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Nach Coronavirus-Studie: Ansturm auf Nikotinpflaster - Frankreich geht nun dagegen vor

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Französische Forscher entdeckten nun möglicherweise eine schützende Wirkung von Nikotin - doch vieles spricht dagegen. Nun reagiert der Staat mit einem Dekret.

Update vom 25. April, 21.45 Uhr: Obwohl allgemein bekannt ist, dass Raucher schwere Verläufe einer Corona-Infektion* erwarten können und zur Risikogruppe gehören, wird in Frankreich nun das Gegenteil behauptet. Genauer gesagt ist es eine Corona-Studie, die Nikotin eine möglicherweise schützende Wirkung zuschreibt. Diese Annahme basiert auf der geringen Zahl der Raucher unter den Covid-19-Patienten*. Aufgrund dieser These muss sich nun sogar die Regierung einschalten.

Coronavirus: Studie mit Nikotinpflastern in Frankreich geplant 

Ein wahrer Ansturm auf Nikotin-Ersatzprodukte war die Folge der Studie, die in den französischen Medien Anklang fand. Nun muss die Regierung den Verkauf einschränken, um Hamsterkäufe so gut wie möglich zu verhindern. Gesundheitsminister Olivier Veran rief die Bevölkerung dazu auf, sich nicht mit Pflastern einzudecken und erinnerte an die jährlichen „70.000 Toten durch Tabak in Frankreich“.

Das öffentliche Dekret wurde folglich am Freitag in einem Amtsblatt veröffentlicht. Offiziell verbietet der Staat die Hortung der Nikotin-Ersatzstoffe aufgrund von „gesundheitlichen Risiken durch exzessiven Konsum oder Missbrauch nach Medienberichten über eine möglicherweise schützende Wirkung von Nikotin vor der Lungenkrankheit Covid-19*.“

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Coronavirus: Studie mit Nikotinpflastern in Frankreich geplant 

Auch der Verkauf entsprechender Produkte wie etwa Nikotinpflaster oder -kaugummis wird dem Dekret zufolge ganz untersagt. Sogar Apotheken dürfen bis zum 11. Mai nur noch Mengen für eine einmonatige Behandlung abgeben.

Die französische Gesellschaft für Suchtforschung ist von einem höheren Risiko für Raucher überzeugt. „Wir wissen mit Sicherheit, dass Raucher doppelt so häufig eine schwere Form von Covid-19* entwickeln und das Risiko, eine sehr schwere Form (bis zum Tod) zu entwickeln, um 133 Prozent erhöht ist.“

Kurios: Die aufsehenerregende Studie basiert vor allem auf den Beobachtungen in einem Pariser Krankenhaus, wo von 500 Covid-19-Patienten* nur fünf Prozent Raucher waren. Das seien, so der Studienleiter Zahir Anmoura, 80 Prozent weniger Raucher unter den Covid-19*-Patienten als in der  Bevölkerung in der gleichen Alters- und Geschlechtskohorte. Die Suchtforschung geht von einem 28-prozentigem Raucheranteil in der Bevölkerung aus.

Erstmeldung: Französische Wissenschaftler vermuten, dass Nikotin möglicherweise eine Schutzwirkung bei einer Coronavirus-Infektion hat.  Die Annahme beruht auf der geringen Zahl an Rauchern unter den Covid-19-Patienten. Weltweit liegt die Rate laut mehreren Studien zwischen 1,4 und 12,5 Prozent. 

Im Pariser Krankenhaus La Pitié-Salpêtrière soll deshalb bald sowohl die präventive als auch die therapeutische Wirkung mithilfe von Nikotinpflastern untersucht werden.

Coronavirus: Studie mit Nikotinpflastern in Frankreich geplant 

Ein genaueres Bild bietet eine neue Studie aus Frankreich: Von den 500 Covid-19-Patienten - darunter 350 im Krankenhaus behandelte Menschen und 150 Patienten mit einem leichteren Krankheitsverlauf - waren nur fünf Prozent Raucher, erklärte der Studienleiter und Professor für Innere Medizin, Zahir Amoura, der Nachrichtenagentur AFP. Das seien 80 Prozent weniger Raucher unter den Covid-Patienten als in der allgemeinen Bevölkerung in der gleichen Alters- und Geschlechtskohorte.

„Die Hypothese ist, dass Nikotin an Zellrezeptoren anhaftet, die vom Coronavirus genutzt werden und damit die Anhaftung des Virus verhindert“, sagt Professor Jean-Pierre Changeux vom Institut Pasteur und dem Collège de France. Somit könne das Virus nicht in die Zellen eindringen und sich im Organismus ausbreiten.

Forschung zu Covid-19: Blockiert Nikotin den Weg des Coronavirus? 

Laut Professor Amoura soll durch die Studie mit verschieden dosierten Nikotinpflastern erforscht werden, ob zum Beispiel Pflegekräfte präventiv mit einem Pflaster geschützt und Patienten damit behandelt werden können. Für die Studie muss Frankreichs Gesundheitsminister Olivier Véran jedoch noch grünes Licht geben.

Dass der fragliche Zellrezeptor eine Rolle bei der Ausbreitung des Virus spielt, könnte laut Forschern auch die Vielfalt der Symptome von Covid-19 erklären, darunter Geruchsverlust und neurologische Störungen. In den Tabakwarenladen sollen die Menschen jetzt dennoch nicht stürmen, denn Rauchen gefährde die Gesundheit, warnen die Wissenschaftler.

Über den Verlust des Geruchssinns hat sich auch Virologe Christian Drosten im NDR Podcast (22. April) geäußert.

Afp/ml

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