Diskussion um Abstufung

Der Landkreis Gießen sowie Lollar und Wettenberg ringen noch um die geplante Übertragung der Waldhausstraße an die Kommunen. Noch offen: Der Wunsch nach der Widmung als Fahrradstraße.
Mitten im Krofdorfer Forst, zwischen dem Forsthaus Waldhaus und dem Abzweig zur Schmelzmühle, wird kräftig gebaut. Seit 14 Tagen ist in Höhe des Weihers Hirschsprung die Straße aufgerissen. Dort werden neue Querungshilfen für Amphibien, geschaffen. Die aus vergangenen Zeiten vorhandenen, aber nicht mehr funktionsfähigen Betonröhren werden gegen neue ausgetauscht. Sobald diese Arbeiten abgeschlossen sind und die Witterung es zulässt, wird mit der eigentlichen Sanierung der Straße begonnen.
Geplant sind zwei Abschnitte: Von der Schmelz zum Waldhaus und dann vom Waldhaus bis nach Krofdorf. Bis Ostern, so der Plan, könnten die Arbeiten abgeschlossen sein. Bauherr ist der Landkreis Gießen. Dieser stellt rund 2,1 Millionen Euro für die Sanierung bereit. Danach soll die Straße vom Kreis an Lollar und Wettenberg abgegeben werden. Dort ist die Bereitschaft jedoch ausgesprochen gering, die Chaussee zu übernehmen. Bedeutet dies in Folge doch Winterdienst, Instandhaltung et cetera.
Am Montag fand ein neuerliches Gespräch zwischen den Bürgermeistern Marc Nees (Wettenberg) und Jan-Eric Dort (Lollar) sowie den beiden Kreis-Dezernenten Christopher Lipp (Bauen) und Christian Zuckermann (Verkehr) statt. Thema war zum einen die strittige Übertragung der Kreisstraße ins Eigentum der Kommunen. Zum anderen die Wettenberger Idee, die Straße zu Teilen als Fahrradstraße auszuweisen.
Eine Einigung gibt es immer noch nicht. Doch der Dialog funktioniert. Nees berichtete von einem »guten Gespräch«. Es sei »im gemeinsamen Interesse des Kreises sowie von Lollar und Wettenberg, keine atmosphärischen Störungen grundsätzlicher Natur zu schaffen«, sagte er.
Nees und Dort haben den Kreis-Vertretern nochmals die Sorgen und Bedenken dargelegt: Die Frage der Unterhaltungskosten für die fraglichen knapp zehn Kilometer. Oder das Teerpech, das im Unterbau zu finden ist. Was, wenn dies dann doch mal entsorgt werden müsste? In Lollar stellt sich zudem die Frage zweier Brücken über die Salzböde. Insbesondere das eine, mehrete hundert Jahre alte Bauwerk ist besonders im Blick.
Jetzt will Nees alle Kosten zusammenstellen und mit dem Kreis in weitere Gespräche gehen. Dann werde man ganz genau hinschauen und zudem rechtlichen Rat einholen. Der nächste Gesprächstermin mit dem Kreis ist noch vor Ostern terminiert..
Was die Widmung als Fahrradstraße anbelangt, so hatte man in Wettenberg gewünscht, dass der Kreis dies noch umsetzt. Die Idee von SPD und Grünen in Wettenberg: Die Noch-Kreisstraße vom Waldrand bei Krofdorf bis zum Waldhaus als »unechte Fahrradstraße« auszuweisen. Dann wären auf diesem Abschnitt Kraftfahrzeuge erlaubt, die Radler aber gleichberechtigt. Die Höchstgeschwindigkeit auf einer »unechten Fahrradstraße« beträgt für alle Verkehrsteilnehmer 30 km/h. Fahrräder dürfen nebeneinander fahren. Es gilt ein Überholverbot für Autos, Lkw und Traktoren, weil die Fahrbahnbreite den nötigen Sicherheitsabstand zum Fahrrad nicht hergibt.
Vom Waldhaus bis zum Abzweig Schmelz soll die K 394 echte Fahrradstraße werden, so die Vorstellung. Dann wäre dort motorisierter Verkehr verboten.
Der Kreis sammelt schließlich bereits Erfahrungen mit einer Kreisstraße als Fahrradstraße. Bis September läuft ein Verkehrsversuch zwischen Daubringen und Lollar. Verkehrsdezernent Zuckermann kann sich dies als Pilot für weitere Kreisstraßen durchaus vorstellen.
Das Signal aus dem Kreishaus also zu Beginn dieser Woche: Offenheit und Sympathie zwar für die Idee. Doch die Ausweisung könne Wettenberg in Eigenregie vornehmen - wenn die Gemeinde später im Besitz der Straße durch den Wald sei.
Warum so zögerlich? Klar ist, beim grünen Dezernenten Zuckermann werden mit der Stärkung des Radverkehrs die sprichwörtlichen offenen Türen eingerannt. Der Erste Beigeordneter Lipp allerdings, vom großen Koalitionspartner CDU, hat womöglich einen etwas schwierigeren Stand. War es doch seine Partei, die in den vergangenen Jahren vehement für die durchgängige Befahrbarkeit der Waldhausstraße auch für den Autoverkehr geworben hatte. Lipp müsste eine Fahrradstraße also erst einmal in seiner Union vermitteln.
Es ist seit vielen Jahren das erst Mal, dass eine ganze Straße in ihrer Funktion abgestuft und vom Kreis an die Gemeinden übertragen werden soll. Insofern könnte das Verfahren ein Präzedenzfall werden. Auch wenn es seitens des Landkreises derzeit keine konkreten Überlegungen gibt, mit anderen Straßen ähnlich zu verfahren, so darf doch davon ausgegangen werden, dass mit der Waldhausstraße eine Blaupause für etwaige künftige Verfahren dieser Art geliefert wird.