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„Wer infiziert ist, ist nicht krank“ – Hamburger Ärzte-Chef legt gegen Corona-Politik nach

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Von: Patrick Huljina

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Walter Plassmann, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, kritisierte zuletzt die ängstliche Corona-Politik. Eine Fixierung auf Infektionszahlen macht für ihn keinen Sinn.

Hamburg - Walter Plassmann, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, sorgte zuletzt mit einem Gastbeitrag im Hamburger Abendblatt für Aufsehen. Darin kritisierte er namentlich die Mahner in der Coronavirus-Pandemie*: Markus Söder, Karl Lauterbach und Christian Drosten. In einem neuen Interview äußerte sich der Hamburger Ärzte-Chef nun über die Corona-Politik in Deutschland.

Interview: Plassmann kritisiert Corona-Politik und Fixierung auf Infektionszahlen

Plassmann schrieb in seinem Gastbeitrag im Hamburger Abendblatt, dass ihn das permanente Mahnen der Corona-Strategen und die „politisch-mediale Aufgeregtheit“ stören. „Wer die Gesellschaft mit immer neuen Hiobsbotschaften auf immer höhere Bäume treibt, der macht die Gesellschaft krank“, mahnte der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg. In einem Interview mit Focus Online sprach Plassmann nun über die vorsichtige Corona-Politik Deutschlands. Zudem kritisiert er die Fixierung auf die Infektionszahlen als Indikator.

Walter Plassmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH), appelliert auf einer Pressekonferenz an die Bürger.
Walter Plassmann, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, kritisierte zuletzt die ängstliche Corona-Politik. (Archivbild) © picture alliance/Markus Scholz/dpa

Zunächst berichtete Plassmann, dass er nach seinem Gastbeitrag viele positive Rückmeldungen erhalten habe. Besonders die von Ärzten hätten ihn gefreut. Viele hätten ihn darin bestärkt, eine gesellschaftliche Debatte zu unterstützen, die nicht immer nur Worst-Case-Szenarien zum Maß aller Dinge mache. „Statt Panik und Hysterie zu verbreiten, sollten Politik, Wissenschaft und Medien das derzeitige Infektionsgeschehen in das richtige Verhältnis stellen, es einordnen, bewerten und den Menschen vernünftig nahebringen“, forderte Plassmann.

Corona: Plassmann beanstandet einen Verfall der Diskussionskultur und plädiert für schwedischen Weg

Für seine Kritik habe er bewusst die bekanntesten Gesichter der Corona-Strategie - Markus Söder, Karl Lauterbach und Christian Drosten - ausgewählt. „Was mir aufstößt, ist, dass von mehreren Möglichkeiten immer die schlechteste angenommen wird“, erklärte Plassmann. Der Hamburger Ärzte-Chef machte jedoch deutlich, dass er Corona nicht leugne. Er beobachte aber seit Jahren einen Verfall der Diskussionskultur. „Mit manchen Menschen auf beiden Seiten der Corona-Debatte kann man einfach nicht mehr reden“, bedauerte Plassmann. Er führte weiter aus: „Dass es das Coronavirus nicht geben soll, ist aber totaler Unsinn. Natürlich ist das Virus da – es stellt sich nur die Frage, wie gefährlich es tatsächlich ist.“

Plassmann erklärte, er sei nachdenklich über die Maßnahmen der Corona-Politik geworden, als die Reaktionen der Ärzte nicht mehr mit dem übereinstimmten, was er am Abend in den Nachrichten sehen konnte. „Ein Arzt kam im April ganz aufgeregt zu mir – ich dachte, er wäre wegen des heftigen Infektionsgeschehens so betroffen. Doch er erzählte mir, dass er verzweifelt sei, weil er die ganze Nacht im Einsatz gewesen sei und keinen einzigen kranken Menschen erlebt habe“, schilderte der Hamburger Ärzte-Chef eine Situation. Viele Menschen seien verängstigt und leiden unter den massiven Auflagen. „Ich glaube, wir hätten den Lockdown nach zwei bis drei Wochen beenden und den schwedischen Weg gehen sollen“, erklärte Plassmann.

Corona-Kritik von Plassmann: „Wer infiziert ist, ist nicht krank.“

Konkret kritisierte der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg an der Politik die Fixierung auf die Infektionszahlen*. „Wer infiziert ist, ist nicht krank“, sagte Plassmann. Es sei wichtiger zu sehen, wie viele Menschen krank seien, auf der Intensivstation lägen und an einer Corona-Infektion gestorben seien und nicht mit ihr. „Wenn die Infektionszahlen hochgehen, aber es sind nicht mehr Menschen krank oder sterben, dann ist das nicht schlimm“, stellte Plassmann klar. Er präferiere ein Ampelsystem*, oder einen Score, der all diese Faktoren berücksichtigt. Das würde helfen, den Alltag wieder normaler zu gestalten, ohne zu große Risiken einzugehen.

Corona: Hamburger Ärzte-Chef äußert sich zur Maskenpflicht

Am Anfang habe die Politik eine Ablehnung der Maßnahmen befürchtet, so Plassmann. „Die Devise war: ,Wir müssen immer vom Schlimmsten ausgehen, sonst folgen uns die Leute nicht‘. Das mag am Anfang richtig gewesen sein, aber jetzt ist es das längst nicht mehr“, mahnte der Hamburger Ärzte-Chef. Auch zur Maskenpflicht äußerte sich Plassmann: „Von den AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske) ist die Maskenpflicht die unwichtigste. Ungeschützt anderthalb Meter Abstand halten, bietet mehr Schutz als eine Maske.“ Die Höhe der Bußgelder für das Nicht-Trage einer Maske, beispielsweise in Bayern, seien überzogen.

Plassmann mahnte abschließend zur Vernunft als Empfehlung für die Zukunft. „Haltet Abstand und wenn das nicht geht, setzt eine Maske auf“, sagte er. In Schweden sei es so geregelt worden und es habe funktioniert. Das sollte in Deutschland seiner Meinung nach auch möglich sein: „Das könnte man auch hier schrittweise einführen und so wieder ein Stück Normalität zurückgewinnen.“

Ein deutsche Biotech-Unternehmen ist bei der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs* sehr weit - und plant im Kampf gegen das Coronavirus Spektakuläres. Gesundheitsminister Jens Spahn zieht nach 100 Tagen Corona-Warn-App nun ein Resümee. Der Virologe Christian Drosten sieht Deutschland in der Corona-Pandemie noch nicht ausreichend gewappnet. (ph) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks

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