1. Wetterauer Zeitung
  2. Kultur

Krimi-Nachschub aus Darmstadt

Erstellt:

Kommentare

Region_Hannover_Zehn_629_4c
Die Wälder dieser Welt versorgen die Menschheit mit Sauerstoff. Doch was, wenn eine geheimnisvolle und sich weltweit ausbreitende Krankheit die Bäume sterben lässt? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein Öko-Thriller aus Darmstadt. © DPA Deutsche Presseagentur

Die Darmstädter Autoren Andreas Roß und Frank Schuster haben jeweils einen neuen Krimi veröffentlicht. Der eine Mörder hat es auf Opfer aus Darmstadt abgesehen, der andere möchte offenbar die gesamte Menschheit in den Abgrund stürzen.

Der Mäzen« von Andreas Roß ist der zweite Krimi rund um den Ermittler Benjamin Dobermann. Roß greift in seinem neuen Buch Erzählstränge aus dem vor drei Jahren erschienenen Dobermann-Premierenband »Innere Schreie« auf und entwickelt sie weiter. Als er damit begann, den zweiten Band zu schreiben, sagt der 60-jährige Roß, der seit 1985 in Darmstadt lebt und seit Jahrzehnten als Sozialarbeiter unterwegs ist, habe er zunächst an eine Szene gedacht, bei der es um eine frisch verliebte junge Frau geht, die von einem Auto erfasst und brutal aus dem Leben gerissen wird. Wie es sich für eine ökologisch orientierte Darmstädterin gehört, ist die frisch Verliebte radelnd in der Innenstadt unterwegs.

Als Tatort hat sich Roß eine von Pendlern viel genutzte Straße in Darmstadt ausgesucht. Auch die Passagen, die er über den jungen Kommissar schrieb, erschienen dem Krimiautor fast schon wie »fremdbestimmt«. Also habe er immer weiter geschrieben.

»Der Mäzen« spielt im Spätsommer 2008. Am Rand des Walds des Darmstädter Stadtteils Bessungen wird unter einer Trauerweide eine Leiche gefunden. Sie ist kunstvoll einbalsamiert und in einem hellblauen VW-Käfer aufgebahrt. Der junge Kommissar macht sich gemeinsam mit einem Kollegen und seiner neuen Liebe ans Werk. Doch bald schon gibt es weitere Opfer.

»Skurrile Gestalten führen die Kommissare an der Nase herum, bedrohen sie mit dem Tode und bringen sie an ihre Grenzen«, heißt es in der Verlagsankündigung. Und Roß verspricht einen »Showdown« auf dem belebtesten Platz von Darmstadt.

Neben zwei Kurzgeschichtensammlungen sind von Roß bislang fünf Kriminalromane erschienen. Von 1996 bis 2008 veröffentlichte er monatlich Kurzkrimis im Darmstädter Magazin »Vorhang Auf!«. Roß ist Mitglied der Krimiautor:innenvereinigung »Syndikat« und der Literaturgruppe »Poseidon«. Seine Zuneigung zum Krimi-Genre entwickelte er insbesondere in der Zeit, als er in verschiedenen Justizvollzugsanstalten tätig war. Hinzukam die Liebe zu seiner Wahlheimatstadt Darmstadt.

Sauerstoff wird knapp

»Odenwald« von Frank Schuster ist der erste Klima-Thriller des Autors. Der Redakteur des »Darmstädter Echos« und ehemalige Mitarbeiter bei »Ökotest« und »Frankfurter Rundschau« beschäftigt sich darin mit den Folgen des Klimawandels und der Frage, wer eigentlich die Erde beherrscht - nämlich die Pflanzen. Denn ohne sie wäre Leben gar nicht möglich.

In dem 200 Seiten starken Taschenbuch rollt Schuster eine ausgeklügelte Handlung um eine rätselhafte Krankheit aus, die im Odenwald ihren Anfang nimmt und sich auf die ganze Welt ausbreitet. Bäume und Pflanzen stellen ihr Wachstum ein, der Sauerstoff in der Atmosphäre droht knapp zu werden. Die Frankfurter Botanikerin Monika Weber ist mit der Untersuchung des neuartigen Waldsterbens im Odenwald betraut. Sie und der Revierförster Bernd Heidereiter stoßen auf Ungeahntes: Im nahe gelegenen Friedwald ist der berüchtigte Klima-Terrorist Florian »Greenhood« Keller bestattet.

Zufall - oder führt der ehemalige Serienmörder über seinen Tod hinaus einen mörderischen Plan aus? Seine Motivation wird durch die Retrospektive seiner Schwester Diana beleuchtet. Anregung für den Bösewicht gab der US-amerikanische Ökoaktivist Theodore John Kaczynski, der in den 1980/90er Jahren als einsamer Waldbewohner durch Briefbomben Menschen tötete und verletzte. Ihm eifert Greenhood nach.

»Odenwald« geht damit auch der Frage nach, wie weit man gehen darf, um sich für Naturschutz einzusetzen. Inspiriert wurde der Autor durch das Buch »Die Intelligenz der Pflanzen« des Pflanzenforschers Stefano Mancuso. Darin geht es um die Möglichkeit, dass Pflanzen eine Schwarmintelligenz besitzen. Insgesamt versucht Schuster sich an biologische Fakten zu halten.

Anders als beim Öko-Thriller »Der Schwarm« von Frank Schätzing gehe es in seinem Werk jedoch »ruhiger vonstatten«, sagt Schuster. »Nicht die Tiere rebellieren gegen den Menschen, sondern die Pflanzen drehen uns die Luft ab.«

Schuster, Jahrgang 1969, studierte Germanistik, Anglistik, Musikwissenschaft und Kunstgeschichte in Frankfurt, Marburg und Oxford. Er hat seit 2003 bereits mehrere Bücher und Kurzgeschichten geschrieben. Etwa den Roman »Sternenfutter« (2018) und das Jugendbuch »Das Haus hinter dem Spiegel« (2014). Er verfasste außerdem Beiträge in »Tatort Darmstadt« (2022) und »Co-ro-na« (2020). Schuster ist Mitglied der Literaturgruppe »Poseidon«.

Frank Schuster: Odenwald, Mainbook Verlag, 200 Seiten,12 Euro, ISBN: 978-3-948 987-66-4

Andreas Roß: Der Mäzen, Mainbook Verlag, 280 Seiten, 13 Euro, ISBN 978-3-948 9087-65-7

Die Japanerin Riku Onda hat im vergangenen Jahr mit »Die Aosawa-Morde« ihr Talent für komplexe und hintergründige Spannungsromane gezeigt. Ähnlich vielschichtig ist ihr gerade in deutscher Übersetzung veröffentlichter Roman mit dem ungewöhnlichen Titel »Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen«.

Die Handlung des kurzen Buches ist täuschend einfach. Eine Frau und ein Mann treffen sich zu einem letzten Abendessen in der mittlerweile leeren Wohnung, in der sie gelebt haben. Danach wollen sie getrennte Wege gehen. Die Stimmung ist gedrückt, denn beide haben Hintergedanken, mit denen sie in das Treffen gehen. Sie wollen die Wahrheit über einen Vorfall herausfinden, der die letzten Monate überschattete.

Vor einem Jahr hatten sie eine Bergwanderung unternommen, bei der ein Bergführer in den Tod stürzte. Die beiden verdächtigen einander insgeheim des Mordes. Aber die Wahrheit ist viel komplizierter. Das Bild von den Fischen, die in Sonnensprenkeln schwimmen und daher kaum auszumachen sind, beschreibt die Schwierigkeit, die Wahrheit zu finden.

Onda erzählt die Geschichte abwechselnd aus der Sicht der beiden Hauptfiguren. Sie belauern einander, entdecken neue Facetten und stellen nach und nach fest, dass die Hintergründe ganz andere sind, als sie ursprünglich gedacht hatten. Die Autorin erzählt mit viel Gespür für Spannungsaufbau und psychologische Komplexität. dpa

Riku Onda: Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen. Atrium Verlag, Zürich, 220 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-85 535 -024-7

Das drohende Ende der Menschheit geht von einem Friedwald im Odenwald aus, ein Serienkiller treibt in Darmstadt sein Unwesen - zum Glück nur in der Fantasie von Krimi-Autoren, sicher festgehalten zwischen zwei - beziehungsweise vier - Buchdeckeln. Regionalkrimis sind nach wie vor beliebt, zwei neue stellen wir Ihnen heute auf dieser Seite vor. Einer davon ist nicht nur Regionalkrimi, sondern auch Öko-Thriller, ein weiteres boomendes Genre.

Zwischen realem Krieg und Magie bewegt sich die Protagonistin in Lisa Weedas Debütroman »Aleksandra«, der in den Niederlanden bereits ein Bestseller ist und nun auch ins Deutsche übersetzt wurde. Und auch das vierte Buch auf dieser Seite verspricht durch psychologische Komplexität Spannung und gute Unterhaltung. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen ein Wochenende, an dem Sie viel Zeit zum Lesen finden! kan

Lisa Weeda ist eine niederländische Schriftstellerin, ihre Großmutter stammt aus der Ostukraine. Über dieses Land, auf das heute alle Welt schaut, hat ihre Enkelin den Roman »Aleksandra« geschrieben.

Es ist August 2018. Lisa steht an der Grenze zum Donbass, der Heimat ihrer Großmutter. Sie soll dort das Grab ihres Onkels Kolja finden, doch sie darf nicht weiterreisen. Im Osten der Ukraine wird heftig gekämpft. Doch Lisa trotzt den Wachsoldaten, rennt durchs Kornfeld und landet plötzlich in einem magischen Palast, in dem ihr die Vergangenheit aufersteht.

So beginnt die abenteuerliche, packende Reise. Weeda erzählt in dem Roman die Geschichte ihrer Familie und der Ukraine, ein Jahrhundertpanorama voller Gewalt, Krieg, Tod, Liebe und Sehnsucht.

Der Debütroman der 34 Jahre alten Autorin wurde in den Niederlanden nach Erscheinen 2022 zum Bestseller, mehrfach ausgezeichnet und mittlerweile in viele Sprachen übersetzt. Inzwischen hat die Realität die Geschichte eingeholt.

Lisa erzählt die Geschichte ihrer Großmutter, die von den Nationalsozialisten als Zwangsarbeiterin nach Deutschland geschickt worden war. Dort wird sie später ihren Mann kennenlernen und in die Niederlande ziehen.

Im magischen »Palast des verlorenen Donkosaken« trifft die Ich-Erzählerin auf ihren Urgroßvater. Der führt sie durch die vielen Säle. Darin erleben die beiden wie in einem Fiebertraum die Geschichte des Landes und der Familie von etwa 1914 bis 2014. Das Ende des Zarenreiches, die Revolution, die deutsche Besatzung, der Terror von Stalin, und immer wieder Krieg. Die Familie, die trotz allem versucht, standhaft und zusammen zu bleiben.

Für Weeda ist dieser Roman »ein Denkmal für meine Familie«. Und das besteht aus vielen kleinen poetischen Szenen: Eine Nähmaschine, die wie ein kostbarer Schatz im Garten vergraben wird. Ein besticktes Tuch. Das kleine Foto, das Aleksandra von ihrer Familie blieb. dpa

Lisa Weeda: Aleksandra, Kanon Verlag, aus dem Niederländischen von Birgit Erdmann, 288 Seiten, ISBN 978-3-98568-058-0

Unbenannt_180323_4c
Unbenannt_180323_4c © Red
Unbenannt_180323_1_4c
Unbenannt_180323_1_4c © Red
Cover_Onda_Fische-die-in_4c
Cover_Onda_Fische-die-in_4c © Red
_513856Yi5BL_SX373_BO120_4c
_513856Yi5BL_SX373_BO120_4c © Red

Auch interessant

Kommentare