20 Jahre in Kurzgeschichten

Hungen (bac). »Ich habe noch nie in einer Turnhalle gelesen. Echt cool«, meinte Kai Wiesinger zu Beginn seiner Buchpräsentation in der Hungener Schäferstadthalle. Doch damit verprellte er nicht das Publikum, denn es weiß um den Charme ihrer Halle, die auch schon andere Künstler zum Staunen gebracht hatte.
Autobiografisch geprägt
In der Reihe »Leseland Gießen« der OVAG stellte Theater- und Filmschauspieler Wiesinger einige amüsante Kapitel aus seinem Buch »Liebe ist das, was den ganzen Scheiß zusammenhält« vor. Doch es war mehr als das: Charmant und locker plauderte er mit dem Publikum, stellte Fragen nach den Gewohnheiten der Hungener und verriet einiges über sich und sein Privatleben. Besonders beeindruckten ihn die Bahnschranken in dem Ort: »Die waren ja länger als mein Zug.« Mit dergleichen spontanen Erkenntnissen hatte er das Publikum sofort für sich gewonnen. Es fühlte sich an wie ein lockeres Gespräch unter Freunden, dass die räumlichen Gegebenheiten schnell vergessen ließ.
Der 1966 in Hannover geborene Schauspieler wollte schon immer diesen Beruf ergreifen und seine Eltern förderten ihn entsprechend. Die Initialzündung dafür lieferte ihm die Beschäftigung mit Schillers »Die Räuber«. »Wenn ein Stück so etwas bei dem Publikum bewirkt, wie es damals der Fall war, dann wollte ich das auch tun.« Er erhielt zwar ab dem 15. Geburtstag Schauspielunterricht, eine Schauspielschule wollte ihn dennoch nicht nehmen. Schließlich ging er für einige Monate nach München zu einer Privaten. »Die haben - so glaube ich - wohl jeden genommen, der das Studiengeld bezahlte«, meinte er schelmisch.
Bekannt wurde er durch den Film »Kleine Haie« von Sönke Wortmann. Danach hat er eine Menge Filme, gute und schlechte, gedreht. Irgendwann mit zunehmendem Alter entstand bei ihm die Idee zu der Fernsehserie »Der Lack ist ab«, bei der er Regie führte und die Hauptrolle spielte. Im Nachgang dazu verfasste er sein erstes Buch »Der Lack ist ab« über das Älterwerden. »Irgendwann fängt es damit an, dass man für alles Mögliche eine Brille braucht.« Ohne Lesebrille ging auch in Hungen gar nichts mehr.
Ein Fakt, der bei dem Publikum ins Schwarze traf. »Wenn mich jemand fragt, ob ich etwas schreiben könnte, dann geht mein erster Griff in meine Hemdtasche, nicht um einen Stift zu zücken, sondern um zu prüfen, ob ich meine Brille dabeihabe.« Ähnlich locker geht es in seinen Geschichten zu, die er zu dem Buch zusammengefasst hat. Diese sind zwar alle autobiografisch geprägt, wie er verriet, aber nicht 1:1 übertragbar. »Aber, die Gefühle, die ich in den Dialogen beschreibe, sind 100-prozentig meine«, sagte er.
Es handelt sich nicht um einen Roman, sondern um kleine Alltraggeschichten der fiktiven Familie von Tim und Tanja und ihren zwei Kindern, beginnend bei der Geburt des ersten Kinds und endend mit dem Auszug des zweiten Kinds von zu Hause. Sie umspannen einen Zeitraum von rund 20 Jahren, in dessen Anschluss sich das Ehepaar neu finden und definieren muss.
Er erzählt vom Alltagswahnsinn, von den schrillen und grotesken Momenten in einer Familie. Unbeschreiblich lebensecht sind darin die Dialoge zwischen dem Ehepaar. Sein Werk steht damit in der locker-leichten Erzähltradition ganz im Sinne der Familiengeschichten von Ephraim Kishon, den der Schauspieler auch sehr verehrt. Aktuell wird gerade an der Verfilmung gearbeitet. Man darf auf das Ergebnis gespannt sein.