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Charmanter Entertainer Paul Kuhn gab sich die Ehre

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Grünberg (axc). 20 Jahre gibt es den rührigen Jazzclub Grünberg mit seinen Freitagskonzerten schon – wahrlich ein Anlass zum Feiern. Vorsitzender Wolfgang Knerr und seine Kollegen Matthias Kammerer, Jens Jensen und Dr. Horst Engel ließen nichts unversucht, um sich einen »lange gehegten Wunsch« zu erfüllen:

Beim 17. Jazz Meeting – dem siebten in der mit über 300 Zuhörern ausverkauften Gallushalle – gab sich Paul Kuhn mit seinem Trio und zwei Gästen die Ehre.

Der gebürtige Wiesbadener Kuhn, dieser »charismatische Musiker und Entertainer« (Knerr), ist mittlerweile 83 Jahre alt. Der Gang ist etwas langsamer, die Furchen im Gesicht noch tiefer geworden. Aber wenn er erst einmal an seinem Flügel sitzt, ist er ganz in seinem Element, und die Finger flitzen wie ehedem über die 88 Tasten, als seien Alter und gesundheitliche Krisen völlig an ihm vorbeigegangen. Seine Sehkraft hat stark nachgelassen, was ihn jedoch nicht daran hindert, seinem Zwischenapplaus spendenden Publikum immer wieder ein freundliches Lächeln zu schenken oder seinem Bassisten Martin Gjakonovski einen verschmitzten »Na, das haben wir doch gut hingekriegt«-Blick zu schicken. Zu Paul Kuhns Trio gehört üblicherweise noch Drummer Willy Ketzer, der jedoch terminlich verhindert war und von Thomas Cremer absolut adäquat vertreten wurde.

Wohlig-freundliche Wärme

»Wir spielen heute ein bisschen Swing für Sie.« Mit Understatement der alten Schule begrüßt der erfahrene Entertainer Kuhn sein Publikum und führt es charmant plaudernd durch den Abend – wobei er immer wieder dezent mit seinem Alter kokettiert: »Wir spielen jetzt ein etwas jüngeres Stück. Es ist 47 Jahre alt.« Gemeint ist »You’re Driving Me Crazy« (das tatsächlich aus den 1930ern stammt), und den Gesang übernimmt Kuhn selbst. Er trifft nicht immer ganz exakt den erwarteten Ton, aber seine Stimme verbreitet immer noch die vertraute wohlig-freundliche Wärme und Jazzgefühl.

Im ersten Teil gibt es einige entspannte Midtempo-Nummern mit Beseneinsatz an den Drums, wobei der Auftritt des 75-jährigen Tenorsaxofonisten Gustl Mayer aus Frankfurt (letzte Woche noch mit Ekkehard Jost im »Ulenspiegel«) für eine leichte Aufrauung des Klangbildes sorgt.

Abwechslung, wenn auch nicht unbedingt eine Qualitätssteigerung, bringt als zweiter »Spezialgast« (O-Ton Kuhn) Sängerin Gaby Goldberg, die mit »Someone To Watch Over Me« und »The Man I Love« vor allem ihrem Faible für George Gershwin frönt. Mit einem flotten Bassintro zu der Kern/Hammerstein-Komposition »The Song Is You« gibt die Band vor der Pause dann etwas mehr Gas.

Unvergessliches Gesicht

Im zweiten Teil kommt das »Paulchen« aus der Zeit der TV-Galashows ein wenig zum Vorschein, wenn er etwa eine Scat-Einlage in »It Don’t Mean a Thing« mit der sich aus dem Silbensalat herausschälenden Frage »Haben Sie was gegessen heute Abend?« beendet oder seine Hommage an Johnny Griffin mit einer Anekdote einleitet. Auf Kuhns Frage, ob der berühmte Tenorist sich noch an ihn erinnere, soll »Griff« geantwortet haben: »Natürlich, wie kann man ein Gesicht wie deins vergessen?«

Stehender Schlussapplaus

Musikalischer Höhepunkt ist »Close Your Eyes«, das mit zügigem Tempo, munter boppendem Walking Bass und einem knackigen, aber leisen Schlagzeugsolo (mit Besen) daherkommt. Auch die von Gaby Goldberg gesungene Bossa Nova »No More Blues« kann überzeugen. Kuhns Schlussnummer »Don’t Get Around Much Anymore« – in einem laut Kuhn »rockigen Tempo« gespielt – darf man nicht allzu wörtlich nehmen, wenn man bedenkt, dass er erst kurz zuvor in Ascona aufgetreten ist und weitere Tourpläne hat.

Der sich wie ein geklatschter »Lifetime Award« anfühlende stehende Schlussapplaus wurde natürlich mit einer Zugabe belohnt: »As Time Goes By« – was sonst? Paul Kuhns letzter Wunsch an die Fans in der Halle, »Vielleicht sieht man sich mal wieder«, klang da schon etwas melancholisch.

Welchen Auftritt Kuhn meinte, als er sagte, er sei 1963 schon einmal in Grünberg gewesen, ließ sich vor Ort nicht mehr klären. Aber vielleicht kann hier ja ein Leser weiterhelfen …

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