49-Euro-Ticket? FDP sieht Gerechtigkeitsproblem: „Die Menschen auf dem Land müssen es finanzieren“

Die Ampel tagt auf Schloss Meseberg. Die SPD will ein drittes Entlastungspaket vorbringen. Noch ist sich die Regierung aber nicht in allen Punkten einig.
Berlin/Meseberg – Am Dienstag und Mittwoch kommen die Ampel-Minister auf Schloss Meseberg zusammen. In Brandenburg geht es unter anderem um die angespannte Energieversorgung sowie ein mögliches drittes Entlastungspaket.
Vor dem Treffen erhöht die SPD den Druck auf die Koalitionspartner, vor allem auf die FDP. Die bremst im Gespräch mit Merkur.de von IPPEN.MEDIA. „Ich rechne nicht damit, dass in Meseberg schon konkrete Maßnahmen beschlossen werden“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestags-Liberalen, Stephan Thomae.
49-Euro-Ticket, Zahlungen, Mieterschutz: SPD plant drittes Entlastungskonzept
Die SPD aber will rasche Entscheidungen. Entlastungen brauche es „jetzt wirklich schnell“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil am Dienstag dem Magazin Stern. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert forderte eine zügige Entscheidung „in wenigen Tagen“. Die SPD-Fraktion stellte obendrein ein Entlastungskonzept vor, das auch Rentner und Studierende erreicht – und ein 49-Euro-Ticket für den ÖPNV beinhaltet.
- Direktzahlungen: Diesmal nur für Bezieher mittlerer und unterer Einkommen, Rentnerinnen und Rentner, Arbeitslosengeldempfänger, Studierende und Auszubildende – zur angedachten Höhe wurde zunächst nichts bekannt.
- Mieterschutz: Die SPD will Kündigungen wegen nicht gezahlter Betriebskostennachzahlungen vorerst ausschließen. Mieter sollen außerdem Strom- und Gassperren geschützt werden, wenn sie die Nebenkosten nicht zahlen können.
- Vergünstigter ÖPNV: In diesen Tagen läuft das 9-Euro-Ticket aus. Die SPD denkt an ein 49-Euro-Ticket, dessen Mehrkosten Bund und Länder je zur Hälfte finanzieren sollen.
- Gas-Umlage: Bei der heftig kritisierten Umlage will die SPD nachjustieren. Konzerne mit Milliardengewinnen dürften nicht profitieren. Wer einen Antrag auf die Stütze stelle, dürfe keine Dividenden und Boni ausschütten.
Entlastungspaket der SPD: Rentner und Studenten im Fokus
Die SPD scheint sich bei den geplanten Entlastungen auf zwei Bevölkerungsgruppen fokussieren zu wollen. Rentner und Studierende. Das findet auch die FDP richtig. „Bei zukünftigen einmaligen Entlastungsmaßnahmen müssen vor allem diejenigen im Fokus stehen, die von der aktuellen Krisensituation besonders betroffen sind“, sagte Thomae. „Also Rentnerinnen und Rentner sowie Studentinnen und Studenten.“
Außerdem müsse „dringend“ die kalte Progression abgebaut werden, „um die hart arbeitende Mitte der Gesellschaft nachhaltig vor Mehrbelastungen zu schützen.“ Thomae verwies auf das Inflationsausgleichsgesetz von FDP-Finanzminister Christian Lindner.
Die kalte Progression
Der Begriff der „kalten Progression“ bezeichnet eine Art schleichende Steuererhöhung, wenn eine Gehaltserhöhung komplett durch die Inflation aufgefressen wird, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führt. Ergebnis: Obwohl das Gehalt gestiegen ist, hat man real weniger Geld in der Tasche.
SPD fordert 49-Euro-Ticket durch Übergewinnsteuer: FDP lehnt ab
Mit ihren Forderungen liegt die SPD in der Koalition vor allem auf Linie mit den Grünen. Auch die Ökopartei fordert vergünstigte Tickets für Bus und Bahn. Sie hatte schon zuvor ein bundesweites 49-Euro-Ticket sowie ein Regionalticket für 29 Euro monatlich ins Spiel gebracht. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen schlägt ein bundesweites Ticket für 69 Euro vor.
Das FDP-geführte Verkehrsministerium bremste dabei allerdings zuletzt. Mit einem raschen Nachfolgemodell des am 1. September auslaufenden 9-Euro-Tickets ist nicht zu rechnen. Es scheitert aktuell vor allem am Geld. „Es stehen in der Finanzplanung für eine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets keinerlei Mittel zur Verfügung“, sagte Finanzminister und FDP-Chef Lindner. Finanziert werden sollen Entlastungen wie das 49-Euro-Ticket laut Klingbeil über eine Übergewinnsteuer, die auch von den Grünen gefordert wird. Die FDP lehnt ein solches Modell klar ab.
Übergewinnsteuer
Durch diese Sondersteuer sollen Gewinne von Unternehmen einkassiert werden, die über einen „Normalgewinn“ hinausgehen. SPD und Grüne sehen das vor allem bei Krisengewinnern gegeben, etwa bei Mineralölkonzernen, die durch den Ukraine-Krieg und steigende Preise enorme Profite machen. Die FDP argumentiert, es gebe keine Übergewinne, sondern nur Gewinne und Verluste. Ein „Übergewinn“ sei schwer zu definieren.
49-Euro-Ticket? FDP sieht Gerechtigkeits-Problem: „Die Menschen auf dem Land müssen es finanzieren“
Bei der Übergewinnsteuer scheint die FDP nicht von ihrem Veto abzurücken. Die Liberalen waren mit dem Versprechen „keine Steuererhöhungen“ in die Regierung eingezogen. Beim vergünstigten ÖPNV ist die Partei zwar immer noch skeptisch, äußert sich mittlerweile aber auch gesprächsbereit. FDP-Generalsekreät Bijan Djir-Sarai forderte am Dienstag in der Sendung „Frühstart“ von RTL/ntv zwar „klare Zusagen“ der Bundesländer zur künftigen Finanzierung. Außerdem sei wichtig, dass die Verbundstrukturen der Verkehrsbetriebe verändert würden, damit alles „effizient und transparent“ gestaltet werden könne und mehr Digitalisierung zum Einsatz komme. Aber: „Wenn diese Kriterien berücksichtigt werden, halte ich ein Nachfolgemodell für realistisch.“
Auch Thomae sieht bei einem Nachfolgeticket die Länder in der Pflicht. „Denn ansonsten müssten die Bürgerinnen und Bürger auf dem Land durch ihr Steuergeld den öffentlichen Nahverkehr der Ballungsräume mitfinanzieren, obwohl sie ihn gar nicht nutzen können und weiterhin auf das Auto angewiesen sind.“ Das Neun-Euro-Ticket habe den „lange vernachlässigten ÖPNV“ an seine Belastungsgrenzen gebracht und Defizite offenbart. „Langfristig brauchen wir daher eine Reform des öffentlichen Nahverkehrs mit verbesserter Digitalisierung sowie einer Vereinheitlichung der Tarifstrukturen.“ Ob diese Strukturen mit einem vergünstigten Ticket einhergehen können, scheint derzeit offen.
Entlastungspaket: FDP stellt Bedingungen an SPD und Grüne
FDP-Fraktionschef Christian Dürr stellte unterdessen Bedingungen für eigene Entlastungsvorschläge von SPD und Grünen. Notwendig sei innerhalb der Koalition nicht nur eine Verständigung auf das Vorgehen gegen die kalte Progression, sondern auch auf eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Diese sehe die FDP „weiterhin als entscheidenden Punkt, auch um den Strompreis zu stabilisieren und noch stärkere Belastungen der Bürgerinnen und Bürger zu verhindern“. (as)