Wie gehen Landwirte im Kreis Gießen mit Diebstahl und Vandalismus um?

Dreimal schon wurde der Verkaufsautomat auf dem Hof von Landwirt Klug von Dieben heimgesucht. Dies ist kein Einzelfall im Kreis Gießen.
Spät am Abend noch hatte Kerstin Klug ein fremdes Auto in der Straße zum Hof am Ortsrand von Heuchelheim (Kreis Gießen) gesehen. Und eine dunkel gekleidete Person. Aber so richtig misstrauisch war sie da noch nicht. Als ihr Mann Thorsten am nächsten Morgen von seinem ersten Gang Richtung Stall umgehend zurückkam, da war ihr aber schlagartig klar: In der kleinen Hütte neben dem Stall, mit einem Milch- und einem Eier-Verkaufsautomaten, war eingebrochen worden. Und zwar nicht zum ersten Mal.
Im siebten Jahr betreibt die Landwirtsfamilie Klug ihre »Milchtankstelle«, um Kunden Frischmilch zum Selberzapfen anzubieten. Dreimal schon wurde die Anlage aufgebrochen und schwer beschädigt. Zweimal auch der Verkaufsautomat für Eier, Nudeln Wurst im Glas et cetera. Zuletzt kamen die Täter zwischen den Jahren. Nicht, dass es die dreisten Diebe auf Leberwurst oder Frühstückseier abgesehen hätten. Das Bargeld in den Automaten ist es, das lockt.
Auch andere landwirtschaftliche Direktvermarkter mit Verkaufsautomaten werden Opfer von Vandalismus, Aufbrüchen und Diebstahl, weiß Marie-Claire von Spee. Eine deutliche Zunahme oder gar eine Welle möchte die Sprecherin des Hessischen Bauernverbandes aber nicht bestätigen: »Ein Riesen-Aufschrei ist hier nicht«. Gleichwohl, vor zehn Jahren gab es kaum Automaten auf den Betrieben oder neben den Hofläden, an denen die Kundschaft quasi »24/7« frische Ware direkt ab dem Hof holen kann. Damals haderten die Landwirte eher mit illegalen Müllablagerungen oder zerstörten Weidezäunen. Auch das gibt es heute alles immer noch. Nur ist jetzt mit den Automaten-Knackern ein weiteres Thema dazugekommen.
Diebstahl und Vandalismus im Kreis Gießen: Beträchtlicher Sachschaden
Hunderte von Euro stecken ohnehin nicht in den Automaten. Aber der Sachschaden ist jeweils beträchtlich, kann schnell in die Tausende gehen. Hinzu kommt, dass dann der Verkauf für ein paar Tage stockt, bis die Automaten wieder repariert sind. Das schmälert den Umsatz. Und es frustet Kunden, die den Weg zum Bauern ihres Vertrauens womöglich vergebens angetreten haben.
»Das Problem ist eben, dass Bauernhöfe, vor allem solche in Ortsrandlage, vielfach keine abgeschlossenen Betriebsgelände sind, also in der Regel nicht eingezäunt«, erläutert Thorsten Klug aus Heuchelheim. Und das soll ja eigentlich auch so sein, um Kunden den autonomen Einkauf außerhalb üblicher Geschäftszeiten zu ermöglichen. Klugs haben ohnehin gerne einen offenen Hof; haben immer wieder Besucher. Sie empfangen Schulklassen oder Landfrauen, um den Menschen die Herkunft ihrer Nahrungsmittel nahezubringen.
Anfangs war die Milchtankstelle gegen Beschädigungen versichert, erinnert der Landwirt. Doch nach drei Jahren hat der Versicherer den Vertrag nicht verlängert. Und weil bis dahin auch nichts passiert war, beließen es die Klugs dabei. Erst in den vergangenen zwei Jahren wurden die Automaten heimgesucht. »Unser Pech«, seufzt Thorsten Klug. Er hat jedes Mal die Polizei informiert. Nach dem letzten Einbruch Ende Dezember haben die Beamten gar Teile des Automaten mitgenommen – in der Hoffnung, darauf DNA-Spuren zu sichern, die zu den Tätern führen könnten. Doch gehört haben Klugs seitdem nichts mehr.
Mittlerweile haben sie Konsequenzen gezogen. Den Automaten, in dem Eier, Nudeln und mehr von Margit Jung aus Bellnhausen vermarktet werden, haben sie seit dem letzten Aufbruch auf bargeldlosen Betrieb umstellen lassen. Wer dort einkaufen möchte, der muss die EC-Karte zücken. Was übrigens gut funktioniert. Die Akzeptanz ist hoch. Die Benutzerfreundlichkeit sei sogar besser als bei den Automaten, die Waren nur gegen Bares ausgeben, so die bisherigen Erfahrungen. Und die Diebe haben nichts mehr zu holen. Die Milchtankstelle wird jetzt zudem videoüberwacht. Seitdem ist nichts mehr passiert.
Diebstahl und Vandalismus im Kreis Gießen: Nicht das einzige Ärgernis
Doch Automaten-Knacker sind nicht das einzige Ärgernis, mit dem die Landwirte zu kämpfen haben. Ablagerungen von Grün- und Astschnitt, von Abfall oder von Altreifen zählt Verbandssprecherin von Spee auf; ebenso der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Gießen/Wetzlar, Daniel Seipp aus Muschenheim. Nein, niemand tut dem Landwirt einen Gefallen, wenn er ihm noch ein paar Altreifen zusätzlich auf den Hof legt, damit er damit die Silo-Folie beschweren und sichern kann. Das ist illegale Abfallentsorgung. Nichts anderes.
»Jeder einzelne Vorfall ist ärgerlich«, sagt Seipp. »Denn die dummen Taten bedeuten für die Landwirte nicht selten eine halben Tag Aufwand und Lauferei sowie Kosten, um den Schaden wieder in Ordnung zu bringen«. Aber auch Seipp will nicht von steigenden Zahlen sprechen, außer vielleicht bei den Automaten. Denn die gab es vor zehn Jahren schlicht noch nicht.
Was auch immer wieder mal vorkommt: Dass Weidezäune aufgemacht oder zerstört werden. Jugendliche im Übermut? Alkoholisierte »Spätheimkehrer«? Oder vielleicht gar »Aktivisten«, die Tiere befreien wollen? Schwierig zu sagen. Gefährlich ist es aber so oder so, warnt Seipp. Und zwar für Tier und Mensch gleichermaßen: Denn was, wenn Rinder auf eine nahe gelegene Bahnstrecke laufen oder plötzlich auf der Straße vorm Auto stehen?! Nicht auszudenken, was da passieren kann.
Diebstahl und Vandalismus im Kreis Gießen: »Wer macht sowas?«
Von »Weidefrust statt Weidelust« sprach in diesem Zusammenhang Simone Stroh aus Wißmar im vergangenen Sommer. Ihre Familie betreibt einen Hof in der Lahnaue außerhalb des Dorfes. Gleich zweimal wurden binnen zwei Wochen in der Nähe des Launsbacher Silbersees Zäune beschädigt. Bereits einen Tag nach dem Aufbau der Weide wurde ein Weidezaun durchtrennt, sodass ihre dort grasende Ochsenherde anschließend wieder eingefangen werden musste. Wenige Tage später wurde Strohs von der Polizei mitgeteilt, dass ihre Ochsen in der Nähe des Umspannwerks zwischen Gießen und Wettenberg frei herumliefen. »Der Anblick des Weidezaunes machte uns fassungslos«, erzählt Simone Stroh. Pfosten wurden herausgerissen, abgebrochen und waren teilweise gar nicht mehr auffindbar.
»Wer macht sowas?«, fragt die Landwirtin. Neben dem Schaden und dem folgenden Aufwand ist das Schlimmste daran die Gefahr für Mensch und Tier. »Auch wenn jemand ein Problem mit Landwirtschaft oder Viehhaltung hat«, sagt sie, »solche Taten sind inakzeptabel und nicht zu rechtfertigen.«
Auch Strohs zogen im Sommer für sich die Konsequenzen: Die Rinderherde, die beim Silbersee der schonenden Beweidung im Landschaftsschutz dienen sollte, wurde nach dem Einfangen mit nach Hause zum Hof genommen. (Rüdiger Soßdorf)