Früher begehrt - heute verschmäht?

Der Antiquitätenmarkt, im besonderen für altes Mobiliar, scheint schwierig. Soeben schließt in Krofdorf-Gleiberg Lothar Ferber nach mehr als 40 Jahren sein Geschäft. Derweil eröffnet in Heuchelheim ein Antiquitätenhandel neu. Die Inhaber Anja Horn und Wolfgang Führer wollen ein Ausrufezeichen gegen den Trend setzen.
Lothar Ferber klingt frustriert. »Ein Schrank, der vor 30 Jahren noch ein halbes Vermögen gekostet hat, ist jetzt nicht nur Ladenhüter, sondern auch noch spottbillig«, sagt der Antiquitätenhändler. Seine Formel dazu lautet: »Teile den früheren Höchstwert durch zwei und streiche eine Null weg. Aus 4000 werden so 200 Euro.« Die Faustregel, sagt er noch, sei auch ein Faustschlag. Ferber zieht für sich nun die Konsequenzen, er schließt sein Geschäft in Krofdorf-Gleiberg. Am vergangenen Wochenende und auch am kommenden heißt es beim Räumungsverkauf »Alles muss raus«.
Der Markt habe sich völlig verändert, sagt Antiquitätenhändler Ferber. Er beschreibt es recht plastisch. Es habe zwar in den letzten Jahren einen Trend zu alten Zinkwannen, Fensterläden und Suppenkellen gegeben. »In der Wohnungseinrichtung ist heute aber eher weiß und hell angesagt. Und vor allem billig, damit man im Fünf-Jahre-Rhythmus seine Möbel austauschen kann, um dem neuesten Trend zu folgen.«
Ergo nun der Schlussstrich unter die Geschichte eines der etablierten stationären Antiquitätengeschäfte in der Region.
Vor 42 Jahren hatte sich Lothar Ferber gemeinsam mit einem Partner, Fred Nee b, selbstständig gemacht, 1988 ist er dann nach Krofdorf-Gleiberg gezogen und hat in der Wetzlarer Straße Ausstellungsräume, Lager und Werkstatt eröffnet - ein »Geschäft für antike und moderne Wohnkultur«, wie er es bezeichnet. Zudem bot er die Restaurierung von Antiquitäten an. In einer Immobilie übrigens, die schon aufgrund ihrer Geschichte eine ideale Location ist: Das von außen eher unscheinbare, aber große Gebäude wurde im Jahr 1867 als Zigarrenfabrik des Unternehmens »Georgi & Klingspor« errichtet. Die Zigarrenfabrikation wurde 1930 eingestellt. 1948 mietete Schreinermeister Josef Bayer aus dem Sudetenland das Anwesen und erwarb es einige Zeit später. Nach Bayer gab es noch zwei weitere Eigentümer, bis das Gebäude Anfang 2003 von den Eheleuten Ferber übernommen wurde.
Doch das »Geschäft mit der guten alten Zeit« habe »arg gelitten«, konstatiert Ferber heute. Daran hätten TV-Formate wie »Bares für Rares« auch nichts geändert. Wer mit antiken Möbeln handele, der wisse schon längst: Antiquitäten sind out. »Früher begehrt - heute verschmäht«, formuliert der Fachmann.
Eine Einschätzung, die Wolfgang Führer durchaus teilt. Er betreibt mit seiner Partnerin Anja Horn seit mehr als zwei Jahren den Antiquitätenhandel »Destique« - gegründet in Linden und seit wenigen Wochen in Heuchelheim im Rinn&Cloos-Carré zu finden. Dort ein Neustart mit Ausstellungräumen für Antiquitäten aus verschiedenen Epochen, Designklassikern und Wohnaccessoires sowie einer Werkstatt für Restaurierungsarbeiten. »Destique« verkauft im Ladenlokal, zudem bundesweit übers Internet.
Auch Führer sagt, dass sich das Geschäft vor allem mit altem Mobiliar sehr verändert hat. Die Preise seien drastisch gefallen. Er sei erstaunt, wie günstig viele Objekte geworden sind. »Ich kaufe heute Schränke und andere Möbel über Auktionen an, die früher ein Vielfaches gekostet haben.« Insofern könne er nur bestätigen, was Lothar Ferber sagt. Auch Führer verweist auf »Bares für Rares«: Da werden nur ganz wenige Möbel angeboten. Und dann oftmals ganz billig - oder eben sehr teuer. Gegenüber früheren Jahrzehnten seien »reihenweise« Antiquitätengeschäfte verschwunden, blickt Führer etwa nach Frankfurt oder Wiesbaden. Er sagt: »Es wäre schade, wenn solch eine Kultur komplett einbricht.«
Früher, das sind die 1970er, 1980er und 1990er Jahre. Führer, von Hause aus Lehrer für Sport und Politik, hatte in seinem Beruf keine Anstellung gefunden und seinerzeit erste alte Schränke aufgearbeitet. Dann orientierte er sich neu, managte für 30 Jahre das Beratungsunternehmen P.O.T, war erfolgreich in Planung, Gestaltung und Umsetzung von modernen Arbeitswelten. Doch vor einigen Jahren hat er seine Leidenschaft für antike Möbel wiederentdeckt und ist im Jahr 2020 mit dem Antiquitätenhandel neu gestartet.
Führer, Jahrgang 1954, und der gleichaltrige Ferber kennen einander schon lange. Lothar Ferber und Fred Neeb waren Vorbilder, was das Aufarbeiten von Mobiliar angehe, erinnert Wolfgang Führer. Ferber sei eine echte Kapazität, bescheinigt er dem Kollegen.
Der eine schließt, der andere startet in der Branche neu durch. Wie passt das zusammen? »Der Markt ist schlecht, aber tot ist er nicht«, sagt Führer. Er versucht sich an einer Erklärung: Viele, vor allem jüngere, Menschen hätten den Bezug zu alten Möbeln verloren. Vielfach fehle die Konfrontation mit der Lebenskultur der Vorfahren, fehle der Anstoß. Horn und Führer hegen aber die Hoffnung, dass jüngere Menschen wieder Gefallen an antiken Möbeln und den Zugang dazu finden. »Den kann man ihnen aber wieder nahebringen.« Die Menschen müssten es nur kennenlernen. Deshalb wird beispielsweise in einem Blog auf der Webseite des Unternehmens allmonatlich die Geschichte eines Möbelstückes ausgebreitet. Und: Vor wenigen Tagen erst hätten sich zwei Frauen, Anfang 20, eigentlich auf der Suche nach einem Möbel-Discounter, geradezu in ihr Geschäft im R&C-Carré verlaufen. Nach einer ausgiebigen Besichtigungsrunde seien sie mit leuchtenden Augen gegangen.
Leben könne man vom Antiquitätenhandel heute aber nur schlecht, bestätigen die Unternehmer aus Heuchelheim. Stichworte seien die coronabedingten Schließungen, der Ukraine-Krieg, Ängste der Menschen um ihr Geld.
Was aber ist die Motivation, trotz der schwierigen Lage in der Antiquitätenbranche neu zu beginnen? »Meine Frau und ich, wir machen es aus Leidenschaft«, sagt Wolfgang Führer. Die heute niedrigen Preise auch im Ankauf alter Möbel, ermöglichten wieder anderes Kalkulieren: Einkaufspreis plus die dann investierte Arbeit müssten in einen auskömmlichen Verkaufspreis münden. Führer: »Händler kaufen günstig ein und können günstig verkaufen. Günstiger wird es wohl nicht.«