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PET-Flaschen und mehr: Wie Mikroplastik in den menschlichen Körper kommt

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Von: Pamela Dörhöfer

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Mikroplastik
Leere PET-Mehrwegflaschen stehen auf einem Transportband einer Abfüllanlage. Die Plastikflaschen könnten mit verantwortlich sein für Mikroplastik-Ablagerungen im menschlichen Körper. © Ina Fassbender/dpa

Forscher weisen die kleinen Teilchen in Stuhlproben nach – welche Folgen sie für den Körper haben, ist ungewiss.

Wissenschaftler der MedUni Wien und des österreichischen Umweltbundesamtes haben in menschlichen Stuhlproben durchschnittlich 20 Plastikpartikel pro zehn Gramm Kot nachgewiesen. Die größten gefundenen Teilchen maßen 500 Mikrometer, das entspricht einem halbem Millimeter. 

Bei der europäischen Jahreskonferenz der Gastroenterologen im Oktober 2018 hatten die Forscher das Ergebnis bereits angekündigt, nun wurde die Studie im Fachjournal „Annals of Internal Medicine“ veröffentlicht. Die Wissenschaftler hatten dafür die Stuhlproben von fünf Frauen und drei Männern im Alter zwischen 33 bis 65 Jahren unter die Lupe genommen, die in unterschiedlichen Ländern leben: in Österreich, Finnland, Großbritannien, Italien, Japan, den Niederlanden, Polen und Russland. Keiner davon aß rein vegetarisch, alle konsumierten auch in Plastik verpackte Lebensmittel oder Getränke aus PET-Flaschen.

PET-Teilchen finden sich besonders oft 

Nach einer Vorbehandlung filterten die Wissenschaftler alle Teilchen aus dem Stuhl heraus, die größer als 50 Mikrometer waren. Die Proben untersuchten sie dann auf zehn gängige Kunststoff-Typen - neun davon fanden sie. Besonders oft kamen Polypropylen und Polyethylentherephthalat (PET) vor. Beides sind von der Industrie häufig verwendete Kunststoffe auf Rohölbasis, die in vielen Produkten des täglichen Gebrauchs verarbeitet sind. 

Polypropylen wird unter anderem als Material für Lebensmittelverpackungen, Einweggeschirr, Flaschenverschlüsse, Joghurtbecher oder Strohhalme genutzt. Weil Polypropylen keinen Weichmacher enthält, gilt es als weniger gesundheitsschädlich als manche anderen Kunststoffe.

BUND: PET-Flaschen geben Mikroplastik in Flüssigkeiten ab

PET ist das klassische Material der Plastikflaschen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland weist darauf hin, dass es Acetaldehyd und Antimontrioxid abgibt, wenn sich eine Flüssigkeit längere Zeit in einer PET-Flasche befindet; beide Verbindungen stehen im Verdacht, krebserregend zu sein. Hinzu können hormonell wirksame Stoffe kommen. Eine andere Untersuchung ergab, dass Flaschen aus PET mehr Mikroplastik als andere Gefäße abgeben.

In den vergangenen Monaten haben sich die Meldungen zu den winzigen Plastikteilchen gehäuft*. Sie schwimmen massenweise im Meer, wo sie von dort lebenden Kleinstorganismen und größeren Tieren wie Fischen, Muscheln oder Seevögeln aufgenommen werden. Auf diese Weise gelangen die Partikel in die Nahrungskette und können auch im menschlichen Körper landen*.

Auch Trinkwasser enthält Mikroplastik

Aber das ist keineswegs der einzige Weg. Auch Trinkwasser enthält Mikroplastik, und erst vor wenigen Wochen wiesen es Forscher an unterschiedlichen Orten im Schnee nach. „Je nach Lebensort und Ernährungsgewohnheiten nimmt jeder Mensch tausende bis hunderttausende dieser Partikel auf“, sagt Eicke Latz, Direktor des „Institute for Innate Immunity“ (angeborene Immunantwort) am Universitätsklinikum Bonn. „Diese kleinen Plastikpartikel kommen durch verschiedene Quellen wie Kosmetik, Mikrofasern in der Kleidung, Plastikverpackungen oder ganz einfach Plastikflaschen in unsere Umwelt und in den menschlichen Körper“. Aufgenommen würden sie über die Atmung, die Haut und vermutlich zum größten Teil über die Nahrung.

Mikroplastik und die Folgen: bislang nur Vermutungen

So oft Wissenschaftler bei Mikroplastik fündig geworden sind, so wenig erforscht sind dessen Folgen für die Gesundheit. Dazu gibt es bislang nur Vermutungen, jedoch keine belegten negativen Effekte, ebenso wenig wie eine nachgewiesene Unbedenklichkeit – auch wenn kürzlich die Weltgesundheitsorganisation WHO einen Bericht veröffentlichte, demzufolge Mikroplastik im Trinkwasser „nach heutigem Stand“ kein Gesundheitsrisiko darzustellen scheine.

Aus der Forschung an Tieren ist allerdings bekannt, das kleinste Teilchen durch Lücken in der Darmschleimhaut in den Körperkreislauf gelangen können. Alfonso Lampen, Leiter der Abteilung Lebensmittelsicherheit am Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin, geht indes davon aus, dass sich nur winzige Partikel, die kleiner als 1,5 Mikrometer sind, im Körper verteilen. Mögliche Reaktionen könnten Entzündungen oder oxidativer Stress sein.

Ähnlicher Effekt wie bei Asbest oder Silikaten vermutet

Auch der Bonner Immunologe Eicke Latz hält entzündlichen Reaktionen auf Plastikpartikel für möglich. Der Darminhalt werde vom Abwehrsystem ständig analysiert. „Dabei nehmen die Immunzellen auch gerne eine Probe des Darminhaltes auf.“ Es stelle sich die Frage, ob bei diesem natürlichen Prozess die Fresszellen dann auch auf Plastikpartikel stoßen. Weil die Teilchen schwer verdaulich seien, könnten sie in diesem Fall eine „schwelende Immunantwort“ auslösen, vermutet Latz – ähnlich wie es sich bei Silikaten oder Asbest verhält. Auch diese Substanzen können im Gewebe von den Fresszellen nicht abgebaut werden, was dann zu einer chronischen Entzündungreaktion führt. Würde das Mikroplastik im Darmgewebe bleiben, so könnte es zu Entzündungen und Tumoren im Darm beitragen, sagt Eicke Latz. Beide Erkrankungen haben in westlichen Ländern deutlich zugenommen.

Der Bonner Wissenschaftler hält es auch für denkbar, dass die im Darm aufgenommenen Plastikteilchen von den Immunzellen in andere Bereiche des Körpers transportiert werden und dort eine chronische Entzündung auslösen. Sollten sich diese Verdachtsmomente in künftigen Experimenten bestätigen, „wäre es spätestens an der Zeit, die Aufnahme dieser Plastikpartikel so weit wie möglich zu reduzieren“, mahnt Latz: Aus „gutem Grund“ werde Asbest deshalb in vielen Ländern nicht mehr als Bausubstanz verwendet.

Mikropartikel binden Gifte wie Insektizide, Fungizide oder Herbizide

Eleonore Fröhlich von der Medizinischen Universität Graz weist noch auf einen anderen möglichen Effekt hin. Ihr erscheint es als wahrscheinlich, dass die Mikropartikel auch Gifte wie Insektizide, Fungizide oder Herbizide aus der Umwelt binden. Auf diese Weise könnten die toxischen Stoffe dann ihren Weg in den menschlichen Körper finden. Andererseits, so Fröhlich, sei es aber auch vorstellbar, dass die Plastikpartikel Gifte aus der Nahrung binden und dadurch deren Aufnahme in den Körper verhindern würden. Auch diese Fragen gelte es in künftigen Studien zu klären.

*fr.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Redaktionsnetzwerks.

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