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Landwirte befürchten öde Landschaften: Kritik wird beim »Tag der Region« laut

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Von: Patrick Dehnhardt

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Maximilian Becker sagt, dass es den Junglandwirten wichtig sei, die Höfe weiterzuführen.
Maximilian Becker sagt, dass es den Junglandwirten wichtig sei, die Höfe weiterzuführen. © Patrick Dehnhardt

Die Bürger stellen immer mehr Ansprüche an die Arbeit der Bauern, viele wollen jedoch für Lebensmittel nicht mehr Geld zahlen: Die Landwirte kritisierten dies nun in Eberstadt.

Egal, ob Landwirte ins Maislabyrinth, zum Tag des offenen Hofs oder auch Kürbisfest laden - die Besucherzahlen sind stets sehr gut, wenn das Wetter mitspielt. Doch im Alltag vermissen die Bauern immer mehr das Verständnis der Bürger und Politik für ihre Arbeit. Beim »Tag der Region« am Eberstädter Maislabyrinth stand diese Kritik im Fokus der Aufmerksamkeit. Hierhin hatten der Verein »Gießener Land«, die Landjugend und Familie Weisel eingeladen.

Maximilian Becker von der Landjugend beantwortete die ihm oft gestellte Frage, warum er noch Landwirtschaft macht: »Uns ist wichtig, dass Betriebe weitergeführt werden.« Die Höfe seien oft schon von den Großeltern der Großeltern aufgebaut worden. Man stelle sich der aktuellen Diskussion um Tierschutz und biologischer Landwirtschaft, etwa beim Tag der Region. Hier habe man bewusst auch eine Pflanzenschutzspritze ausgestellt, um mit den Besuchern darüber ins Gespräch zu kommen. Becker zeigte sich überzeugt: »Wir produzieren in Deutschland mit die besten Produkte der Welt.«

Schmal: Nirgendwo in der Welt so geringe Preise

Karsten Schmal, Präsident des Hessischen Bauernverbandes, stimmte dem zu, gab aber zu bedenken: »Es gibt nirgendwo in der Welt so hochwertige Produkte zu so geringen Preisen.« Gerade zurück vom Weltmilchgipfel in der Türkei hätten ihn einige Zahlen beeindruckt: Dort läge das Durchschnittseinkommen im Vergleich zu Deutschland nicht einmal bei der Hälfte, der Fleischpreis sei jedoch deutlich höher. Und gleichzeitig seien die Zustände in den dortigen Ställen mit den deutschen Standards nicht zu vergleichen.

Der Licher Stadtrat Klaus Doll erinnerte sich daran, dass in seiner Jugend noch 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft arbeiteten. Heute sei es nur noch ein Prozent. »Darum haben viele teils abstruse Vorstellungen, was in der Landwirtschaft passiert.« Kreisbeigeordnete Dr. Christiane Schmahl listete auf, was von den Landwirten erwartet würde, von tier- und umweltfreundlich bis hin zu Bioanbau. »Andererseits sind viele Verbraucher nicht bereit, die erforderlichen Preise zu zahlen.«

Öde Felder befürchtet

Die Landwirte Clemens Lischka und Ralf Becker unterhielten sich am Rande der Veranstaltung über die Vielzahl der Vorschriften für ihren Berufsstand. Mittlerweile würden Anforderungen aufgestellt, die selbst Bio-Landwirte nicht erfüllen könnten, sagte Lischka. Ralf Becker berichtete von gegensätzlichen Forderungen, zwischen denen die Bauern stünden: »Auf der einen Seite soll es ein Glyphosatverbot geben und das Unkraut mechanisch bekämpft werden. Die Wasserwirtschaft hingegen will möglichst wenig Bodenbearbeitung. Und wir müssen dann in den Spagat gehen.« Lischka befürchtet, dass durch die weiter steigenden Auflagen irgendwann ganze Landstriche nicht mehr bewirtschaftet werden können und verwildern. Kurt Hillgärtner vom Verein Gießener Land sagte: »Wenn keiner mehr was macht, haben wir in Deutschland nur noch Tundra.«

Mittelhessen anfällig für Flächenfraß

In Mittelhessen sind die Flächen jedoch nicht unbedingt von Verödung, sondern durch Bebauung gefährdet. Kreisbeigeordnete Schmahl sprach davon, dass man durch die Lage an den Autobahnen »gefährlich attraktiv für den Flächenfraß« sei. Doch auch hier seien die Verbraucher in der Mitverantwortung. Schmahl sagte: »Es wird fleißig im Internet bestellt, aber sich dann gewundert, dass sich der Acker gegenüber in ein Logistikzentrum verwandelt.«

Im Rahmen der Veranstaltung präsentierten zahlreiche Direktvermarkter, aber auch regionale Handwerker ihre Produkte und Dienstleistungen. Der »Mobile Schweinestall« gab einen Einblick in die Schweinehaltung. Zudem hatte das Maislabyrinth geöffnet.

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