der EU-Fangmengen in britischen Gewässern auf etwa 520 Millionen Euro. Doch hat er für EU-Küstenstaaten wie Frankreich hohe symbolische und politische Bedeutung. - und eben auch für Großbritannien.
Update vom 22. Dezember, 10.16 Uhr: Die Briten haben kurz vor Weihnachten in der Pandemie unter einer Corona-Mutation zu leiden - bleibt ihnen dafür vielleicht zumindest drohendes Chaos beim Handel erspart? Erbitterten Streit gibt es darüber, wie EU-Fischer künftig in britischen Gewässern fangen dürfen. Die Spekulationen über einen nahen Durchbruch verdichten sich aber.
So skizziert ein ehemaliges Mitglied des britischen Verhandlungsteams einen möglichen Kompromiss auf dem Nachrichtenportal Politico. Raoul Ruparel, einst Berater von Premierministerin Theresa May, schreibt in dem Gastbeitrag, dass die EU-Fangrechte über fünf Jahren hinweg um 35 Prozent reduziert werden sollen, die Briten sollen ihre Fische weiterhin zollfrei anbieten dürfen. Außerdem soll es Brüssel erlaubt sein, dennoch Zölle einzuführen - falls die Briten den EU-Zugang weiter einengen. Die Zölle sollen dabei von unabhängiger Seite festgelegt werden. Der Financial Times zufolge bestätigten EU-Kreise, dass es ein ähnliches Angebot aus London gegeben habe.
Jedoch: Auf britischer Seite hieß es der Zeitung zufolge, die Positionen seien immer noch „weit auseinander“, und die Gespräche gestalteten sich „brutal kompliziert“. Großbritannien scheidet nach dem Brexit im Januar zum Jahreswechsel auch aus dem Binnenmarkt und der Zollunion aus. Der anvisierte Vertrag soll Zölle und Handelshemmnisse abwenden. Die Verhandlungen sollen an diesem Dienstag fortgesetzt werden. Führende EU-Parlamentarier haben indes an Großbritannien appelliert, angesichts der Coronavirus-Mutation einer verlängerten Brexit-Übergangsfrist zuzustimmen.
Update vom 19. Dezember, 20.41 Uhr: In ihren Verhandlungen über einen Brexit-Handelspakt liegen Großbritannien und die EU weiterhin deutlich auseinander. „Das wahrscheinlichste Ergebnis“ sei derzeit ein No Deal, hieß es am Samstag aus Verhandlungskreisen. „Wir werden jeden Stein umdrehen, um einen Deal zustandezubringen.“ Es gebe aber weiter „erhebliche offene Fragen“ zu Fischerei und Subventionen. „Die Verhandlungen gehen weiter, aber wir sind immer noch weit auseinander.“
Vor allem Fischerei ist ein Knackpunkt. Beobachter der zähen Verhandlungen berichteten am Samstag auf Twitter, dass die EU bei dem strittigen Thema einen Schritt auf London zu machen könnte. Demnach soll EU-Unterhändler Michel Barnier angeboten haben, dass die Gemeinschaft den Briten 25 Prozent des Werts der Fische, die EU-Fischer in britischen Gewässern fangen, zurückzahlen würde. Das wäre deutlich mehr, als bisher im Gespräch ist - aber bei weitem nicht so viel, wie London fordert. Eine europäische Fischervereinigung warnte daraufhin, die EU dürfe die Branche nicht hintergehen.
„Im Interesse aller Fischer wollen wir einen No Deal vermeiden“, sagte der Chef der Europäischen Fischerallianz (EFA), Gerard van Balsfoot. „Aber der Deal, der nun vorgeschlagen wird, ist genauso schlimm.“ Das ist der Zeitplan für den britischen Austritt*.
Update vom 16. Dezember, 19.12 Uhr: Trotz der Brexit-Zitterpartie dürfen die britischen Abgeordneten ab Freitag in den Weihnachtsurlaub starten. Falls allerdings in den nächsten Tagen noch ein Handelspakt mit der EU zustande kommen sollte, würden die Parlamentarier schnellstens zur Notfallsitzung zurückgerufen, hieß es aus der Downing Street, dem britischen Regierungssitz. Das könne sogar schon Anfang der kommenden Woche sein.
„Das Parlament hat schon lange gezeigt, dass es sich schnell bewegen kann und das Land würde nichts anderes erwarten“, hieß es. Eigentlich sollen Reisen aus und in Regionen mit der höchsten Corona-Warnstufe, die auch für London gilt, vermieden werden. Viele Abgeordnete sind allerdings schon seit Monaten dem Parlament nur virtuell aus ihren Wahlkreisen zugeschaltet.
Die Gespräche mit der EU sollten in den nächsten Tagen unter massivem Zeitdruck weitergehen. Ein Abkommen müsste noch rechtzeitig ratifiziert werden.
Update vom 13. Dezember, 18.16 Uhr: Weiterhin scheint beim Streit um einen Brexit-Handelspakt alles offen - klar ist noch nicht einmal, ob es am heutigen Sonntag tatsächlich zu einer Entscheidung über Deal oder No-Deal kommt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat unterdessen bei ihrer Corona-Pressekonferenz trocken auf Vorwürfe von der Insel reagiert.
Auf den Hinweis, die britische Presse sehe sich als eine Hauptschuldige für die stockenden Verhandlungen, erklärte Merkel den Journalisten: „Aha, das ist gut zu wissen. Ich habe gar nicht verhandelt und verhandele auch überhaupt nicht.“ „Deutschland verhandelt das überhaupt nicht als Einzelteilnehmer“, betonte die Kanzlerin, es handle sich um Verhandlungen der Europäischen Union.
Merkel betonte am Sonntag auch, es müsse „alles“ versucht werden, „um zu einem Ergebnis zu kommen“. Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD), bezeichnete die weitere Verschiebung als „unwürdiges Spiel“. Eine „seriöse Ratifizierung“ werde „immer unmöglicher“. Und Bürger und Unternehmen müssten weiter mit der Unsicherheit über das Ergebnis der Gespräche leben.
Update vom 13. Dezember, 12.51 Uhr: Überraschung! Die Europäische Union erwartet nach Angaben aus EU-Kreisen eine Fortsetzung der Gespräche mit Großbritannien über einen Brexit-Handelspakt. Dies erfuhr die dpa am Sonntag nach einem Gespräch von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und dem britischen Premier Boris Johnson.
Update vom 13. Dezember, 11.15 Uhr: Kurz vor Ablauf der voraussichtlich letzten First im Ringen um ein Handelsabkommen hat die britische Regierung unter Premierminister Boris Johnson einen Notfallplan im Falle eines No-Deal-Szenarios veröffentlicht. Wie ein Regierungssprecher mitteilte, habe man „jedes einzelne vorhersehbare Szenario durchgespielt“.
Am Sonntag wollen beide Seiten zu einer Entscheidung kommen, ob es in den Verhandlungen zu einem Durchbruch kommt oder ob sie als für gescheitert erklärt werden.
Update vom 12. Dezember, 20.03 Uhr: Als „sehr, sehr wahrscheinlich“ hatte Boris Johnson den „No-Deal-Brexit“ zuletzt bezeichnet. Nach Informationen der dpa deutet sich nun ein Ende im Ringen um die Kompromisse nach dem endgültigen EU-Austritt an.
Vor Ablauf der selbstgesetzten Frist will Großbritanniens Premier noch einmal mit EU-Ratspräsidentin Von der Leyen telefonieren. Eine Entscheidung wird dann tatsächlich am Sonntag erwartet. Seit dem 1. Februar 2020 ziehen sich die Gespräche über das Handelsabkommen.
Erstmeldung vom 12. Dezember, 13.09 Uhr:
London/Brüssel - Der 1. Januar 2021 rückt näher, die Brexit-Verhandlungen scheinen aussichtsloser: Zuletzt sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, sie habe „niedrige Erwartungen“, dass ein Handelsabkommen noch rechtzeitig abgeschlossen und in Kraft treten werde. Spätestens an diesem Sonntag, so wollen es beide Seiten, soll eine Entscheidung her, was jetzt passiert.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD*) zufolge wird eine Einigung „mit jedem Tag schwieriger, aber sie ist immer noch möglich“, wie der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte. Er fügte hinzu: „Deshalb verhandeln wir als EU weiter, solange das Fenster auch nur einen Spalt offen ist. Wir werden sehen, was bis Sonntag gelingt, und dann die Lage wieder bewerten.“
Theoretisch wäre Zeit bis kurz vor dem Jahreswechsel. Erst dann läuft die Übergangsphase aus, in der trotz des EU-Austritts der Briten noch alles beim Alten bleibt. Britische Medien spekulieren daher, ob selbst bei einem Eingeständnis des Scheiterns am Sonntag nicht doch noch eine Rückkehr an den Verhandlungstisch möglich wäre.
Der britische Premierminister Boris Johnson bereitete seine Landsleute schon mal auf einen No Deal vor. Es sei „sehr, sehr wahrscheinlich“, dass die Verhandlungen scheiterten, sagte er. Doch auch das sei eine Lösung, die „wunderbar für Großbritannien“ sei. Man könne schließlich vom 1. Januar an genau das tun, was man wolle, sagte der Premier am Freitag.
Einer der wichtigsten Streitpunkte ist der Zugang zu Fischgründen innerhalb der von Großbritannien beanspruchten 200-Meilen Zone um seine Küsten. Es geht darum, dass die Briten künftig selbst bestimmen wollen, wer wie viel in ihren Gewässern fangen darf. Doch die ausschließliche Wirtschaftszone, die das Land inzwischen beansprucht, steht nicht im Einklang mit der historisch gewachsenen Aufteilung der Fischgründe, wie sie im Rahmen der Europäischen Fischereipolitik festgelegt wurde. Wirtschaftlich spielt das Thema kaum eine Rolle, doch symbolisch ist es für die ehemalige Seemacht Großbritannien kaum zu unterschätzen. Auch hier will keine der beiden Seiten nachgeben. London kündigte am Samstag sogar an, seine Gewässer nötigenfalls mit Schiffen der Royal Navy vor EU-Fischkuttern zu schützen.
Ebenfalls ungelöst ist das Thema Wettbewerbsbedingungen. Brüssel stellt sich auf den Standpunkt, dass die Konkurrenz aus Großbritannien nur dann auf zollfreien Handel hoffen könne, wenn auf beiden Seiten des Ärmelkanals gleiche Arbeitnehmer-, Sozial- und Umweltstandards gelten würden.
Doch das ist für London eine Frage des Prinzips. Wieder und wieder betonen britische Regierungsvertreter, es gehe um die Souveränität ihres Landes. Durch den Brexit* wolle man die Kontrolle über die eigenen Gesetze, Grenzen, Gewässer und das eigene Geld wiedererlangen - und nicht die EU-Standards übernehmen, auf die man dann überhaupt keinen Einfluss mehr habe. Ein Unding ist für Johnson, dass die EU seiner Darstellung nach verlangt, Großbritannien solle künftig Regeländerungen der EU auf Schritt und Tritt folgen.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen konterte am Freitag in Brüssel: Die Briten seien frei, in der Zukunft von europäischen Regeln abzuweichen, beispielsweise bei Umweltstandards. Doch die Bedingungen für den Zugang zum europäischen Binnenmarkt müssten dann eben auch angepasst werden, sprich: Zölle eingeführt werden.
Kommentatoren in Großbritannien sind sich uneins, was hinter der Patt-Situation steckt. Beide Seiten könnten auf ein Einlenken des anderen setzen - und dabei eine schwere Fehlkalkulation riskieren. Oder lenkt Johnson möglicherweise im letzten Moment im Tausch gegen symbolische Zugeständnisse ein und alles ist nur eine sorgfältig geplante Choreographie, die ihn in den Augen der Brexit-Hardliner als Kämpfer darstellen soll? Es wäre nicht das erste Mal. Doch sicher sein kann niemand. (dpa/cibo) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.