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Biebertaler Bürgermeisterin Ortmann strebt 2. Amtszeit an

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Von: Rüdiger Soßdorf

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Am 1. März fünf Jahre im Amt und bereit für eine zweite Amtszeit ab 2024: Die Biebertaler Bürgermeisterin Patricia Ortmann. © pv

Patricia Ortmann ist jetzt knapp fünf Jahre Bürgermeisterin in Biebertal . Sie tritt am 8. Oktober zur Wiederwahl an. Im Interview spricht sie über Bürgerbeteiligung, Fördertöpfe und ihre Pläne.

Im vergangenen August haben Sie den Willen zu einer zweiten Amtszeit bekundet, dies im Januar bekräftigt. Wer unterstützt Sie? Haben Sie bereits mit allen Parteien und Fraktionen über die neuerliche Kandidatur gesprochen?

Nein. Habe ich noch nicht. Aber ich habe alle um Gespräche angefragt. Und das ist überall mit Wohlwollen aufgenommen worden. Die Gespräche werden im März und im April geführt. Danach wird man weitersehen.

Die Freien Wähler haben Sie vor sechs Jahren unterstützt…

…und Frau Mohr (die Fraktionsvorsitzende, Anm. d. Red.) hat meine Ankündigung begrüßt, für eine weitere Amtszeit zur Verfügung zu stehen. Heute auf den Tag genau vor sechs Jahren (23. Februar, Anm. d. Red.) bin ich nominiert worden. Da war ich etwas aufgeregt zur Vorstellung bei den Freien Wählern, im Saal bei »Kallches«. Ich habe gesagt, warum ich mir vorstellen kann, zu kandidieren. Heute fängt wieder mein Wahlkampf an. Ich möchte die Dinge, die ich angefangen habe, auch weiter umsetzen.

Wünschen Sie sich einen Mitbewerber?

Das soll jetzt nicht überheblich klingen. Aber das ist eigentlich egal. Ich konzentriere mich auf meine Themen und Ziele. Und ich werde es wie im Jahr 2017 machen. Mit themenbezogenen Spaziergängen, mit Hausbesuchen und anderen Gelegenheiten, bei denen mich die Menschen hier treffen können. Und zwar unabhängig von weiteren Mitbewerbern. Ganz gleich, ob es einer ist oder zwei oder drei.

Sie haben 2017 angekündigt, bis dahin nicht einmal angedachte Fördertöpfe für Biebertal zu erschließen. Ist das in dem von Ihnen gewünschten Maß gelungen?

Richtig. Ich bin mit der Ankündigung in einer Podiumsdiskussion vor der Wahl angetreten: Mit mir ziehen neue Fördertöpfe ins Rathaus ein. Ein ganz großes Ding ist das Dorfentwicklungsprogramm, denn das integrierte Entwicklungskonzept zieht sich wie ein roter Faden durch die Kommune. Das ist ein Gesamtkonzept. Für Radwegeplanung und -bau habe ich den Nahmobiltätstopf für Biebertal geöffnet. Dazu das Regionalbudget erschlossen für die Mountainbike-Trails am Dünsberg und den neuen archäologischen Wanderweg für Kinder. Für die Bäche etwa gewinnen wir Mittel aus dem Förderprogramm für Gewässerschutz, Agrar und Küstenschutz. Das braucht aber vielfach auch Untersuchungen und Studien.

Wofür?

Deren Befunde helfen beim Planen. Aktuell freue ich mich auf die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie von »CoWorkLand«. Damit wir sehen, was da in der alten Zigarrenfabrik in Rodheim, die unser Bauhof bald verlässt, machbar ist. Um Handwerk und Start-ups dort Raum zu geben.

Themenwechsel: Sie kommen nicht aus der Verwaltung. Hilft das bei der Arbeit als Bürgermeisterin oder hindert es?

Man muss als Bürgermeister kein Verwaltungsmensch sein. Du musst gut kommunizieren und Prozesse moderieren können. Und im Übrigen habe ich einiges über Organisations-Entwicklung gelernt. Also: Es läuft.

Sie gelten als überaus bürgernah.

Ja. Ich gehe lieber zu den Menschen, als dass die Menschen zu mir kommen müssen. Denn wenn sie erst von sich aus kommen, dann knirscht es meist schon gewaltig im Gebälk. Mein Stichwort ist da Beteiligungskultur. Das müssen wir mehr in den Fokus rücken.

Können Sie da bitte konkreter werden?

Unsere Jugendpflege hat beispielsweise Kinder und Jugendliche sowie Eltern auf die 23 Spielplätze in unseren Dörfern eingeladen und gefragt: »Was fehlt hier?« Wir müssen als Gemeinde einfach für Kinder und Jugendliche attraktiv bleiben. Dann bleiben sie hoffentlich auch als junge Erwachsene hier.

Wenn alle Wünsche umgesetzt werden sollen, dann kostet das viel Geld.

Stimmt. Aber der Ansatz ist wichtig. Auch wenn nicht immer alles gleich umgesetzt werden kann. Es gilt, die Leute von klein auf mitzunehmen. Zu sehen, warum sie gerne in Biebertal leben. Darauf zielt übrigens auch das Projekt »Jugendgerechte Kommune« ab. Und es lohnt sich, hier zu leben. Für meine Familie und mich war es eine klare Entscheidung, nach Biebertal zu ziehen. Den Umzug hat keiner von uns bereut. Ich bin Biebertalerin geworden. Zum Amtsantritt kurz vor dem Umzug nach Biebertal vor fünf Jahren habe ich zwei Notizbücher bekommen. Eines ist jetzt schon voll.

Wie bitte?

Eines von Karl-Christian Schelzke, dem Direktor des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, und ein weiteres aus der Verwandtschaft. Ich sollte darin jederzeit Dinge notieren, die Bürger an mich herantragen. Eines reiche für eine Bürgermeisterzeit, meinte Schelzke damals. Aber schon heute fange ich mit dem zweiten Buch an.

Das freut die Menschen, wenn Sie viel aufgreifen, was gewünscht wird. Muss aber auch alles machbar und bezahlbar bleiben...

Ja sicher. Aber es ist wichtig, etwas zu tun. Mittlerweile ist das Familienbad für die nächsten 25 Jahre gesichert. Die Kinderbetreuung wurde und wird mit mir weiter ausgebaut. Auch die Schülerbetreuung - wenngleich Schule nicht unsere Aufgabe ist, sondern die des Kreises. Aber es ist wichtig. Da stellen wir beispielsweise in Fellingshausen in der Mehrzweckhalle Räume für die Betreuung zur Verfügung. Zudem kooperieren wir mit den Sportvereinen bei den FSJ’lern. Das ist ausbaufähig, auch für andere Vereine. Ich bin den Sportvereinen da für ihr Engagement dankbar. Zudem hilft es ihnen auch.

Inwiefern?

Diese Vernetzung ist auch Vereinsförderung, denn sie verbindet Schule und Vereine. Die leiden sonst darunter, dass sie Kinder und Jugendliche schlechter erreichen, weil sie länger in der Schule sind. Es muss mehr sein als das Abschaffen der Energiebeiträge für die Vereine, wenn sie die Hallen nutzen. Ich will nicht, dass Biebertal nur Schlafstätte ist. Also muss man die Vereine fördern. Aufgabe der Kommune ist es, die positiven Rahmenbedingungen abzustecken, damit sie ihre vielfältigen gesellschaftlichen und sozialen Aufgaben erfüllen können.

Was ist in den ersten fünf Jahren anders gelaufen als geplant? Was hat nicht geklappt?

In der Seniorenbetreuung wäre ich gerne weiter. Da ist nicht alles rund gelaufen: Betreutes Wohnen und bezahlbares barrierefreies Wohnen - das ist noch nicht da. In Fellingshausen ist das Projekt am Keltentor nach Einspruch des Regierungspräsidiums - der mich sehr wurmt - geplatzt. Und auch in Rodheim ging es bislang nicht voran, wie von mir gewünscht. Ich hätte gerne schon einen Spatenstich für eine Seniorenresidenz mit betreutem Wohnen gesetzt. Das hat aber bislang nicht sollen sein. Ein weiteres Stichwort sind neue Wohn-Modelle - etwa Mehrgenerationen-Wohnen. Auch das ist für mich ein Grund, weitermachen zu wollen: Dinge, die ich angefangen und angestoßen habe, die möchte ich auch umsetzen.

Zweimal sind Ihnen die Freien Wähler, Ihre Unterstützer von 2017, massiv in die Parade gefahren: Beim Abschaffen der Straßenbeiträge und jetzt erst in der Frage der Grundsteuer B. Wie hat sich das auf Ihr Verhältnis ausgewirkt?

Gar nicht. Ich denke, das hat unserem Miteinander keinen Abbruch getan. Wir führen einen guten, offenen Diskurs. Das Ziel: Jeder will und muss sich für Gesamt-Biebertal einbringen und einsetzen. Da ist manchmal ein Spagat zu vollziehen: Die Verwaltung ist verpflichtet, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Und dann gibt es seitens der Gemeindevertreter das politische Handeln, den Willen, nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Das muss ich stehen.

Nicht ganz rund läuft es auch bei der Wohngebietserweiterung auf der »Dreispitz« in Fellingshausen. Da gibt es Bürger-Protest. Stress also im Wahljahr?

Das muss man sehen. Für mich ist hier klar: Es gibt einen einstimmigen Beschluss der Gemeindevertretung, dass die Verwaltung dies umzusetzen hat. Das ist mein Job. Und ich will auch keinen Protest hören, warum ich das nicht tue. Der Bebauungsplan liegt seit dem 10. Februar offen. Da können alle Interessierten reinschauen. Wir sind wegen der neu auszuhandelnden städtebaulichen Verträge ein gutes Jahr im Zeitverzug. Doch auch da gilt es, neben Wohnraum für Familien barrierefreie, kleinere Wohnungen für ältere Bürger zu schaffen. Dies in der Hoffnung, dass perspektivisch so in deren älteren Häusern Wohnraum frei wird für junge Familien.

Nach dem Neubau von Inwerk ist auf den Gewerbeflächen bei Rodheim nichts mehr passiert. Warum nicht, was klemmt?

Da klemmt gar nichts. Wir setzen alles daran, die Gewerbebetriebe, die wir in Biebertal haben, zu halten und zu sichern. Für den fünften Bauabschnitt im Gewerbegebiet oberhalb der Amtmannsmühle - immerhin sieben Hektar Fläche - gibt es bereits erste Vorgespräche mit Bewerbern - und wir haben eine lange Liste an Interessenten. Ich hoffe, dass da im Jahr 2024 die ersten Bagger rollen. Dazu will ich sehen, dass die Ortsmitte von Rodheim wieder mehr belebt wird, quasi zwischen Listmann und Lapp (ehem. Gasthaus u. ehem. Schuhgeschäft, Anm. d. Red.).

Was stellen Sie sich da konkret vor?

Es gibt das eine oder andere Ladenlokal, das wiederbelebt werden kann, wo auch die Eigentümer Interesse an Vermietung haben. Nicht ohne Grund war eine meiner ersten Aktionen, dass die Gemeinde Mitglied im Gewerbeverein geworden ist. Für mich ist das Netzwerkarbeit - mit dem Ziel, als Gemeinde gute Rahmenbedingungen zu schaffen.

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