Coronavirus: Zweite Welle in Deutschland? Infektionsgeschehen sollte „keiner unterschätzen“

Steht Deutschland vor einer zweiten Corona-Welle? Was eine Epidemiologin als beunruhigend ansieht - und was nicht. Aktuelle Risikofaktoren für Peak im Herbst.
- Der aktuelle Anstieg der Infektionszahlen und der Reproduktionszahl* beunruhigt nicht nur das RKI.
- Eine Epidemiologin wertet die aktuelle Coronavirus*-Situation aus - die Forscherin* sieht die Lage mit gemischten Gefühlen.
- Warum sie trotzdem nicht gerne von einer zweiten Welle spricht.
München/Braunschweig - Deutschland scheint in Sachen Coronavirus-Pandemie-Bekämpfung an einem entscheidenden Punkt angekommen zu sein: Während die Lage in den letzten Wochen unter Kontrolle schien, zeigen sich Experten aus Forschung, Politik und beim RKI angesichts jüngster Corona-Entwicklungen wieder besorgt.
Auch Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Deutschen davon ausgeht, dass wir vor einer zweiten Corona-Welle stehen. Was aber bedeuten die jüngsten Zahlen - welche Entwicklungen sind wirklich brisant? Eine Epidemiologin dröselt die Faktoren im Focus auf - und erzählt, warum sie nicht gerne von einer zweiten Welle spricht.
Coronavirus: „Keiner sollte die Infektionsdynamik unterschätzen“
Berit Lange, Epidemiologin am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig hält die aktuelle Diskussion um die Gefahr vor einer zweiten Welle des Coronavirus keineswegs für panisch oder übertrieben: „In der momentanen Lage sollte keiner die Infektionsdynamik unterschätzen.“ Im Vergleich zum März habe sich das Virus auch nicht abgeschwächt.
Doch die Corona-Situation sei keinesfalls außer Kontrolle geraten: „Wenn sich alle wieder mehr an die Regeln halten, Abstand halten, Masken tragen, Hände waschen, könnten die Zahlen in zwei bis drei Wochen wieder sinken“, beurteilt Lange die Lage.
Coronavirus: Epidemiologin spricht nicht von zweiter Welle - doch etwas anderes steht im Vordergrund
Nur ungern spricht Lange von einer „zweiten Welle" - dies könne ein Bild in die Köpfe der Menschen pflanzen, das falsch sei. Keinesfalls sei es so, dass wir jetzt durch etwas durchmüssen - ähnlich wie im Frühjahr - und sich dann die Coronavirus-Lage wieder beruhige. Vielmehr könne man bei einer Pandemie eher in der Rückschau von Wellen sprechen.
Viel wichtiger sei es, die das aktuelle Infektionsgeschehen anhand verschiedener Parameter einzuschätzen. Dabei sei es aktuell noch beruhigend, dass weder der Anteil der positiven Coronavirus-Tests, noch die Todeszahlen oder die Belastung in den Krankenhäusern einen kritischen Wert erreicht hätten. Beunruhigend dagegen sei, dass die Infektionszahlen sowie der R-Wert anstiegen, es also ein größeres Corona-Verbreitungsgeschehen gäbe - und dass wir vor einer kritischen Phase stehen, wenn die Urlaubsrückkehrer eintreffen.
Zweite Coronavirus-Welle in Deutschland? Expertin will jetzt für den Herbst lernen
Dass sich aktuell verstärkt Menschen mit Atemwegsinfektionen in Arztpraxen melden, ist für Lange ein Ausblick auf die Corona-Situation im Herbst - wenn dann saisonal bedingt verstärkt Erkältungen und andere Viren auftreten, die sich auf den ersten Blick kaum von einer Coronavirus-Infektion unterscheiden ließen und zu einer Belastung der Ressourcen führen könnten. „Es ist wichtig, dass wir es jetzt hinbekommen, die Testkapazitäten und auch die Bereitschaft, auf Covid-19 zu testen, soweit auszuweiten, dass genau diese Situation aufgefangen wird“ - das will die Epidemiologin jetzt schon aus der Situation lernen.
Russland will bereits gefunden haben, wonach die ganze Welt gerade sucht: einen Impfstoff gegen das Coronavirus. Eine neutrale Bewertung des Stoffs ist mangels Veröffentlichungen unmöglich. *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks