9-Euro-Ticket dank Übergewinnsteuer? „Schuss wird nach hinten losgehen“

SPD und Grüne suchen einen Nachfolger fürs 9-Euro-Ticket, die FDP bremst. Einen aktuellen Vorschlag von Parteichef Klingbeil findet sie bei Merkur.de von IPPEN.MEDIA „nicht gerecht“.
Berlin – Das 9-Euro-Ticket geht in den Schlussspurt. Ende August ist das ermäßigte Fahren in Bus und Bahn vorbei. Eigentlich. SPD und Grüne wollen das Ticket behalten, die FDP ist dagegen. Streitpunkt ist vor allem die Finanzierung: Während die Grünen das Dienstwagenprivileg streichen wollen, fordert die SPD nun eine Übergewinnsteuer. Die FDP ist skeptisch, wie der parlamentarische Geschäftsführer, Stephan Thomae, erklärt.
9-Euro-Ticket: Klingbeil will mit Übergewinnsteuer Nachfolge finanzieren
SPD-Chef Lars Klingbeil will das 9-Euro-Ticket gerne beibehalten. „Dass es sinnvoll ist, dass es angenommen wird, dass die Bürgerinnen und Bürger auch die Verlängerung wollen, das haben wir jetzt gerade gesehen“, sagte Klingbeil am Morgen im Radiosender NDR Info. Gleichzeitig sprach sich der Parteivorsitzende klar für eine Übergewinnsteuer aus. Damit lasse sich auch die Finanzierung eines Nachfolgemodells vorantreiben.
Die Übergewinnsteuer ist für Unternehmen vorgesehen, die ohne eigene Leistung von der aktuellen Krise rund um den Ukraine-Krieg profitieren. In Großbritannien müssen etwa Öl- und Gaskonzerne vorübergehend auf ihre Zusatzgewinne 25 Prozent Steuern zahlen. In der Ampel-Koalition befürworten auch die Grünen eine ergänzende Abgabe, die FDP lehnt sie ab.
Übergewinnsteuer für 9-Euro-Ticket? FDP: „Der Schuss wird nach hinten losgehen“
Der Allgäuer Bundestagsabgeordnete Stephan Thomae spricht sich gegen eine Übergewinnsteuer aus. „Schon zu definieren, was eigentlich ein Übergewinn genau sein soll und wo die Grenze zwischen Gewinn und Übergewinn verlaufen soll, erscheint mir bürokratisch und willkürlich“, sagt er Merkur.de von IPPEN.MEDIA. Höhere Steuern würden außerdem „fast immer“ zu höheren Preisen und mehr Inflation führen. „Am Ende zahlen die Verbraucher die Zeche“, gerade Gering- und Normalverdiener. Die Übergewinnsteuer sei daher „kein geeignetes Instrument“ zur Finanzierung eines ermäßigten Bahntickets. „Der Schuss wird nach hinten losgehen.“

Auch Thomae bezeichnet das 9-Euro Ticket als eine „sehr erfolgreiche Maßnahme“, allerdings nur, um die Menschen kurzfristig zu entlasten und die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs in den Fokus zu rücken. „Diese Maßnahme war aber von Anfang an zeitlich begrenzt.“ Würde man das 9-Euro-Ticket unbegrenzt verlängern, „würde das bedeuten, dass Familien auf dem Land durch ihre Steuern dauerhaft die U- und S-Bahnen in den Großstädten und Ballungsräumen mitfinanzieren“, sagt Thomae. „Das ist nicht gerecht.“
Es brauche eine „dauerhafte Verbesserung des vernachlässigten ÖPNV“. Das sei aber nur mit umfassenden Reformen zu erreichen. Im Verkehrsministerium sitzt mit Volker Wissing derzeit ein FDP-Politiker auf dem Chefsessel, laut Thomae sind aber auch die Länder am Zug. „Wichtig wäre es, langfristig ein in ganz Deutschland gültiges Tarifsystem für alle Nahverkehrsnetze in Deutschland zu entwickeln, das aber auch langfristig finanziell tragfähig ist.“ Eine Übergewinnsteuer ist für die FDP keine Option zur Finanzierung.
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9-Euro-Ticket: Lindner bleibt bei Veto - Thomae gegen Grünen-Vorschlag
Die Freien Demokraten sind ohnehin skeptisch, was ein Nachfolgemodell betrifft. Parteichef Christian Lindner lehnte eine Finanzierung durch den Bund ab. „Es stehen in der Finanzplanung für eine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets keinerlei Mittel zur Verfügung“, sagte Lindner der Augsburger Allgemeinen vom Montag. Er sei von einer „Gratismentalität à la bedingungsloses Grundeinkommen“ auch im Öffentlichen Nahverkehr nicht überzeugt. „Jeder Euro müsste durch Kürzung anderswo mobilisiert werden.“
SPD und Grüne pochen allerdings auf ein erneutes ermäßigtes Ticket. Die Grünen legten dazu am Wochenende einen Entwurf vor. Die Kernforderungen: 29 Euro für ein Regionalticket, 49 Euro fürs Bundesticket. Finanzieren will es die Ökopartei durch eine Abschaffung des Dienstwagenprivilegs.
Thomae findet diesen Gedanken nicht sinnvoll. „Privileg klingt nach ungerechtfertigter Bereicherung für die oberen Einkommensschichten. Tatsächlich dient die Dienstwagenpauschale der bürokratischen Entlastung.“ Mit dem Dienstwagenprivileg können Firmen die Kosten für die Firmenwagen steuerlich absetzen. Die Nutzung des Dienstwagens ist damit mitunter nahezu kostenlos. Thomae bezeichnet die Abschaffung als „eine mittelbare Steuermehrbelastung und ein Bürokratieaufbau. Beides wollten wir eigentlich vermeiden.“ Ebenso wie eine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets durch Übergewinnsteuer. (as)