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Unfallopfer lernt Retter kennen

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Florstadt (lk). In Lisa Fritzels Auto baumelt ein Anhänger. Die Worte »Erlebtes verbindet« und ein Datum sind eingraviert. Die Stammheimerin hat den gleichen Anhänger einem Nieder-Mockstädter geschenkt. Das Schmuckstück steht symbolisch für den Tag, an dem der 18-Jährige fast gestorben wäre und Fritzel ihm das Leben gerettet hat.

Lisa Fritzels Wunsch ist wahrgeworden. Er wird wieder gesund, ist auf einem sehr guten Weg. Er, das ist der 18-jährige Nieder-Mockstädter, den Lisa Fritzel bis zum 7. November 2015 nicht kannte, vielleicht auch nie kennengelernt hätte. Bis das Schicksal, der Zufall, Karma oder was auch immer die beiden zusammenführte. In einer Situation, wie sie extremer kaum sein kann.

Die 26-Jährige saß an jenem Samstag im November mit zwei Freunden im Auto. Das Trio war auf dem Weg zum Fußballplatz. In der Nähe des Stammheimer Kreuzes hielten sie an. Sekunden zuvor waren auf der Strecke zwei Autos kollidiert. Das Paar im Passat stieg aus. Der 18-Jährige im Corsa, der bereits brannte, konnte nicht. Der Nieder-Mockstädter war mit gebrochenen Beinen im Wagen eingeklemmt. Blutüberströmt rief er nach Hilfe. Lisa Fritzel und einer ihrer Begleiter rannten zum Corsa. Zwei weitere Autofahrer eilten hinzu. Zu viert versuchten sie, die Flammen zu löschen und den jungen Mann aus dem verzogenen Wagen zu befreien. Mehrere Ideen scheiterten. Lisa Fritzel verbrannte sich leicht die Hand, beim Versuch, in das Auto zu steigen und die Fahrertür von innen aufzudrücken.

Während sich die Flammen immer weiter ins Wageninnere hineinfraßen, versuchten der beste Freund der Stammheimerin und ein Schreinermeister aus Ortenberg, den jungen Mann durch ein Fenster ins Freie zu ziehen. Erst in einem dritten Anlauf und mit viel Kraft klappte es. Danach lag der 18-Jährige auf der Intensivstation.

Zweimal haben Lisa Fritzel und ihr bester Freund den 18-Jährigen seither besucht. Das erste Mal im Krankenhaus. »Es war sehr emotional«, berichtet die Stammheimerin. Die Tränen seien geflossen. »Seine Mutter hat uns sofort umarmt.«

Vor dem Treffen hatte Fritzel sich das Schlimmste ausgemalt. »Zum Beispiel, dass wir seine Wirbelsäule verletzt haben, als wir ihn aus dem Auto gezogen haben.« Doch dem 18-Jährigen ging es gut. »Er war schon wieder ziemlich fit.« Sein Vater habe sich bei ihr bedankt. »Ich wusste nicht richtig, was ich sagen soll. Was antwortet man in einer solchen Situation?«

Unfall auf derselben Strecke

Besonders tragisch: Es ist eine Schicksalsstrecke für Lisa Fritzel. Sie selbst hatte vor acht Jahren nur 800 Meter von der Unfallstelle entfernt einen schweren Zusammenstoß. Damals, sie war Fahranfängerin, nahm sie einem anderen Pkw-Lenker an einer Kreuzung die Vorfahrt. »Er war zu schnell unterwegs, ich habe seine Geschwindigkeit unterschätzt.« Der andere Wagen krachte in die Fahrerseite ihres Autos. »Zum Glück, denn auf dem Beifahrersitz saß mein kleiner Bruder«, erinnert sie sich. Die Feuerwehr schnitt sie aus dem Wagen. Mit Becken-, Nasen-, Jochbogen- und Kieferbruch wurde sie in die Klinik gebracht. Ihr Bruder erlitt einige Prellungen.

»Ich bin ein Statistik-Mensch. Nach meinem Unfall war ich der Überzeugung, dass ich statistisch gesehen durch bin. Jetzt, nach dem Unfall im November, bin ich definitiv durch«, sagt sie augenzwinkernd. Für den Fall der Fälle hat sie sich trotzdem gerüstet. Die Stammheimerin hat sich einen Feuerlöscher fürs Auto gekauft. Um im Notfall schneller und besser helfen zu können.

Inzwischen habe sie das Erlebte gut verdaut. »Anfangs habe ich noch viel davon geträumt und daran gedacht.« Mit dem 18-Jährigen stehe sie weiterhin in Kontakt. »Wir schreiben uns ab und zu.« Zu Weihnachten kaufte sie drei Anhänger, ließ darauf die Worte »Erlebtes verbindet« und das Datum des Unfalls gravieren. Einen Anhänger bekam der 18-Jährige, einen ihr bester Freund, der dritte hängt in ihrem Auto. »Als Glücksbringer.«

18-Jähriger aus brennendem Auto gezogen Rettung in letzter Sekunde

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