Corona-Regeln im Herbst und Winter: Expertenrat warnt und hat drei Szenarien - Lauterbach reagiert prompt

Die Regierung nimmt die Empfehlungen des Expertenrates als Basis ihrer Corona-Maßnahmen. Nun äußerte sich das Gremium zu den nötigen Vorbereitungen für den Herbst.
Update vom 8. Juni, 16.42 Uhr: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) reagierte am Mittwochnachmittag auf die Empfehlungen des Expertenrats der Bundesregierung. „Der Expertenrat hat exzellente Arbeit geleistet. Erneut hat der Rat wichtige wissenschaftliche Empfehlungen für politische Entscheidungen gegeben. Das wird Basis für den Corona-Herbstplan der Bundesregierung“, bekräftigte der Minister. „Wie hoch die Corona-Welle werden wird, kann auch der Expertenrat nicht sagen. Aber dass selbst im günstigsten Fall das Gesundheitswesen stark belastet sein wird, ist relativ sicher. Auf alle Szenarien müssen und werden wir vorbereitet sein: mit angepassten Test-, Impf- und Behandlungsstrategien sowie mit einem soliden gesetzlichen Rahmen“, so Lauterbach weiter.
Expertenrat der Bundesregierung veröffentlicht Empfehlungen für den Herbst
Update vom 8. Juni, 15.15 Uhr: Der Corona-Expertenrat der Bundesregierung veröffentlichte am Mittwoch ein Statement zu den nötigen Schutzmaßnahmen im Herbst und Winter. Die geltende Fassung des Infektionsschutzgesetzes endet am 23. September. Demnach drängen die Experten Bund und Länder dazu, sich früh und umfassend auf die Bekämpfung neuer Infektionswellen im Herbst und Winter vorzubereiten. Denn die „relevante Impflücke“ in der Gesellschaft könnte das Gesundheitssystem sowie die kritische Infrastruktur erneut erheblich belasten.
„Eine vorausschauende Vorbereitung mit kurzen Reaktionszeiten auf veränderte Infektionslagen reduziert die pandemiebedingten (Sekundär-)Schäden und hat die höchste Effektivität, um die Morbidität und Mortalität zu verringern“, heißt es in einer umfangreichen Stellungnahme des Gremiums. Es solle eine solide rechtliche Grundlage geschaffen werden, um eine schnelle Reaktionsfähigkeit zu garantieren. Besonders wenn eine Überlastung des Gesundheitswesens drohe und eine neue besorgniserregende Virusvariante auftrete, sei eine schnelle Reaktion notwendig.
Corona-Expertenrat der Bundesregierung: Welche Maßnahmen gelten, hängt von drei Szenarien ab
Dem Expertenrat zufolge sind im Herbst und Winter drei verschiedene Szenarien denkbar. Im besten Szenario wären Schutzmaßnahmen nur für Risikopersonen nötig. Im „Basisszenario“ könnte es zu flächendeckenden Maßnahmen wie dem Maskentragen in Innenräumen, Abstand und Kontaktbeschränkungen kommen. Im „ungünstigsten Szenario“ würde zu den Maßnahmen im Basisszenario noch eine Zusatzimpfung für vollständig Geimpfte kommen. Erst im Frühjahr 2023 sehen die Experten in diesem dritten Szenario die Möglichkeit, Schutzmaßnahmen wie die Maskenpflicht wieder aufzuheben. Generell bilden die Impfung und Infektionsschutzmaßnahmen aus Sicht der Fachleute weiterhin die wichtigsten Mittel im Kampf gegen die Corona-Pandemie.
Corona-Expertenrat der Bundesregierung: Diese Maßnahmen schlägt das Gremium vor
Der Expertenrat ging in seiner Stellungnahme auch auf die Erwartungshaltung der Menschen in Deutschland ein. „Die Bevölkerung ist durch zwei Jahre Pandemie geprägt“, heißt es in der Stellungnahme. „Es besteht eine nachvollziehbar hohe Erwartungshaltung an die Politik, im dritten Jahr der Pandemie effektive Vorbereitungen für Herbst und Winter zu treffen.“
- Im dritten Jahr der Pandemie soll es daher eine gute Kommunikation geben. Die Regelungen und Empfehlungen sollen bundesweit über eine zentrale Kommunikationsstelle bekannt gegeben werden und möglichst einfach, aber verbindlich gestaltet werden.
- Die Maskenpflicht ist aus Sicht des Expertenrates ein „wirksames und schnelles Instrument zur Infektionskontrolle.“ Besonders in Innenräumen sei dies eine gute Möglichkeit sich selbst und andere zu schätzen, „bei geringer individueller Einschränkung“ und ohne Vorlaufzeit. Die Bevölkerung solle daher „verstärkt darüber aufgeklärt werden, wie sinnvoll ein möglichst hoher Eigen- und Fremdschutz ist.“
- Zudem brauche es einheitliche Indikatoren, die frühzeitig festgelegt und kommuniziert werden sollen.
- Im Kampf gegen Falschinformationen soll aus Sicht des Expertenrates eine Bundesstelle eingerichtet werden.
- Es brauche eine bessere Datenbasis, um die Lage besser einschätzen zu können.
- Besserer Zugang zu frühzeitiger antiviraler Medikation.
- Das bundesweite Kleeblattkonzept zur effizienten Verlegung von Patienten soll verstetigt werden.
- Besorgniserregende Varianten des Virus sollen insbesondere im Kontext des Reisens festgelegt werden und Einreisebeschränkungen auf diese Varianten begrenzt werden.
Nötig sei auch eine Intensivierung der Impfkampagne, insbesondere unter Berücksichtigung niederschwellig agierender, aufsuchender Impfteams und Impfzentren sowie einer Aufklärungskampagne für alle Personen ab fünf Jahren. - Oberste Priorität habe im Hinblick auf Kinder und Jugendliche die „Sicherung der sozialen Teilhabe durch Schul- und Kitabesuch sowie sportliche und kulturelle Aktivitäten“.
- Auch von Wirtschaft und Handel erwartet sich der Expertenrat der Bundesregierung nachhaltige Konzepte, um in Zeiten mit hohen Infektionszahlen die Übertragung zu minimieren. Als Beispiel nennen die Fachleute Homeoffice-Konzepte und Hygienemaßnahmen am Arbeitsplatz.
Corona-Expertenrat der Bundesregierung: Das sind die Themen
Erstmeldung: Berlin - Das Robert-Koch-Institut gibt die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus am Mittwoch (8. Juni) mit 84.655 an, bei einer bundesweiten Sieben-Tage-Inzidenz von 238,1. Vor einer Woche lag die Inzidenz noch bei 199,9. Experten warnen, dass im Herbst die nächste Corona-Welle bevorsteht und fordern eine entsprechende Vorbereitung. Am Mittwoch tagt dazu der Expertenrat der Bundesregierung - das sind die Themen.
Coronavirus: Expertenrat spricht über die nötigen Vorbereitung auf den Herbst und Winter
Im Kampf gegen den Coronavirus entschied die Regierung am 2. Dezember 2021, ein wissenschaftliches Expertengremium im Bundeskanzleramt einzurichten - den Expertenrat der Bundesregierung. Das Gremium nahm am 14. Dezember 2021 seine Arbeit auf und soll das Bundeskanzleramt anhand aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse über „infektionsbiologische, epidemiologische, gesundheitssystemische, psychosoziale und gesellschaftliche Entwicklungen“ informieren.
Insgesamt gehören 19 Experten und Expertinnen aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen dem Gremium an. Der Expertenrat gab bislang zehn Stellungnahmen ab, zuletzt Ende Mai zur Corona-Situation in Deutschland. Dabei betonten die Fachleute die Notwendigkeit des Infektionsschutzes für pflegebedürftige Menschen in Pflegeeinrichtungen.
Am Mittwoch geht es in der für 15 Uhr angesetzten Pressekonferenz um die nötigen Vorbereitungen Deutschlands auf den Herbst und Winter 2022/23. Es werden die Stellungnahmen der folgenden Experten erwartet, die Hinweise für die weiteren Schritte der Politik geben werden:
- Prof. Cornelia Betsch, Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt
- Prof. Christian Karagiannidis, ARDS und ECMO Zentrum Köln-Merheim, Universität Witten/Herden
- Prof. Heyo Kroemer, Vorsitzender des Corona-ExpertInnenrats und Vorstandsvorsitzender der Charité – Universitätsmedizin Berlin
- Prof. Leif Erik Sander, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité

Coronavirus-Vorbereitungen auf den Herbst: Diese Maßnahmen könnten kommen
Im Hinblick auf die Vorbereitungen für Herbst und Winter hatten sich Bund und Länder bei ihrem Spitzentreffen in der vergangenen Woche bereits auf die Vorbereitung einer neuen Impfkampagne verständigt. Zudem sicherten sie zu, dass bei einer weiteren Corona-Welle flächendeckende Schließungen von Schulen und Kitas vermieden werden sollten.
Die deutschen Landkreise verlangen indes eine zügige Anpassung des Infektionsschutzgesetzes im Hinblick auf den Herbst: „Zu den vorzusehenden Instrumenten zählen Maskenpflichten in Innenräumen und in Bussen und Bahnen, ebenso Kontaktbeschränkungen, wenn diese erforderlich werden sollten“, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe in der Mittwochsausgabe. Noch vor der Sommerpause solle der gesetzliche Rahmen geschaffen werden, um die Regelungen rechtzeitig anzupassen. „Erst im September mit der inhaltlichen Arbeit zu beginnen wäre zu spät“, so Sager weiter.
Bund und Länder nehmen in ihren Entscheidungen immer wieder Bezug auf die Empfehlungen des Expertenrates. Am Dienstagabend hatte FDP-Chef Christian Lindner jedoch deutlich gemacht, dass es aus seiner Sicht „Freiheitseinschränkungen pauschal nicht mehr geben“ solle, so der Politiker in der ARD-Sendung „Maischberger“.
Coronavirus: Diese Wissenschaftler sitzen im Expertenrat der Bundesregierung
- Prof. Reinhard Berner (Universität Dresden)
- Prof. Cornelia Betsch (Universität Erfurt)
- Prof. Melanie Brinkmann (TU Braunschweig, Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung)
- Prof. Alena Buyx (TU München, Deutscher Ethikrat)
- Prof. Jörg Dötsch (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin)
- Prof. Christian Drosten (Charité)
- Prof. Christine Falk (Medizinische Hochschule Hannover)
- Prof. Ralph Hertwig (Max-Planck-Institut für Bildungsforschung)
- Prof. Lars Kaderali (Universität Greifswald)
Prof. Christian Karagiannidis (ARDS und ECMO Zentrum Köln-Merheim) - Prof. Heyo Kroemer (Charité)
- Prof. Thomas Mertens (Ständige Impfkommission)
- Prof. Michael Meyer-Hermann (Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung Braunschweig, TU Braunschweig)
- Dr. Johannes Niessen (Gesundheitsamt Köln)
- Dr. Viola Priesemann (Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation)
- Prof. Leif Erik Sander (Charité)
- Stefan Sternberg (Landrat Ludwigslust-Parchim)
- Prof. Hendrik Streeck (Universitätsklinikum Bonn)
- Prof. Lothar Wieler (Robert Koch-Institut)
Die Vorbereitung auf den Herbst „läuft auf Hochtouren“, hatte Gesundheitsminister Lauterbach zuletzt gesagt - und sich zuversichtlich gezeigt. (AFP/dpa/bm)