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Dorfporträt: Dornholzhausen – Ein Dorf mit Eseln und Handball

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Von: Patrick Dehnhardt

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In Dornholzhausen prägen Eselsfiguren das Ortsbild. Wie das Dorf zu dem Uznamen kam, ist unklar. Die Namensgleichheit mit einerm anderen Ort sorgte einst für Verhängnis. Ein Dorfporträt.

Von oben betrachtet wirkt Dornholzhausen sehr kompakt gebaut. Was man auf dem Luftbild nicht sehen kann – da rein in den Kartenwerken der Menschen zu finden – ist die Gemarkung Dornholzhausen. Mit einer Länge von rund 6,5 Kilometern, jedoch an der schmalsten Stelle gerade einmal 300 Meter breit, hat sie eine recht ungewöhnliche Form. Der letzte Gebietszuwachs erfolgte übrigens erst vor knapp 65 Jahren: Damals erwarb die Gemeinde ein Stück Land, welches nach dem Wüstwerden des Dorfes Obertshausen 1661 an Lang-Göns gegangen und danach mehrfach weiterverkauft worden war, jedoch mitten in Dornholzhäuser Gemarkung lag.

Dorfgemeinschaftshaus ist Zentrum des Dorflebens

Bereits 1661 hatte Dornholzhausen einen Teil der Gemarkung des ehemaligen Nachbardorfs erhalten. Der Brunnen von Obertshausen war über lange Zeit für die Wasserversorgung zuständig. Der Legende nach habe das Wasser einen besonders guten Geschmack gehabt, da es vorher durch die tiefgelegenen Weinkeller von Obertshausen geflossen sei.

Seit 1977 gehört Dornholzhausen zur Gemeinde Langgöns, wechselte mit der Auflösung des »Kreises Lahn« zudem vom Landkreis Wetzlar in den Landkreis Gießen. Dabei waren die Dornholzhäuser über lange Zeit eher Richtung Butzbach orientiert: Mitte des vorigen Jahrhunderts gingen hier viele in den Schuh- und Landmaschinenfabriken arbeiten. Erst als hier die Arbeitsplätze weniger wurden, orientierte man sich auch nach Gießen, Wetzlar, Linden und Frankfurt. War die Landwirtschaft einst Haupternährer, gehen ihr mittlerweile nur noch eine handvoll Dornholzhäuser nach – einige davon in einem Biobetrieb.

Handball-Nationalspieler aus Dornholzhausen

Aushängeschild des Dorfs ist auf Vereinsebene der TV Dornholzhausen. Vor 100 Jahren gegründet – damals noch mit einem Faustballteam – ist der Verein heute mit einem breiten Angebot von Tennis über Ski- und Wandern bis Gymnastik breit aufgestellt. Vor allem durch seine erfolgreichen Handballer ist er jedoch bekannt geworden. Volker Michel warf hier in der Jugend seine ersten Tore, bevor er 19-mal für die Nationalmannschaft auflief und in 283 Bundesligaspielen 971 Tore warf.

Der TVD baute auch 1921 die erste Turnhalle des Dorfes, die man 1962 durch einen Neubau ersetzte. Auch dieser ist mittlerweile verschwunden: Der Sportverein übergab das Areal an die Gemeinde Langgöns, damit diese ein neues Dorfgemeinschaftshaus bauen kann. Das alte Dorfgemeinschaftshaus dient der Feuerwehr als Quartier. Das neue DGH wurde am 28. Juni 1991 eingeweiht. »Das Gebäude ist heute der Mittelpunkt aller Vereine«, sagte Harald Bröckel.

Karnevalssitzung am 2. März

Derzeit geht es darin wieder närrisch zu: Der Karnevalverein veranstaltet hier am 2. März seine Galaprunksitzung. Dabei wird auch wieder der »Donkey-Chor« zu hören sein. Die Dornholzhäuser werden mit Dorfnamen Esel genannt. Warum das so ist, lässt sich heute nicht mehr genau sagen. Zur 1200-Jahrfeier haben die Dornholzhäuser jedoch den Namen offensiv aufgegriffen: Seitdem zieren zahlreiche Eselsfiguren den Ort, findet man die hübschen Tiere auf Briefkästen, Hoftoren und eigentlich überall.

18 000 Russen marschieren vors falsche Dorf

Während diese Feier ein Höhepunkt im Ortsleben war, gibt es aber auch dunkle Kapitel in der Dorfgeschichte: Die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs brachte viel Leid. 1635 starb jeder fünfte Dornholzhäuser an der Pest, 1641 zogen Plünderer durch den Ort und legten Feuer. Nur eines von 31 Häusern stand danach noch. 1813/1814 marschierten 18 000 Russen durch das Kleebachtal und schlugen vor dem Dorf ihr Lager auf. Ein Irrtum, wie sich später herausstellte: Eigentlich wollten sie nach Dornholzhausen bei Bad Homburg. Die »Verbündeten« im Krieg gegen Napoleon drangsalierten die Bevölkerung und tranken sämtliche Alkoholvorräte auf.

Die Versorgung des Heeres brachte Dornholzhausen an seine Grenzen: Vom gesamten Viehbestand soll nach dem Abzug der Truppen nur noch eine Gans übrig geblieben sein, zudem hatte die Gemeinde mit einem Berg von Schulden zu kämpfen. Eine Wiedergutmachung hierfür gab es nicht, stattdessen hatte das Dorf über Jahrzehnte die Gelder zurückzuzahlen.

Erinnerung an Paul Schneider lebendig

Doch auch in dunklen Zeiten lebten in Dornholzhausen Menschen, die mutig ihre Stimme erhoben. 1926 trat Paul Schneider die Nachfolge seines Vaters als Pfarrer von Dornholzhausen und Hochelheim an. Schneider stellte bald fest, dass sich die Ziele der Nazis nicht mit den christlichen Werten der Bibel vereinbaren ließen.

Als »Nicht-Arier« von den Gottesdiensten ausgeschlossen wurden, trat Schneider dem »Pfarrernotbund« bei, später der »Bekennenden Kirche«. Da er sich mehrfach kritisch über Goebbels geäußert hatte, wurde er zunächst von der Kirchenleitung nach Dickenschied und Womrath versetzt. Auch hier blieben für Schneider die christlichen Werte der Maßstab. Die Nazis verhafteten den Pfarrer, brachten ihn in das KZ Buchenwald. Hier wurde Paul Schneider am 18. Juli 1939 nach monatelanger Folter ermordet. Das Paul-Schneider-Heim und die Paul-Schneider-Straße erinnern heute an ihn.

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