Bewertung der Corona-Maßnahmen: Experten legen Bericht vor – Kritik an Lockdowns sowie 2G und 3G
Die Evaluation der bisherigen Corona-Maßnahmen wird mit Spannung erwartet. Am Freitag stellen die Sachverständigen ihre Ergebnisse vor.
Update vom 1. Juli, 13.05 Uhr: Bei der Pressekonferenz der Sachverständigen am Freitag in Berlin, schilderten die Experten ihre Ergebnisse der Evaluierung der bisherigen Corona-Maßnahmen. Dabei bestätigten die anwesenden Wissenschaftler die bereits zuvor durchgesickerten Informationen. Die Forscher stellten klar, dass die Ergebnisse ihrer Auswertung „keine Generalabrechnung“ sind. Vielmehr sollen die Daten als Grundlage für das weitere Vorgehen in der Pandemie dienen.
„Die Ansprüche an die Kommission und an den Bericht sind hoch“, sagte Helga Rübsamen-Schaeff, die stellvertretende Vorsitzende der Evaluierungs-Kommission. Die Erfüllung des Arbeitsauftrags sei aber „erheblich“ dadurch erschwert worden, „dass wir eben zur Bewertung erst zwei Jahre nach Beginn der Maßnahmen aufgefordert worden sind“. Ein zentrales Problem sei gewesen, dass es „nicht gelang, seit dem Beginn der Pandemie eine ausreichende, stringente und begleitende Datenerhebung zu etablieren“.
Bewertung der Corona-Maßnahmen: Experten beklagen „schlechte Datenlage“
„Wir haben eine schlechte Datenlage“, monierte auch der Virologe Hendrik Streeck. Es sei schwer, die einzelnen Maßnahmen gesondert zu bewerten, da zu verschiedenen Zeitpunkten, verschieden Maßnahmenpakete veranlasst wurden. Streeck erklärte, Lockdowns seien nur solange wirksam, wie die Bevölkerung sie akzeptiere und mitmache. Zudem machte der Virologe auch darauf aufmerksam, dass bei der Maskenpflicht das richtige Tragen entscheidend ist.
Eine weitere umstrittene Maßnahmen waren Schulschließungen. Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), Jutta Allmendinger, hat als Lehre aus den Folgen der Corona-Pandemie einen Rechtsanspruch auf soziale Kontakte für Kinder gefordert. Es gebe Gewissheiten über psychische Auswirkungen auf Kinder. Folglich sei „so etwas wie ein Rechtsanspruch auf ein Mindestmaß an sozialen Kontakten“ nötig, erklärte Allmendinger. Sie stellte weiter heraus, dass es auch in den Familien insgesamt negative Auswirkungen durch Schulschließungen gegeben habe – etwa einen „Rückfall in alte Geschlechterrollen“ und ein „unglaubliches Ausmaß an mentaler Erschöpfung“.

Bewertung der Corona-Maßnahmen: Experten legen Bericht vor
Erstmeldung vom 1. Juli: Berlin - Es ist Sommer in Deutschland. Die Temperaturen sind hoch, das Wetter meist freundlich und das Coronavirus spielt derzeit nur eine Nebenrolle. Experten und Politiker werden allerdings nicht müde, ihre Sorgen vor einer neuen, schweren Corona-Welle im Herbst zu äußern. Welche Maßnahmen sollen dann getroffen werden? Bevor darüber entschieden wird, hat die Ampel-Koalition – vor allem auf Wunsch der FDP – vereinbart, die wissenschaftliche Bewertung der bisherigen Corona-Beschränkungen abzuwarten. Eine Expertenkommission legt am Freitag (1. Juli) gegen 12 Uhr die Ergebnisse ihrer Evaluation vor.
Dem Sachverständigenausschuss, der je zur Hälfte von der Bundesregierung und dem Bundestag besetzt wurde, gehören Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen an. Die Evaluation soll vor allem die Vorgaben im Rahmen der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ beleuchten. Diese vom Bundestag laut Infektionsschutzgesetz festgestellte Lage bestand über mehrere Monate bis Ende November 2021 und ermöglichte unter anderem Lockdowns, Schließungen verschiedener Einrichtungen sowie Alltagsauflagen – beispielsweise die 2G- und 3G-Regelungen.

Aus dem Gremium war bereits signalisiert worden, dass in der Frist bis Ende Juni keine „Vollevaluation aller Maßnahmen“ zu leisten sei. Zudem waren Erwartungen an konkrete Empfehlungen für die Politik gedämpft worden. In der Koalition pochte aber vor allem die FDP auf die Evaluation als Voraussetzung für weitere Schritte. Für den Herbst muss eine Anschlussregelung gefunden werden, weil die zum Frühjahr stark zurückgefahrenen Corona-Bestimmungen im Infektionsschutzgesetz als bundesweite Rechtsgrundlage am 23. September auslaufen.
Zwist zwischen den Corona-Experten: Bericht ist Stöhr wohl nicht kritisch genug
Der Sachverständigenausschuss zu den bisherigen Corona-Maßnahmen ist nicht mit dem Expertenrat der Bundesregierung zu verwechseln, der schon mehrere Stellungnahmen zu anstehenden Entscheidungen vorlegte. Um das Gremium hatte es Wirbel gegeben, nachdem Virologe Christian Drosten Ende April seinen Rückzug mitgeteilt hatte. Zur Begründung hieß es unter anderem, dass Ausstattung und Zusammensetzung des Gremiums aus seiner Sicht nicht ausreichten, um eine hochwertige Evaluierung gewährleisten zu können. Für Drosten rückte auf Vorschlag der Union der Virologe Klaus Stöhr nach.
Stöhr gilt als Kritiker vieler Corona-Maßnahmen. Zuletzt warf der Virologe Gesundheitsminister Lauterbach „Panikmache“ mit Blick auf die derzeitige Sommerwelle vor. Wie die Bild berichtet, soll es in dem Sachverständigenausschuss deshalb zu einem Zwist gekommen sein. Die Evaluation der bisherigen Corona-Maßnahmen ist Stöhr demnach nicht kritisch genug. Er wollte dem Bericht zufolge die Bewertung verschärfen, stieß in der Hinsicht bei den übrigen Mitgliedern allerdings auf Widerstand.
Bewertung der Corona-Maßnahmen: Kritik an Lockdowns sowie 2G und 3G
Das Papier der Sachverständigen soll am Freitag um 12 Uhr bei einer Pressekonferenz vorgestellt werden. Wie die Bild weiter berichtet, sollen darin unter anderem die Lockdowns schlecht wegkommen. Sie hätten „einen kurzfristigen positiven Effekt“, würden aber „auf Dauer von der Bevölkerung weniger akzeptiert werden und ihre Wirkung verlieren“.
Zudem soll es in der Bewertung auch Kritik an der 2G- und 3G-Regelung geben. Die „nachgewiesene Wirkung“ erscheine „eher gering“, soll laut Bild dazu im Evaluationspapier der Experten stehen. Zudem sei das Ziel der Politik, durch die Maßnahme mehr Leute zu einer Corona-Impfung zu bewegen, verfehlt worden.
Die Maskenpflicht wird von den Experten differenziert betrachtet. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, könne sie laut dem Papier „ein wirksames Instrument in der Pandemiebekämpfung“ sein. Allerdings sei dabei das richtige Tragen der Masken entscheidend. „Eine schlechtsitzende und nicht enganliegende Maske hat einen verminderten bis keinen Effekt“, heißt es demnach im Bericht der Sachverständigen. Laut den Experten ist nicht klar, ob der Corona-Schutz bei FFP2-Masken besser ist als bei OP-Masken. (ph/dpa)