Nach Skandal-Verleihung: Musikpreis Echo wird abgeschafft

Den Echo wird es in dieser Form nicht mehr geben. Nach dem Skandal um Kollegah und Farid Bang wird der Musikpreis abgeschafft.
Berlin - Ende für den Echo: Nach dem Skandal um die Auszeichnung der Rapper Kollegah und Farid Bang wird der bekannteste deutsche Musikpreis abgeschafft. Der Echo sei durch die Geschehnisse "so stark beschädigt" worden, dass ein "vollständiger Neuanfang" nötig geworden sei, erklärte der Bundesverband der deutschen Musikindustrie am Mittwoch in Berlin nach einer außerordentlichen Sitzung des Vorstands.
Die Verleihungen des Echo sei über viele Jahre hinweg ein "zentrales Branchenevent mit vielen bewegenden Momenten" gewesen, betonte die Branchenvereinigung, die den Preis seit 1992 vergab. Sie wolle aber keineswegs, dass dieser als eine "Plattform für Antisemitismus, Frauenverachtung, Homophobie oder Gewaltverharmlosung" wahrgenommen werde.
Neuer Preis in Planung
Die Ereignisse rund um die diesjährige Verleihung könnten zwar nicht mehr rückgängig gemacht werden, hieß es in der Erklärung weiter. Der Verband wolle jedoch dafür sorgen, dass sich ein solcher "Fehler" nicht wiederhole. Der Preis werde künftig in einer neuen Struktur neu konzipiert, alle bisher mit der Vergabe befassten Gremien würden aufgelöst.
Hintergrund der Entscheidung ist die Preisverleihung an die zwei deutschen Hip-Hopper Kollegah und Farid Bang, denen im Zusammenhang mit ihrem Album "JBG3" Gewaltverherrlichung, Frauenfeindlichkeit und Antisemitismus vorgeworfen wird. Trotz Kritik waren sie Mitte April mit dem Echo ausgezeichnet worden, was eine große Empörung auslöste.
Renommierte Künstler wie Sänger Marius Müller-Westernhagen gaben ihre Echos aus Protest zurück, zudem hagelte es Kritik aus den Reihen von Bundespolitik, Kulturverbänden, Kirchen und jüdischen Organisationen. Sie machten der Musikbranche als Ausrichter und Initiator des Preises schwere Vorwürfe.
Unter der Bezeichnung Echo gab es drei parallele Preise für die Musikbereiche Pop, Klassik und Jazz. Während die Echos für Klassik und Jazz reine Jurypreise waren, erfolgte die Vergabe im Pop-Bereich als Kombination aus Publikums- und Juryentscheidung. Ein Expertengremium bestimmte dabei die Gewinner aus einer Liste von Künstlern, die auf Basis aktueller Chart- und Verkaufsstatistiken erstellt wurde.
Jury soll stärker im Fokus stehen
Bei der Neuausrichtung des Preises würden die Kriterien der Nominierung und Preisvergabe vollständig verändert, teilte der Verband am Mittwoch mit. Auch im Pop-Bereich solle die Jury künftig "stärker in den Vordergrund rücken". Details seien aber noch nicht geklärt, dafür werde Zeit benötigt.
Im Juni plant der Musikverband nach eigenen Angaben einen Workshop, um Ideen und Erwartungen aus der Branche zu sammeln. Der veränderte Preis solle eine Auszeichnung "im Sinne aller Künstler und der gesamten Branche" sein. Zugleich sei der Verband auch an Institutionen außerhalb der Musikindustrie herangetreten, "um die gesellschaftlich notwendige Debatte über die Kunstfreiheit und ihre Grenzen mitzugestalten".
Die Verleihung der Echos in den Bereichen Jazz und Klassik soll demnach zunächst noch einmal wie geplant erfolgen. Die Jazz-Preise würden am 31. Mai in Hamburg "in kleinerem Kreis ohne TV-Inszenierung" verliehen, erklärte er. Weitere Einzelheiten zu den Planungen würden bald veröffentlicht.
Die Pressemitteilung des Bundesverbandes Musikindustrie e.V. im Wortlaut:
Den „ECHO“ wird es nicht mehr geben. Das hat der Vorstand des Bundesverbandes Musikindustrie gestern in einer außerordentlichen Sitzung in Berlin beschlossen. Der ECHO sei viele Jahre ein großartiger Preis und zugleich zentrales Branchenevent mit vielen bewegenden Momenten und herausragenden Künstlerinnen und Künstlern gewesen. Auch steht für den Vorstand außer Frage, dass Deutschland als drittgrößter Musikmarkt der Welt zur genre- und generationsübergreifenden Auszeichnung von Künstlerinnen und Künstlern weiterhin Musikpreise mit Leuchtturm-Charakter braucht. Man wolle jedoch keinesfalls, dass dieser Musikpreis als Plattform für Antisemitismus, Frauenverachtung, Homophobie oder Gewaltverharmlosung wahrgenommen wird. Das um den diesjährigen ECHO herum Geschehene, wofür der Vorstand sich entschuldigt habe, könne zwar nicht mehr rückgängig gemacht werden, man werde aber dafür sorgen, dass sich ein solcher Fehler in Zukunft nicht wiederhole.
Die Marke ECHO sei so stark beschädigt worden, dass ein vollständiger Neuanfang notwendig sei, der auch eine Neuaufstellung bei ECHO KLASSIK und ECHO JAZZ nach sich ziehe. In dieser Überzeugung nennt der Vorstand bereits erste konkrete Schritte: Er wird die drei Preise in eine eigene Struktur überführen. Im Zuge dessen werden auch die bisher involvierten Gremien ihre Tätigkeit einstellen. Die Kriterien der Nominierung und Preisvergabe werden dabei vollständig verändert. Wie beim ECHO KLASSIK und ECHO JAZZ, die von Anfang an reine Jury-Preise waren, soll beim neuen Musikpreis auch für den Pop-Bereich die Jury stärker in den Vordergrund rücken. Für die Konkretisierung der Änderungen wird sich der Vorstand die erforderliche Zeit nehmen. Mit dem erklärten Ziel, den neuen Preis im Sinne aller Künstler sowie der gesamten Branche zu gestalten, soll es im Juni einen Workshop geben, um möglichst viele Ideen und Erwartungen aus der Branche beim Prozess der Neugestaltung einzubeziehen. Gleichzeitig ist der BVMI bereits an Institutionen herangetreten, um die gesellschaftlich notwendige Debatte über die Kunstfreiheit und ihre Grenzen mitzugestalten. Ausführliche Informationen zu den Verleihungen in den Bereichen Jazz und Klassik folgen in Kürze. Die Jazz-Preise werden am 31. Mai in Hamburg in kleinerem Kreis ohne TV-Inszenierung verliehen. Im Fokus stehen die Künstlerinnen und Künstler und ihre Musik.
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afp