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Altes und Neues kombinieren: Ehepaar restauriert liebevoll alte Hofreite im Kreis Gießen

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Von: Rüdiger Soßdorf

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Julia und Helge Hessler restaurieren im Herzen von Wißmar eine alte Hofreite - und kombinieren dort Altes mit Neuem. Ein Fachwerkbau wird energetisch in die Zukunft gebracht.

Wettenberg - Wir schreiben das Jahr 1789: In Frankreich tobt die Revolution, es rollen Köpfe - und in Wißmar errichtet ein Bauer ein Wohnhaus auf »Wolfe Berg«, zudem Scheune, Nebengebäude, Stallungen. Es ist bis heute eines der großen alten Gehöfte mitten im Dorf, zu finden an der Ecke Langgasse/In der Ecke mit der Hausnummer 1. Alten Wißmarern ist das Anwesen noch geläufig unter dem Dorfnamen »Hannams«; die mundartliche Verkürzung eines früheren Eigentümers namens Johann Adam, wie Dieter Prinz in der Wißmarer Chronik verzeichnet hat.

Derzeit ist das einstige bäuerliche Anwesen wieder Großbaustelle. Julia und Helge Hessler bauen Haus und Nebengebäude komplett um, schaffen dort Wohnraum für ihre Familie.

Was hat der Hof nicht alles gesehen: Über Jahrhunderte war er von Landwirtschaft geprägt, später fand dort etwa eine Schusterwerkstatt Platz, in den 1990ern wurde die Hofreite modernisiert und zu Büroräumen umgebaut. Um jetzt wieder Heimat für eine junge Familie zu werden.

Derzeit sind alle Gebäude entkernt, Mauern und Fachwerk liegen offen, die Dächer sind teils abgedeckt. Ende 2021 haben die Arbeiten begonnen.

Alte Hofreite in Wißmar: Ursprüngliche Idee war der Bau eines modernen Hauses

Die ursprüngliche Idee war eine andere, berichtet Helge Hessler: Nämlich der Neubau eines modernen Hauses auf der sprichwörtlichen »grünen Wiese«. Doch eines lauen Sommerabends auf der Dachterrasse stellten sich die jungen Leute die Frage: Warum denn eigentlich nicht das historische Ensemble sanieren und revitalisieren? Und zwar von Grund auf, auf der Basis neuester energetischer Standards. Danach fing das große Planen an.

In den 1990er Jahren hatten die Eltern von Helge Hessler »Hannams Hof« erworben und nach dem damaligen Stand der Technik saniert und modernisiert: Neue Fenster, Dämmung, Trockenbau-Arbeiten, Erhalt des wunderschönen Fachwerks.

Jetzt, ein Vierteljahrhundert später, wird dieser Ansatz neu aufgegriffen. »Die historische Substanz soll energetisch in die Zukunft gebracht werden«, sagt Helge Hessler. »Uns geht es bei dem Bau darum, den alten Bestand zu restaurieren und mit Neuem zu kombinieren«.

Angesichts des Fachwerks verbietet sich eine Außendämmung; ergo erfolgt die Isolierung innen mit etwa zehn Zentimeter starken Holzweichfaserplatten. Doch auch da wird nicht einfach alles verkleidet. In den Gebäude wird nicht nur an der äußeren Fassade die Konstruktion sichtbar bleiben. Durch den teilweisen Verzicht auf Zwischendecken in den hohen Räumen geht ebenso im Inneren der Blick nach oben in die offene Fachwerkstruktur. »Die wollen wir erlebbar machen«, sagt Helge Hessler und die Vorfreude blitzt aus seinen Augen.

Ehepaar aus Wißmar: „Nachhaltigkeit ist uns extrem wichtig“

Eine Kombination aus Alt und Neu auch bei der Energieversorgung: Ursprünglich war an die Nutzung von Erdwärme gedacht. Die Genehmigung für Bohrungen bis in 160 Metern Tiefe liegen längst vor. Doch mittlerweile werden nochmals andere Wege eingeschlagen: Die Kombination aus einem Scheitholzkessel, einer Wärmepumpe und Fotovoltaik.

»Nachhaltigkeit ist uns extrem wichtig«, sagt Hessler. Zudem ein hohes Maß an Autarkie. Um eben so wenig wie möglich von Gas- oder Stromversorgern abhängig zu sein. Die Regenwassernutzung nach Einbau einer Zisterne ist ohnehin eine Selbstverständlichkeit.

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Im Herzen von Wißmar befindet sich seit 1789 diese Hofreite. Derzeit steht eine Totalsanierung an. © Ruediger Sossdorf

Dass das ganze Vorhaben im Einklang mit den Vorgaben des Denkmalschutzes umgesetzt wird, das versteht sich von selbst. Schließlich gilt In der Ecke im Herzen von Alt-Wißmar Ensembleschutz.

Die Ideen von Julia und Helge Hessler nahmen unter Begleitung durch das renommierte Architekturbüro Ferranti & Schnell Gestalt an und mündeten in ersten Entwürfen und Visualisierungen.

Neben Treppe zum Obergeschoss soll Rutsche Platz finden

Mittlerweile ist der Wettenberger Architekt Dietmar Moos mit der Ausführungsplanung und der Bauleitung betraut. Helge Hessler: »Er ist es, der die Architektursprache, die wir uns wünschen, auch umsetzt.« Jetzt, wo fast alles frei liegt, kann der Auf- und Ausbau beginnen, vom wohltemperierten Bruchstein-Weinkeller bis zum Kinderzimmer für den kleinen Len.

Worauf freut sich der knapp dreijährige Hessler-Junior ganz besonders? »Sag’s schon«, ermuntert Mama Julia. Und der Kleine strahlt: »Eine Rutsche!« Die soll neben der Treppe zum Obergeschoss Platz finden.

Wenn alles nach Plan läuft, dann wird der junge Mann in gut einem Jahr - das Ziel heißt Ostern 2024 - das erste Mal die Rutsche im neuen Zuhause ausprobieren können. (Rüdiger Soßdorf)

Eine weitere Restaurierung im Kreis Gießen: Innerhalb von 13 Monaten sanieren Janina und Christopher Kane das denkmalgeschützte „Boppehaus“ in Langgöns.

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